Assassin’s Creed: Unity – Ein schwarzes Schaf & dennoch eines der Letzten seiner Art

Assassins Creed Unity Banner

An Assassin’s Creed merkt man, dass man älter wird. Die Spielereihe rund um Assassinen und Templer begleitet uns nun schon eine gefühlte Ewigkeit und ich kann definitiv nicht genau sagen, wie viele Teile es nun eigentlich gibt. Den ersten Trailer, der damals mit den typischen Kirchenglocken-Klängen und der weißen Kapuze von Altaïr eine spannende Mordsequenz inszenierte, habe ich bis heute ins Herz geschlossen. Über die Jahre konnte sich Assassin’s Creed durchaus weiterentwickeln. Die Neuausrichtung der Serie mit dem Ägypten-Epos Origins fanden nicht alle Spieler gut, viele vermissten das klassische Gefühl der ursprünglichen Teile. Und obwohl es von vielen aufgrund der zahlreichen Macken zum Release als einer der schlechtesten Teile verschrien ist, habe ich eben dieses Assassin’s-Creed-Gefühl in Unity wiedergefunden. Der Ausflug ins Paris zur Zeit der Französischen Revolution lohnt sich nicht nur aufgrund von Nostalgie auch im April 2022!

Nachdem ich das erste Assassin’s Creed damals auf meiner PlayStation 3 bis zum Abwinken spielte, konnte mich auch die Ezio-Trilogie durchaus in ihren Bann ziehen. Erst danach taten sich für mich einige Schwachpunkte auf. Zu ähnlich war das Gameplay, zu uninspiriert viele der Neuerungen. Als amerikanischer Ureinwohner in Assassin’s Creed 3 hatte ich durchaus auch noch meinen Spaß, danach sorgte Black Flag endgültig dafür, dass ich eine lange Pause einlegen musste. Das Piraten-Abenteuer war für meine Verhältnisse insbesondere auf der technischen Seite deutlich zu veraltet, der Spielspaß litt mir zu sehr darunter. Dementsprechend stand ich durchaus auf der Seite derjenigen, die die Neuauflage mit Origins und der Hightech-Adler-Drohne wohlwollend gegenüberstanden. Origins zählt bis heute auch zu meinen favorisierten Teilen der Reihe und wohl auch zu den besten Open-World-Games.

Und dennoch war ich freudig überrascht, als mir unser Konsolen-Knabe RememberReach aus heiterem Himmel Assassin’s Creed Unity nahezu acht Jahre nach dessen Veröffentlichung zukommen ließ und mich damit in den letzten Wochen zurück in eine Zeit warf, in der Assassin’s Creed wirklich noch klassisches Assassin’s Creed war.

Der neueste von mir gespielte Teil der Assassin’s-Creed-Reihe ist zum jetzigen Stand wie schon erwähnt Origins. Dieses Spiel war es, das mehr Entwicklungszeit bekam als seine Vorgänger und dadurch nach einer merklich dahinsiechenden Durststrecke endlich wieder frischen Wind und vor allem mehr Rollenspiel-Aspekte einbrachte. Erstmalig war auch die serientypische Kletterei weniger zentral – in der Wüste rund um die Pyramiden gibt es eben kaum Erhöhungen. Stattdessen erkundete man entlang des Nils eine wundervoll gestaltete Landschaft eher in der Horizontalen. Gleich hier findet sich mit Unity nun auch der erste große Bruch: Paris bietet genau das, was man insbesondere aus den Anfängen der Reihe gewöhnt ist – nämlich eine detailliert gestaltete riesige Stadt, in der man unbemerkt in enge Gassen verschwinden kann und die vielen Kirchen als Aussichtspunkte zur Verfügung stehen.

Es erstaunte mich sehr, dass es Unity gelingt, im Frühjahr 2022 noch eine derart glaubwürdig gestaltete Stadt auf den Bildschirm zu zaubern und dabei das Gefühl zu vermitteln, man befände sich regelrecht inmitten einer lebendigen und von aufständischen Bewohnern nur so überquellenden Weltmetropole. Zwar verzichtet Unity nahezu gänzlich auf außerstädtische Randgebiete und natürlich belassene Landschaften – fast alles spielt sich in Frankreichs Hauptstadt ab – diese ist durch viele verschiedene Stadtviertel und unterschiedliche architektonische und finanzielle Gegebenheiten dennoch sehr abwechslungsreich zum Leben erweckt worden. Auch die vielen Wahrzeichen, die zum Teil mit unfassbarer Detailverliebtheit nachkonstruiert wurden, tragen zum unverkennbaren Paris-Gefühl der Spielwelt bei. Und so wundert es nicht, dass nach dem verheerenden Brand der Kathedrale Notre Dame auch Daten aus Ubisoft’s Assassinen-Abenteuer beim Wiederaufbau halfen.

Der aus technischer Sicht wohl eindrucksvollste Aspekt von Assassin’s Creed Unity ist die noch immer atemberaubende Menge an NPCs, die die Straßen von Paris füllen. Nicht selten blieb ich für einen kurzen Augenblick völlig baff stehen, als ich um eine Kurve gerannt kam und mich plötzlich inmitten einer riesigen Menschenmasse wiederfand. Die Französische Revolution als historischer Ankerpunkt ist an dieser Stelle natürlich perfekt gewählt, sorgt sie doch für etliche Aufhänger für Demonstrationen und Aufstände und damit für volle Straßenzüge. An allen Ecken und Enden von Paris ist spürbar, dass das Volk aufbegehrt und sich gegen die Obrigkeit stellt. Dabei mischt das Spiel die Darstellung von schier endlosen Gruppen geschickt mit kleinen spezifischen Details, die das Menschenmeer lebhaft erscheinen lassen. So werden hier und da Fahnen geschwenkt, kleine Splittergruppen beschimpfen einander, an einigen Stellen gibt es Prügeleien und wütende Passanten brüllen revolutionäre Worte, die sogleich in der Flut der Geräusche unterzugehen scheinen. Insgesamt kann man es wohl auch 2022 auch noch eine technische Meisterleistung nennen, was Ubisoft hier im Jahr 2014 schon vollbracht hat. Wirklich schade, dass die Technologie in diesem Ausmaß bisher noch nicht wieder zum Einsatz kam.

AC Unity Dach

Auch die Geschichte von Assassin’s Creed Unity und das mit ihr einhergehende Design der Missionen erinnert deutlich stärker an die Ursprünge der Reihe, als es Origins seinerzeit tat. Der die Jahrhunderte überspannende Konflikt zwischen Templern und Assassinen ist allgegenwärtig und die Aufträge, denen man sich als Spieler im Verlauf der rund 18 Stunden umfassenden Haupthandlung stellen muss, strotzen nur so vor klassischem Assassin’s-Creed-Flair. Infiltrationen, Schleichaufträge und Verfolgungsjagten wechseln sich mit offener gestalteten Morden ab, in denen man seine Vorgehensweise frei wählen kann. Diese zählen für mich persönlich auch zum Gameplay-Highlight von Unity, da sie durch ihre offene Gestaltung die Kreativität beim Mordanschlag in den Vordergrund stellen. Nervig hingegen sind die Missionen, die präzise Kontrolle der Kletter-Mechaniken erfordern. Nicht selten musste ich eine Sequenz neu laden, weil sich meine Hauptfigur wieder einmal in unsinnigen Bewegungs- und Animations-Verläufen verhakelt hat und das Ziel somit nicht mehr erreichbar war. Das nervt heute noch mehr als früher.

Im Großen und Ganzen ist Unity inzwischen aber weit weg vom Bug- und Performance-Fiasko, mit welchen zur Veröffentlichung einige Spieler zu kämpfen hatten. Zwar begegnen einem hier und da kleinere und kaum auffällige Fehler und auch die Simulation der Menschenmengen hat an diversen Stellen ihre Probleme, das Gesamtbild ist allerdings dennoch zufriedenstellend. Mehr als zufriedenstellend sind meines erachtens auch etliche Jahre nach dem Release noch die Kämpfe, die eine gute Mischung aus Taktik und „visueller Coolness“ hinbekommen. Ich erinnere mich noch sehr gut daran, wie man im ersten Assassin’s Creed mit Altaïr die brav wartenden Gegner einem nach dem anderen mit Finising-Moves ausschalten konnte. Das sah zwar schick aus, forderte aber kaum spielerisches Können. In Unity muss man für einen Konterangriff genau im richtigen Moment blocken, bei schweren Hieben von Widersachern hilft hingegen nur das ausweichen per Dark-Souls-Rolle. Hinzu kommen diverse Tools und viele verschiedene Waffentypen, von denen ich persönlich allerdings nur einen wirklich genutzt habe, sodass das Repertoire an Tötungsmethoden so schnell nicht langweilig wird.

Besonders erfreulich war es für mich, dass Assassin’s Creed Unity bei seiner Spielzeit nicht über die Stränge schlägt und man das Abenteuer in unter 20 Stunden beenden kann. In meiner Jugend hätte ich auch nicht vermutet, dass ich irgendwann einmal lobend erwähnen würde, dass ein Spiel nicht zu lang sei, aber Zeiten ändern sich nun einmal. Mir persönlich fehlt einfach die Zeit, mich mehrfach im Jahr Videospielen hinzugeben, die weit über 50 Stunden in Anspruch nehmen und mir dabei 0815-Nebenmissionen-Gameplay als Pflicht zum Fraß vorwerfen. Unity ermöglicht es im Gegensatz dazu, die Haupthandlung nahezu an einem Stück zu spielen. Die gefühlt abertausenden Sammelobjekte – unser Artikel „Zu viel des Guten: Das Spielen mit den Icons“ lässt grüßen –  kann man dabei getrost beiseite liegen lassen. Das soll natürlich auch nicht heißen, dass einige der Nebenaufträge nicht interessant wären. Ganz im Gegenteil – besonders das Analysieren von Mordschauplätzen und das Bestimmen des Täters im Nachhinein oder das Kennenlernen der diversen übers Spiel verteilten historischen Figuren machen auch abseits der Haupthandlung viel Spaß. Und dennoch bin ich Unity sehr dankbar dafür, dass ich mich auf meinen Wunsch hin auch nur auf die Hauptgeschichte fokussieren konnte.

AC Unity Revolution

Mein Fazit zu Assassin’s Creed Unity im Frühjahr 2022:

Die wichtigste Frage für Leser dieses Beitrags ist, ob sich das Spielen von Assassin’s Creed Unity auch 2022 noch lohnt. Immerhin ist das Spiel inzwischen über sieben Jahre alt. Die kurze Antwort darauf: Ja, definitiv. Ich war sehr erstaunt, wie modern insbesondere die Präsentation des Spiels auch heute noch wirkt und wie beeindruckend die Menschenmassen der Französischen Revolution zum Leben erweckt werden. Mir fällt kein vergleichbares Spiel ein, in welchem die Straßenzüge einer Stadt von so vielen Passanten gesäumt sind. Alleine zum Erkunden von Paris zu einer sehr interessanten Epoche lohnt sich Unity meines Erachtens.

Diejenigen, die Assassin’s Creed in seiner aktuellen Form zu andersartig finden und die lieber wieder das klassische Assassinen-Gefühl haben möchten, kommen sowohl beim Missionsdesign als auch bei der Handlung zusätzlich auf ihre Kosten.

Vom negativen Ruf, den sich Unity durch seinen ziemlich verkorksten Start eingehandelt hat, spürt man 2022 kaum noch etwas. Lediglich die mir persönlich zu oft störrisch wirkende Steuerung der Hauptfigur – besonders in hektischen und actionreichen Szenen – zeigt langsam ihr Alter. Ansonsten ist Paris in Assassin’s Creed Unity auch heute noch einen Besuch wert.

Assassin’s Creed Unity im Humble Store kaufen und das Videospielkombinat unterstützen! Weitere Artikel zur Assassin’s-Creed-Reihe findest du natürlich auf unserem Blog.