Lost Ark & wie es sich als Action-Rollenspiel eindrucksvoll in Szene setzt

Schon vor mehr als sieben Jahren – beim Erscheinen der ersten bewegten Szenen von Lost Ark auf YouTube – hatte das Spiel aus Korea meine Aufmerksamkeit erregt. Die gezeigten Bilder waren einfach zu cool, um sie zu ignorieren, und stellten damals eine echte Kampfansage an Diablo & Co. dar. Nachdem einige wenige Länder bereits seit Jahren Abenteuer in der Welt von Arkesia erleben durften, fand das Spiel nun endlich auch seinen Weg in den Westen und damit nach Deutschland. Und noch immer fasziniert das Spiel – besonders die visuellen Eindrücke sind hervorragend! In diesem Beitrag blicken wir auf die Levelphase bis Stufe 50 und ergründen, wie Lost Ark die Inszenierung fulminant umsetzt und was ich beim Einstieg ins Spiel erleben konnte.

Alles begann mit dem stundenlangen Sitzen in den Serverwarteschlangen. Der inoffizielle deutsche Server Asta war, wie es nahezu bei jedem MMO-Launch der letzten Jahre der Fall gewesen ist, unfassbar überfüllt und man musste sich auf viel Warterei einstellen. Bis zu 20.000 Spieler saßen dabei gemeinsam im Hauptmenü fest und konnten zumeist nur zu (sehr) später Stunde in die Spielwelt eintauchen. Inzwischen hat sich die Situation zwar gebessert, trotzdem sieht man sich gegen Mittag am 27.02.2022 – dem Sonntag, an dem ich diese Zeilen tippe, noch mit weit mehr als einer Stunde Wartezeit konfrontiert.

Allerdings will ich weder umfänglich auf das Drumherum noch auf die Vielzahl an Inhalten eingehen, die in Lost Ark erkundet werden wollen. Vielmehr möchte ich speziell die Präsentation des Spiels ansprechen und wie sie meiner Meinung nach im Action-Rollenspiel-Genre  so ziemlich alles bisher dagewesene in den Schatten stellt. Alleine damit schafft das Spiel nämlich einen sehr guten Anreiz dafür, sich den Free-To-Play-Titel herunterzuladen und Lost Ark zumindest einmal auszuprobieren.

Story, Variation & die Bedeutung der Perspektive

Wenn ich persönlich an Action-Rollenspiele denke, kommen mir nicht wirklich die Schlagwörter „epische Geschichte“ oder „erinnerungswürdige Charaktere“ in den Sinn. Vielmehr fokussieren sich die Genre-Vertreter auf das Kämpfen und die Item-Progression. Zum Gründervater Diablo zählen für mich auch Spiele wie Titan Quest oder Sacred 2 unmissverständlich zu den Klassikern unter den Action-RPGs. Path of Exile mischte den Markt mit coolen neuen Ideen, einem fairen F2P-Modell und vor allem auch ersten tief ins Spiel integrierten Multiplayer-Features auf. Lost Ark bewegt sich in einem ähnlichen Rahmen, verschiebt das Augenmerk allerdings noch einmal ein ganzes Stückchen mehr in Richtung MMO. Soll heißen: Viele der Inhalte lassen sich mit anderen Spielern erleben und MMO-typische Inhalte wie PVP, Dungeons, Mounts, Housing oder Raids sind mit von der Partie.

Und dennoch gelingt es Lost Ark trotz der Fülle an Inhalten, insbesondere in den einleitenden Stunden mit seiner Handlung zu begeistern. Schuld daran ist die Art und Weise, wie diese präsentiert wird. Was selbst genreübergreifend eher eine Seltenheit ist, wird durch die Tatsache, dass es sich bei Lost Ark um ein ARPG handelt, noch beachtlicher: Selten sieht man in einem Videospiel derart viele epische Szenen! Natürlich möchte ich an dieser Stelle nicht allzu viel verraten, aber im Laufe der ersten 50 Stufen sind unglaublich viele visuell eindrucksvolle Momente zu sehen, dass man sich fragt, wie zur Hölle diese Qualität in solch einer Fülle umgesetzt werden konnte. Von nervenaufreibenden Zwischensequenzen über gigantische Belagerungsschlachten à la Helms Klamm bis hin zu Duellen von Piratenschiffen ist alles dabei. Besonders beachtlich ist, wie Lost Ark die Möglichkeiten seiner Kameraperspektive einzusetzen weiß. Zwar spielt man das Spiel aus der genretypischen Vogelperspektive, was sicherlich viele Spieler erst einmal abschrecken wird, allerdings nutzen die Entwickler jeden Trick und jede Möglichkeit aus, um die Geschehnisse mit gelungenen Kamerafahrten und punktuell einsetzenden Winkeländerungen zu unterstreichen und deren Wirkung zu verstärken.

Hand in Hand mit der Vielzahl an erinnerungswürdigen Momenten und Augenschmaus-Szenerien geht auch die Tatsache, dass das Spiel von Abwechslungsreichtum nur so strotzt. Die Spielwelt Arkesia ist zwar in sich nicht so geschlossen wie etwa Azeroth aus Warcraft oder Mittelerde aus Der Herr der Ringe, gleichzeitig entsteht durch diese Ungebundenheit eben auch die Möglichkeit, verschiedenste Elemente miteinander zu vermischen. Nachdem man in einem abermals fantastisch anzuschauenden Moment vom neu gekrönten König zum Ritter ernannt wird, folgt recht schnell die Übergabe eines eigenen Schiffs, mit welchem sich die vielen Inseln der Karte ansteuern lassen. Die geographische (und leider mit Ladezeiten versehene) Trennung der Gebiete trägt dann zusätzlich dazu bei, dass es sich nicht allzu seltsam anfühlt, dass ein Mischmasch aus Stilrichtungen in die Welt einfließt. Mittelalter und Steampunk, Cocktail-Partylocation und eine Insel voller sprechender Tiere – manchmal glaubt man, dass die Entwickler wirklich jede Idee in die Tat umgesetzt haben. Der hohe Grad an unerwarteten und abwechslungsreichen Inhalten ist einer der großen Pluspunkte von Lost Ark.

Belagerung Screenshot

Bewegen, Kämpfen & die Macht der Masse

Neben der visuellen Vielfalt, die Lost Ark in den ersten Stunden auf den Bildschirm zaubert, ist es auch die Weiterentwicklung des seit Jahren ein wenig stagnierenden ARPG-Gameplays, die zum gelungenen Gesamtbild der Präsentation beiträgt. Dabei sind die an vielen Stellen eingesetzten Kameraveränderungen, die die Dynamik des Spiels erhöhen und zur Glaubwürdigkeit der Welt beitragen, nur ein Teil des großen Ganzen. Auf der anderen Seite weiß Lost Ark nämlich auch sehr gut, mit kleinen spannenden Ideen aufzuwarten. So ist unser Charakter nicht nur ans stumpfe dem Mauszeiger Hinterherlaufen gebunden. An vielen Stellen der verwinkelten Karten gibt es auch Möglichkeiten, über Äste zu balancieren, sich an Kanten hochzuziehen oder per Seilwinde ins Tal zu sausen. Das alles ist natürlich im Grunde nicht mehr als eine schicke Übergangs-Animation, trotzdem trägt es sehr zur Immersion und zur gelungenen Auflockerung des Gameplays bei. Besonders auch dann, wenn man mit einer Gruppe in einem Dungeon gemeinsam hintereinander eine Wand erklimmt oder über einen schmalen Grat balanciert.

Kommen wir nun zu einem Element, was sicherlich durchweg subjektiv zu bewerten ist aber für meinen Geschmack im Rahmen von Lost Ark den Nagel auf den Kopf trifft: die Kämpfe. Zwar ist es auch in Diablo durchaus unterhaltsam, sich durch Gegnermassen zu mähen, doch Lost Ark setzt bei dem Mörder-Schauspiel noch eine Schippe drauf. Selten sahen Angriffe so fulminant und kräftig aus, selten fühlte man sich in einem Spiel direkt von Beginn an so mächtig. Für die Einen mag es zu übertrieben und kitschig-asiatisch sein, für Andere ist es eine rundum gelungene Symphonie der Zerstörung. Wenn Berserker mit überdimensionalen Schwertern ganze Gegnergruppen auf einmal zerhacken, Magier mit Eis- und Feuerangriffen den kompletten Bildschirm füllen oder sich die musikalischen Angriffe meiner Bardin zauberhaft animiert über das Schlachtfeld schlängeln, kommt einfach keine Langeweile auf. Zusätzlich ist auch das Feedback der Gegner auf die Attacken sehr gut umgesetzt – zurückweichende Feinde und in die Luft katapultierte Widersacher, die beim Aufprall auf den Boden in einer großen Blutexplosion zermatscht werden, sind einfach wunderschön anzusehen. Das klingt tatsächlich ziemlich makaber, wenn man es niederschreibt, aber der farbenfrohe und überzeichnete Artstyle lässt das Geschehen bei weitem nicht zu einem Gorefest für Erwachsene verkommen.

Die schiere Masse an Gegnern steht im Grunde auch symbolisch für das, was Lost Ark wirklich besonders macht. Das Mantra „viel hilft viel“ greift hier auf ganzer Linie – alles im Spiel ist groß, umfangreich und vollgepackt mit Inhalten. Es gibt sehr viele abwechslungsreiche und detaillierte Gebiete, dutzende einzigartig gestaltete Gegnertypen, eine Vielzahl an eindrucksvollen Dungeons,  überraschend viele auf deutsch vertonte Texte, Zwischensequenzen und Sprachfetzen von NPCs. Insgesamt bietet Lost Ark schlicht und einfach auch sehr viele Möglichkeiten, die Zeit totzuschlagen. Jedes Spielelement trägt dabei in irgendeiner Weise zum Gesamtfortschritt bei und verstärkt in den meisten Fällen sogar charakterübergreifend die eigene Auswahl an erstellten Kämpfern. Erfreulich ist dabei, dass viele Elemente – besonders die massig vorhandenen Sammelobjekte – für alle Charaktere im Kader des Spielers gelten. So muss man die weit über 1000 gut versteckten Mokoko-Samen immerhin nur einmal suchen und nicht mit jedem Twink komplett bei 0 beginnen. Denn wenn es ab einer gewissen Stelle im Spiel, in dem sich die Welt mehr und mehr öffnet und man nicht mehr zwangsläufig an eine linear verlaufende Handlung gebunden ist, eines auch zuhauf gibt, dann ist es vor allem auch der ewige Grind. Hier kommen dann definitiv die asiatischen MMO-Einflüsse zum Vorschein.

Krönung Screenshot

Mein Ersteindruck zu Lost Ark:

Nachdem Amazon Games mit New World ein meiner Meinung nach deutlich zu unfertiges MMO mit zu wenigen Inhalten auf den Markt gebracht haben, fungieren sie nun bei Lost Ark als westlicher Publisher für einen Titel, der vor Inhalten nur so überquillt. Lost Ark bietet in den einleitenden Stunden eine wundervoll detailliert und abwechslungsreich gestaltete Spielwelt mit einzigartigen Gegnern und einer spannend erzählten Handlung. Zwar beschränken sich nahezu alle Quests auf das 0815-Sammelschema oder das stumpfe Niedermetzeln von Gegnermassen, die schnell abschließbaren Aufgaben leiten den Spieler allerdings ohne große Hindernisse durch die Gebiete und sorgen für einen stetigen Zufluss an kleinen Geschichten, die die Areale glaubhafter erscheinen lassen. Besonders gut gelingt es Lost Ark dabei, die vielen Mechaniken nach und nach behutsam einzuführen und den Spieler nicht direkt zu Beginn völlig zu überrumpeln.

Wie es sich für ein gutes Action-Rollenspiel gehört, können sich die Kämpfe in Lost Ark wirklich sehen lassen. Die Angriffe wirken wuchtig und das Gegner-Feedback ist befriedigend – auch nach mehr als 100 Stunden Spielzeit! Für MMO-Fans bietet das Spiel viele Inhalte, die sich gemeinsam mit anderen Abenteurern Arkesias oder direkt mit Freunden angehen lassen. Verschiedene Dungeon-Arten, Raids und gut balancierte PvP-Scharmützel sind natürlich auch mit von der Partie.

Auch all jenen, die sich den Grind nach besserer Ausrüstung oder besonderen Gegenständen, Reit- oder Haustieren im Endgame nicht antun möchten, kann ich vor allem das Spielen der Inhalte der ersten großen Insel wärmstens empfehlen, die selbst für Einzelspieler eine spannende Erfahrung darstellen. Die Handlung mit Mittelalter-Fantasy-Elementen entfaltet sich in einem furiosen Finale, die Belohnungen für den Spieler danach wirken wichtig und man fühlt sich tatsächlich, als ob man nach einem großen Sieg für seine Tätigkeiten gewürdigt wird. Viele der abwechslungsreichen Dungeons sind wundervoll anzuschauen und bieten alle mindestens ein erinnerungswürdiges Highlight. Dem tut auch die für ein MMO ungewöhnliche Kameraperspektive keinen Abbruch – im Gegenteil! Ähnlich wie in unserem Beitrag zu Darksiders Genesis erläutert, sorgt sie vielmehr dafür, dass der Spieler ein Gefühl von Tiefe erhält.

Die Inszenierung von Lost Ark, die sowohl Qualitativ als auch Quantitativ überzeugen kann, ist für mich schon jetzt eine der großen Überraschungen von 2022!