Assassin’s Creed Origins und die Hightech-Adler-Drohne

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Assassin’s Creed Origins war der erste Teil der Reihe, der nach kontinuierlichen jährlichen Veröffentlichungen wieder mehr Entwicklungszeit bekam. Nachdem das im victorianischen London angesiedelte Syndicate nur vergleichsweise mäßige Wertungen bekam und viele Spieler genug von der Ubisoft-Formel hatten, erschien Origins erst ganze zwei Jahre später. Aus der ersten E3-Präsentation blieb mir besonders eine Sache im Kopf – der unfassbar drohnenartige Adler und seine präzisen Spähfähigkeiten.

Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, wie unfassbar ich mich auf das erste Assassin’s Creed gefreut habe. Habt ihr auch noch die Trailer und Videos im Kopf, bei denen das Läuten der Kirchenglocken immer so dermaßen cool einsetzte? Altaïr was here ist hierfür ein gutes Beispiel. Auch die Ezio-Trilogie spielte ich, wenn auch immer einige Jahre nach dem Erscheinen, recht gerne. Erst mit dem meiner Meinung nach technisch ziemlich hinterher hinkenden Black Flag ließ ich die Serie erst einmal links liegen – bis zum Erscheinen von Origins. Denn plötzlich wurde die Technik gehörig aufgebohrt und man setzte nicht mehr ganz so stark auf das seit Jahren stagnierende Spielkonzept. Nach gut zehn Stunden im alten Ägypten ziehe ich nun ein erstes Fazit bezüglich Adler und dem Rest des Spiels.

Trotz vieler Neuerungen bleibt auch Origins dem Grundgerüst von Assassin’s Creed treu – es gibt eine offene Welt, man kann nahezu alles erklettern und Kämpfe gibt es ebenfalls zuhauf. Allerdings ist all das dank des technologischen Fortschritts im Vergleich zu früheren Teilen um Längen umfangreicher und vor allem hübscher. Freunde der Serie werden sich trotz einiger Änderungen direkt heimisch fühlen. All jene, die sich noch an den Adlerblick erinnern, müssen sich allerdings ein wenig umgewöhnen. Denn anstatt per Knopfdruck die Zielperson direkt aus der Sicht der Hauptfigur zu sehen, blickt man in Origins diesmal wirklich aus der Sicht eines Adlers auf die Welt.

So, wie man sein Reittier rufen kann, ist es auch jederzeit möglich, die Kontrolle über Senu zu übernehmen. Der schon recht betagten Adler-Dame merkt man ihr Alter allerdings nicht an – im Gegenteil. Nicht nur, dass man Gegner und wichtige Objekte wie Schätze, Munition oder Ballisten markieren kann. Sobald die erforderliche Fähigkeit im Skillbaum erlernt wurde, lassen sich sogar Laufrouten der NPCs vom Himmel aus beobachten. Und falls das noch nicht genug ist, sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass die Tracking-Möglichkeiten auch durch dicke Wände, massive Felsen und sogar bis zum Grund eines tiefen Sees tadellos funktionieren – auf so eine Technik ist selbst die NSA neidisch.

Anfangs war der Adler für mich aus eben diesen Gründen schon etwas lächerlich. Doch wenn man dann selber erst einmal Hand angelegt hat und eine Weile in Origins verbracht hat, lernt man seine Fähigkeiten sehr zu schätzen. Klar, in der Luft an einem Fleck stehen bleiben und Dinge zu markieren erinnert wahrlich sehr an eine moderne Drohne, aber wirklich negativ auffallen tut Senu erstaunlicherweise kaum. Das mag auch daran liegen, dass unsere Hauptfigur Bayek bereits ein gestandener Mann ist und schon jahrelang mit ihr zusammenarbeitet. Anders als Ezio, den man schon als unerfahrenen jungen Erwachsenen kennenlernt, ist man in Origins kein Unbekannter.

Assassin's Creed Origins Sphinx

In Sachen Charaktere und Stellung der Spielfigur erinnert mich Assassin’s Creed Origins stark an The Witcher 3: The Wild Hunt. Ähnlich wie Geralt ist auch Bayek jemand, der sich um die Probleme anderer kümmert. Als Medjai, eine Art Polizist und Beschützer des antiken Ägyptens, hat er schon einige Jahre an Erfahrung auf dem Buckel und kann mit allerhand Waffen hervorragend umgehen. Klar, dass mit ihm auch Senu als treue Begleiterin schon lange unterwegs ist und er dadurch viel Erfahrung mit ihr sammeln konnte. Natürlich ist das keine vollständige Erklärung dafür, dass ein Adler plötzlich auf der Stelle hovern kann, aber was ist bei Assassin’s Creed denn schon realistisch? Immerhin befindet man sich ja in einem Animus, der Zugriff auf die Gedanken und Erinnerungen von Vorfahren verleiht.

Auch andere Aspekte des Spiels sind weit weg von einer realistischen Darstellung und orientieren sich eher am unterhaltsamen Gameplay. Beispielsweise seien hier die unheimlich schnellen Boote oder das Rufen des Reittieres genannt. Auch einige Kletter-Einlagen lassen den besten Boulderer staunen – von den waghalsigen Sprüngen aus mehreren hundert Metern brauch ich wohl gar nicht erst anzufangen. Ich muss an dieser Stelle jedenfalls meine Bedenken zurücknehmen, dass der Adler die Atmosphäre des Spiels beeinträchtigen könnte. Assassin’s Creed war eben noch nie für seinen hohen Grad an Realismus bekannt.

Nichtsdestotrotz gibt es einen wirklich großen Teil von Origins, der kaum besser hätte gestaltet werden können – die Rede ist von der Spielwelt. Wenn man an Ägypten denkt, ist meistens Sand und ein paar Pyramiden das erste, was einem in den Sinn kommt. Doch eine derart schöne, detaillierte und abwechslungsreiche offene Welt habe ich höchstens beim vorhin schon erwähnten Witcher gesehen. Atemberaubende Dünen, ausgestaltete Dörfer, gigantische Städte und nicht zuletzt die dichte Vegetation an Flussläufen und Seen sehen einfach fabelhaft aus.

Ob bei strahlendem Sonnenschein unter der heißen Wüstensonne oder im morgendlichen Nebel bei einer Bootsfahrt durch ein flaches Gewässer voller Krokodile, es gibt nahezu dauerhaft eine sehenswerte Szenerie im Spiel. Im Zusammenspiel mit den vielen Wildtieren und umherlaufenden Bewohnern ist Assassin’s Creed Origins ein wahrer Augenschmaus und setzt die Messlatte bei der Optik für kommende Open-World-Games ziemlich hoch. Einzig bei den recht statischen Dialogen, bei denen sich die Charaktere oft einfach nur regungslos gegenüber stehen, könnte sich Ubisoft noch eine Scheibe vom Hexer aus Polen abschneiden.

Assassin's Creed Origins Kamel

Mein Ersteindruck zu Assassin’s Creed Origins:

Origins ist trotz vieler kleiner Schwächen schlicht und einfach atemberaubend, besonders im Hinblick auf die technische Umsetzung. Sicherlich liegt es auch daran, dass ich seit Black Flag keinen Teil von Assassin’s Creed mehr angerührt habe, aber Origins ist für mich ein gigantischer Sprung nach vorne. Durch die umwerfend gestaltete Welt, die tolle Grafik und den größeren Fokus auf die Rollenspiel-Seite mit unzähligen Waffen, Rüstungen, Reittieren und Fähigkeiten ist Assassin’s Creed Origins ein unfassbar umfangreiches Spiel. Ich werde jedenfalls noch einige Stunden an den wundervollen Flussläufen des Nil verbringen und die recht spannende Handlung mit Freunde verfolgen – und das auch ab und an aus einer waschechten Vogelperspektive.

Abseits der ganzen Lobpreisungen schafft es auch Assassin’s Creed Origins nicht, den Fluch der Symbole einzudämmen. Mehr dazu in meinem Artikel Zu viel des Guten: Das Spielen mit den Icons, in welchem unter anderem die AC-Reihe als negatives Beispiel angebracht wird.