Das letzte Mal, als ich mich richtig auf ein Spiel gefreut habe, ist schon einige Jahre her. Dass diese Freude dann schnell in Enttäuschung endete, minderte meine Lust auf nahezu alle zukünftigen Titel. Erst Starfield von Bethesda vermochte es, die alte Liebe für Videospiele erneut zu entflammen und mich die Tage bis zum Release zählen zu lassen. Und erneut gibt es einige Kontroversen um das Weltraum-Abenteuer, das vergangenen Freitag in den Early Access startete und am 6. September 2023 offiziell erscheint. Ja, es gibt durchaus Kritikpunkte. Und trotzdem habe ich an drei Tagen mehr als 24 Stunden in Starfield verbracht. Denn obgleich einiges an Starfield aus der Zeit gefallen zu sein scheint, überstrahlt das Spiel in seinen hellsten Momenten sogar seine Bethesda-Vorgänger!
Unerwartete Unwichtigkeiten – Was mich an Starfield stört!
Kurz vor der Vorveröffentlichung vergangenen Freitag tauchten auf Reddit erste geleakte Infohappen von denjenigen auf, die Starfield schon länger anspielen konnten. Die von vielen Spielern erhofften unendlichen Weiten wurden plötzlich ganz klein, als bekannt wurde, dass die Planeten nicht komplett frei begehbar sind und stattdessen in viele Quadranten unterteilt werden, die um den Landeplatz des Schiffes herum generiert werden. Man hatte sich bereits damit arrangiert, dass die Landung nicht ohne Ladezeit auskommt, und jetzt das! Das Freiheitsgefühl von No Man’s Sky sollte man also nicht erwarten und ich selbst war auch ein wenig skeptisch, wie sich das in der Praxis anfühlen würde. Unsichtbare Barrieren sind nie schön und ich mag es nicht, durch sie am Spielen gehindert zu werden. Wer tut das schon?
Nach mehr als einem Tag im Sternenfeld kann ich nun aber berichten, dass die nicht nahezu unendlich großen Planetenareale kaum bzw. gar nicht negativ auffallen. Klar, anfangs hatte ich die Tatsache ständig im Kopf, dass ich, wenn ich nur weit genug ginge, auf das „Ende der Welt“ treffen würde. Das gab es so in den Wäldern Oblivions ja auch. Doch wenn man es nicht explizit darauf anlegt, stößt man während des Spielens nicht an diese Grenze. Im Gegenteil: Die generierten Areale sind – auch aufgrund der fehlenden Vehikel – ziemlich groß und besonders auf den eher trostloseren Welten wünscht man sich, dass der Fußweg zum nächsten Point of Interest etwas kürzer wäre.
Wenn wir beim Thema Oblivion bleiben, kann ich sogleich einen Punkt erläutern, der mich sehr wohl stört: Die Ladezeiten, und seien sie dank SSD noch so kurz. Schon seit dem vierten The Elder Scrolls wünsche ich mir, Gebäude ohne Unterbrechung betreten zu können. Wie toll ist es, in Grand Theft Auto IV und V oder Red Dead Redemption einfach in ein Haus hineinlaufen zu können. Die Spielfigur öffnet einfach so die Tür und spaziert hinein. Pure Magie im Vergleich zu Bethesda-Games! Klar, der Detailgrad und insbesondere die Interaktivität sind in letzterem deutlich höher. Aber ein Wunsch blieb es dennoch, eine Tür einfach öffnen zu können. Und dieser Wunsch geht auch mit Starfield nicht in Erfüllung. Stattdessen verstärkt sich in vielen Momenten die Quantität an Ladeunterbrechungen. Man geht aus einem Gebäude, fährt mit der Bahn, steigt in sein Schiff ein, startet in den Weltraum, fliegt zu einer Raumstation und betritt diese. Na, wie viele Ladezeiten würdest du schätzen? Wenn ich mich nicht verzählt habe, sind es sage und schreibe sechs Stück. Und das binnen weniger Minuten!
Etliche Ladezeiten in wenigen Minuten – das reißt einen gehörig aus dem Spielfluss!
Die Fülle an schwarzen Überblendungen sorgt dann auch dafür, dass sich Starfield trotz seiner gigantischen Anzahl an Sonnensystemen, Planeten, Monden, Locations und interessanten Orten zuweilen sehr klein anfühlt. Denn das Spiel bietet eine sehr gönnerische Schnellreise-Funktion, welche es beispielsweise erlaubt, aus einem Laden heraus per Karte zum Eingang einer Stadt dutzende Systeme weiter zu reisen – und das binnen Sekunden. Die Unterbrechung ist hierbei nicht länger als die, die man beim Betreten des eigenen Schiffs erdulden muss. Letzteres ist zwar technisch sehr beachtlich, aber es lässt einen oft die Größe des Universums vermissen, weil diese nur sehr selten spürbar ist. Trotzdem ist die Zeitersparnis natürlich gerne gesehen und eine gute Alternative zu dem Ladezeiten-Marathon, den man ansonsten erdulden müsste. Ich wünsche mir, dass die aktuell sehr mageren Reisen innerhalb eines Sonnensystems mit weniger Ladeunterbrechungen auskommen und man dadurch ein besseres Gefühl der Freiheit mit seinem Schiff entwickelt.
Kritikwürdig ist definitiv auch die Menügestaltung. Zwar ist die Benutzeroberfläche in ihrem cleanen Nasapunk getauften Stil recht ansehnlich, funktional ist sie aber oftmals nicht. Das Inventar ist beispielsweise nicht sonderlich intuitiv und sollte besser sortierbar sein, das Quest-Log wird schnell prall gefüllt mit Aktivitäten, deren Beschreibung weder etwas zur Ausgangssituation noch zu deren Austragungsort sagt und die Karte ist bis auf die Sonnensystem-Ansicht komplett unbrauchbar, da sie keinerlei Städte abbildet und stattdessen nur Icons auf einem topografischen Hintergrund einblendet. Hier sollte dringend nachgebessert werden!
Auch wünsche ich mir, dass ich Nahrungsmittel wie in Fallout 76 direkt vom Tisch futtern kann und diese nicht erst umständlich einsammle. Ganz allgemein fehlen einige der Quality-of-Life-Features, die 76 während seiner Entwicklung bekommen hat und die für mich in Starfield nun fehlen. Dass Essen und Trinken zudem deutlich zu wenig Lebenspunkte erneuert, ist eine zusätzliche sehr seltsame Design-Entscheidung. Trotz der Verschiebung um knapp ein Jahr hat man das Gefühl, dass in diese Elemente nicht genug Bedenkzeit geflossen ist. Keiner kann mir erzählen, dass Derartiges beim internen Testen nicht negativ auffällt.
Fantastisch Fesselnd – Was mir an Starfield gefällt!
Das freie Erkunden eines unendlichen Raumes mit manuellen Landemanövern auf Himmelskörpern, wie man es unter anderem aus No Man’s Sky gewohnt ist, bietet Starfield also nicht. Damit muss man sich abfinden. Wenn man das nicht kann, wird einen das Spiel nicht umhauen. Wenn man allerdings, so wie ich, ein Fan von Skyrim und Fallout ist und insbesondere die Spielwelten und die Geschichten, die sie erzählen, spannend findet, sollte man sich Starfield genauer anschauen. Denn meiner Meinung nach bietet das Spiel genau das und noch mehr – und diesmal eben im Weltraum-Setting mit all seinen Vor- und Nachteilen. Letztere habe ich bereits besprochen, die positiven Aspekte folgen nun. Denn es hat natürlich einen Grund, warum ich jeden Tag übers Wochenende mehr als acht Stunden auf der Couch vor dem Fernseher verbrachte. Was früher einmal beinahe der Standard war, ist inzwischen eine absolute Seltenheit und mir in den letzten Jahren nur sehr wenige Male untergekommen. Was ist es also, dass mich an Starfield so fesselt?
An erster Linie steht definitiv die Welt und das Setting mit seiner Lore, seinen Anekdoten an die menschliche Vergangenheit, das beginnende Weltraum-Zeitalter im 20. und 21. Jahrhundert und die unzähligen großen und kleinen Geschichten, die in und mit den Schauplätzen erzählt werden. Wie gerne habe ich mich in der Welt von Fallout: New Vegas verloren und wie froh bin ich, dass mir gleiches bei Starfield passiert. Nach wenigen Abschnitten der Hauptgeschichte wird man „frei gelassen“ und kann sich fortan wahlweise auch ganz auf sein persönliches Abenteuer fokussieren. Dabei entdeckt man nicht nur wundervoll gestaltete Orte, die förmlich zum Erkunden einladen, man erlebt auch spannende und sehr vielschichtige Aufgaben. Natürlich möchte ich an dieser Stelle nichts genaues verraten. Nur so viel: Es passiert mehrfach, dass eine simpel anmutende Aufgabe sich mehrmals verzweigt, sich Unter- und Unterunter-Aufträge daraus entwickeln und man immer wieder vor kniffligen Entscheidungen steht. Und ich rede hier nicht von der Hauptgeschichte, sondern von Nebenquests, die man auch komplett verpassen kann! Schon jetzt haben sich mehrere Aufträge an die Spitze meiner All-Time-Favorites von Bethesda geschoben und ich war mehrmals regelrecht begeistert, welch tolle Atmosphäre und spannendes Ambiente im Rahmen einer erst als Banalität abgestempelten Mission geschaffen werden.
Nebenbei erfreut mich Starfield immer wieder mit Callbacks zu realen Ereignissen oder zumindest Anlehnungen an unsere heutige Zeit, die das Spiel in die Menschheitsgeschichte einbetten und dem Ganzen einen fundierten Handlungsrahmen verleihen. Bethesda gelingt es hier wunderbar, unsere gemeinsame Vergangenheit und Gegenwart weiterzuspinnen und etwa mit Museen, Erinnerungstafeln oder Geschichten an die Wege der menschlichen Zivilisation zu den Sternen zu erinnern. Es hilft natürlich, wenn man generell eine gewisse Affinität zu Weltraum-Kram hat. Doch auch so kommt man durch das typische Erzählen von kleinen Geschichten in der Spielwelt sehr gut im Spiel an und wird in das – Achtung, jetzt folgt ein Satz, der in der Vorberichterstattung von nahezu allen Publikationen verwendet wurde – erste neue Universum von Bethesda seit 25 Jahren wunderbar eingeführt. Ich bin jedenfalls schon jetzt sehr gespannt, welche qualitativen Quest- und Lore-Inhalte mich noch erwarten werden.
Ausgezeichnetes Quest-Design, spannende Lore und tolles Environmental Storytelling – Starfield kann einiges!
Fesselnde Aufgaben und gelungene visuelle Präsentation sind an dieser Stelle nur die halbe Miete, wenn es um die Kreierung einer dichten Atmosphäre geht. Denn auch in Sachen Sounddesign hat Starfield einiges auf dem Kasten! Angefangen von sehr guten Sprechern, die die altbackenen Gesichtsanimationen deutlich erträglicher machen, bis hin zur Geräuschqualität und der Musik überzeugt hier meines Erachtens alles. Wer schon einmal den Start und die Landung einer SpaceX-Rakete auf YouTube verfolgt hat, weiß, wie sich Triebwerke mit unglaublicher Wucht von der Erde drücken. Und wie das Ganze klingen muss! Wenn man auf einer Landeplattform steht und am Firmament der Knall der startenden Booster eines fremden Schiffs den Blick nach oben schweifen lässt, ist das auch in Starfield sehr beeindruckend. Überraschend gelungen war für mich auch das musikalische Ensemble, das mit epischen Harmonien und wuchtigen Klangbildern die Szenerien des Spiels untermalt und das ich schon jetzt gerne einmal live erleben möchte. Ob die Musik von Starfield den Kultstatus von The Elder Scrolls oder Fallout erreichen wird, bleibt abzuwarten. Hervorragend ist die Musik und die gesamte Akustik des Spiels definitiv.
Überraschend gut sind an dieser Stelle auch die Sounds der Waffen, Granaten und anderer Gadgets, die man im Spiel verwenden kann. Und nicht nur das – die Schusswechsel machen gefühlt erstmals in einem Bethesda-Spiel auch wirklich Laune und wirken nicht komplett veraltet! Das liegt insbesondere an dem guten Treffer-Feedback, der Vielzahl an modifizierbaren Waffen und dem durch das Jetpack sehr aufgewerteten Movement im dreidimensionalen Raum. Kurzum: Die Kämpfe spielen sich ungewohnt knackig und hören sich dabei auch noch sehr gut an! Auch die KI der Gegner ist ziemlich ordentlich. Die Shooter-Mechaniken sind in Starfield also auf einem guten bis sehr guten Niveau, was das Genre betrifft. In den direkten Vergleich mit Shootern, wie dem grandiosen und leider etwas übersehenen Rage 2, darf man hier natürlich nicht gehen.
Einen waschechten Ego-Shooter bekommt man hier also nicht. Steif und etwas unbeholfen wie in Skyrim und Co. wirken die Kämpfe aber auch nicht. Dafür hat Starfield zu meiner Freude dann doch deutlich weiterentwickelt. Und auch, wenn ich noch immer von schwarzen Ladepausen unterbrochen werde, freue ich mich auf die Abenteuer, die mich noch in den Sternen erwarten werden. Ich habe das Gefühl, dass ich schon sehr viel gesehen und erlebt habe – und dabei habe ich gerade erst begonnen! Wer umfangreiche Spiele schätzt, ist demnach bei Starfield zu 100 % an der richtigen Adresse!
Was Starfield ist und was nicht. Mein Ersteindruck:
Man muss der Kommunikation der Entwickler zum Teil durchaus die Schuld dafür geben, dass sich viele von Starfield eine waschechte Weltraum-Simulation erhofft haben. Einige Aussagen des Teams waren ziemlich vage und hinterließen den Eindruck, man werde den Weltraum und auch die Planeten völlig frei erkunden und dabei seinen persönlichen Platz im Universum gestalten können. Dies bietet Starfield nicht.
Vielmehr ist Starfield – und genau das habe ich mir gewünscht – ein Fallout im Weltraum. Man bekommt es mit unzähligen Figuren, Fraktionen und Quests zu tun und hat oftmals die Qual der Wahl, wie eine Situation enden soll und welcher Partei man sich anschließt. Dabei würde ich Starfield nicht einmal als klassisches Rollenspiel bezeichnen – die gewählten Skills und Charakterzüge wirken sich zwar auf das Gameplay, aber nur sehr selten auf Dialoge und Entscheidungen aus. Stattdessen trifft man oft Entscheidungen unabhängig von den Eigenschaften der Figur. Wer aktuell mit Baldur’s Gate 3 seinen persönlichen Rollenspiel-Traum ausleben kann, muss sich hier umstellen oder wird enttäuscht. Wer sich auf das Starfield-Feeling einlassen kann, der bekommt wundervoll atmosphärische Missionen in einem gelungenen und sehr greifbar wirkenden Weltraum-Setting, das durch seine schiere Masse an Inhalten für etliche Stunden unterhalten kann.
Ich habe an dieser Stelle bewusst kein Wort zu den Außenposten oder dem Basteln der eigenen Raumschiffe verloren. Beides habe ich nach knapp 30 Stunden Spielzeit kaum beachtet. Ich war einfach anderweitig beschäftigt – was schon sehr gut auf den Umfang des Spiels schließen lässt und meine Begründung dafür ist, warum ich einen Meinungsbeitrag und kein Review veröffentliche. Nur so viel zu beiden abermals sehr umfangreichen Systemen: Der Schiffbau ist durch ein sehr intuitives Snap-System der Bauteile sehr einfach zu bedienen, schon das Modifizieren des Startschiffs mit mehr Frachtraum, einem größeren Reaktor und stärkeren Triebwerken macht Spaß und geht gut von der Hand. Die wenigen Augenblicke, die ich im Basenbau verbracht habe, sind aufgrund eines fehlenden Grids zum Platzieren der Elemente im Vergleich damit ein wenig fummelig.
Starfield ist schlussendlich nicht der Traum eines jeden SpaceSim-Fans geworden. Dafür ist vor allem die veraltete Technik ein Hindernis. Wer nach guten Geschichten und fesselnden Aufgaben in einem unverbrauchten Setting sucht, findet diese in Starfield. Die mit Abstand bugfreieste Veröffentlichung von Bethesda hat mich jedenfalls in ihren Bann gezogen und wird mich auch nicht so schnell wieder loslassen.
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