Wieder einmal bin ich auf ein Spiel gestoßen, welches bei seiner Veröffentlichung im Jahr 2019 komplett an mir vorbeigegangen ist. Vor kurzem war Rage 2 gratis im Epic Games Store zu haben und obwohl ich den Shooter schon vor einigen Monaten bereits im Xbox Game Pass beiläufig anspielen konnte, entfaltete er seine volle Anziehungskraft erst bei meinem zweiten Anlauf. Ich war wirklich überrascht, von einem Shooter derart gefesselt zu werden. Wichtige Faktoren dafür sind wohl der zu diesem Zeitpunkt verkorkste Release von Cyberpunk 2077 und die Tatsache, dass sowohl Doom als auch sein Nachfolger Doom Eternal für grandioses Gameplay gefeiert werden, obwohl sie meiner Meinung nach in einem ganz bestimmten Punkt eine große Design-Macke haben, die den Spielfluss ungemein stört. Doom und Cyberpunk frustrierten mich so sehr, dass ich Rage 2 als positiven Vergleich heranziehen möchte. Und so kommt es nun dazu, dass wir Cyberpunk 2077 doch noch auf unserem Blog aufgreifen – allerdings nicht, um es in Grund und Boden zu kritisieren, sondern um zu zeigen, warum Rage 2 in einem recht speziellen Aspekt die Nase vorn hat. Und auch Doom bekommt sein Fett weg.
Erinnert sich überhaupt noch jemand an den ersten Teil von Rage? Im Grunde war das Spiel für mich vor mittlerweile über zehn Jahren nicht viel mehr als eine Demonstration der Möglichkeiten der zu diesem Zeitpunkt neu erschienenen id Tech 5 Engine. Schon damals reizten mich das Setting – nach stundenlangem Spielen von Fallout 3 hatte ich noch immer nicht genug von der apokalyptischen Endzeit – und das flotte Gameplay. Besonders die sich für damalige Verhältnisse sehr dynamisch bewegenden Gegner, die von Wänden absprangen und schick animiert an Rohren kletterten, machten einiges her. Und trotzdem war das Spiel durch die Limitierungen der damaligen Hardware und den daraus resultierenden Einschränkungen in Sachen Leveldesign kein sonderlich erinnerungswürdiges Spiel für mich. Wahrscheinlich ist das auch einer der Gründe, warum Rage 2 vorerst an mir vorbei ging. Dass man 2019 nun dank modernerer Technik das zugegebenermaßen auch im ersten Teil schon sehr knackige Gameplay nun auf eine offene Spielwelt übertragen und dabei nichts vom eigentlichen Spielgefühl verloren geht, lernte ich erst Anfang 2021 zu schätzen. Rage 2 ist ein Geheimtipp für alle, denen die Welt von Cyberpunk 2077 zu belanglos vorkommt und die das Gameplay von Doom einen Tick zu vorhersehbar finden.
Die Erschaffung einer spannenden Welt: Wo Rage 2 Cyberpunk 2077 in den Schatten stellt
Nach einem Asteroideneinschlag haben nur einige wenige Menschen überlebt. Die Städte sind weitestgehend zerstört, der Wohlstand vernichtet und die Landschaft unfruchtbar und unwirtlich. Recht typisch für eine trostlose Endzeit versammeln sich in dieser Welt wenige Siedler in provisorisch aus Wellblech und rostigen Containern gebastelten Städten, um das bisschen, was sie noch haben, zu schützen. Draußen in der Weite der Landschaft lauern Banditengruppierungen, Mutanten und andere Dinge, vor denen man sich lieber in Acht nimmt. Es sei denn man ist ein Ranger so wie wir, die Ordnung ins Chaos bringen sollen. Ein gutes Stichwort, denn das Spiel beginnt mit einem rasanten und zu Erklärungszwecken recht linearem Intro, direkt danach öffnet sich die Spielwelt aber gänzlich und man kann frei entscheiden, wohin es als nächstes geht.
Rage 2 versucht dabei nicht zu verschleiern, dass es im Kern ein reinrassiger Egoshooter ist. Tiefgängige Rollenspiel-Systeme sollte man also nicht erwarten. Im Gegensatz zu Cyberpunk 2077 wurden diese aber auch nicht angepriesen. RPG-Mechaniken will man aber auch gar nicht, denn schon in den ersten Minuten des Gameplays kristallisiert sich heraus, dass das Gunplay und die gesamten Shooter-Elemente für ordentlich Freunde sorgen. Obendrauf gibt’s auch noch diverse das Ballern unterstützende Fertigkeiten, die ich allerdings erst später aufgreifen möchte. Zurück zur stimmig gestalteten Spielwelt und der Frage, in welchen Bereichen diese Cyberpunk 2077 schlägt. Im direkten Vergleich fällt auf, dass die Umgebungen zwar nicht unbedingt mit realistischen Maßstäben aufwarten, dafür aber schlicht und einfach deutlich mehr Spaß machen. Wo man in Cyberpunk im Großen und Ganzen nur gähnend langweilige Leere vorfindet, kommen Shooter-Fans trotz Open World in Rage 2 voll auf ihre Kosten und können ihr Waffenarsenal voll auskosten. Die zahlreichen Banditenunterschlüpfe werden dabei genauso schnell zu actionlastigen Schießbuden-Spielplätzen wie die Mutanten-Lager oder die Außenposten der Obrigkeit, einer machtstarken Organisation, die die Überbleibsel der Welt mit diktatorischer Stärke kontrollieren möchte.
Mit stark an Mad Max erinnernden Fahrzeugen und Flugvehikeln(!) überquert man die schicken Landschaften und peilt dabei die vielen interessanten Punkte an, an denen einem in den allermeisten Fällen recht schnell Blei um die Ohren fliegt. Im direkten Vergleich zu Cyberpunk 2077 fällt weiterhin sofort ins Auge, dass die Gebiete trotz Endzeit-Szenario visuell sehr abwechslungsreich gestaltet sind. Wüsten, Sümpfe, Dschungel – hier ist alles dabei, was den einschlägigen Open-World-Fan beeindruckt. Und selbst an jenen Orten, die bis auf karge Steine und altes Metall nicht viel zu bieten haben, sorgt der geschickte Einsatz von punkigen Neonfarben und guter Lichtstimmung für eine angemessene Portion Abwechslung. Obwohl oder gerade weil die Welt von Rage 2 insgesamt künstlicher und „videospieliger“ wirkt als die von Cyberpunk 2077, bereitet sie mehr Freude. Kurzum: So wie die Welt von Rage 2 sich anfühlt, funktioniert und aussieht, hatte ich mir auch die Randgebiete von Night City vorgestellt, die kaum einen Grund zur Erkundung bieten. Letzteres trifft ja leider auf die gesamte Welt von Cyberpunk zu, die leider bis auf eine hübsche Fassade nicht viel zu bieten hat. Vor allem, weil man eben vor der Veröffentlichung noch ein tiefgründiges Rollenspiel angepriesen hat, das schlussendlich nur in den Dialogen komplexer ist als Rage 2 und in Sachen Open World kaum Interaktivität zu bieten hat. Die Erwartungen waren wohl einfach zu hoch.
Der Drang zur Offensive: Wie Rage 2 den Spieler im Kampf besser als Doom nach vorne treibt
Monströser Dämonen-Abschaum, ein stahlharter Protagonist und wuchtige Schießeisen – das alles versprachen die Höllen-Shooter-Neuauflage Doom aus dem Jahr 2016 und der Nachfolger Doom Eternal. Und selbstverständlich erfüllen beide Spiele diese Anforderungen, sowohl bei Fans als auch Testern kamen beide Spiele sehr gut an. Auch ich hatte durchaus meinen Spaß mit dem 2016er Doom. Eine Sache störte mich allerdings schon damals gewaltig und sie ist sicherlich auch einer der Gründe, warum ich den Nachfolger nie gespielt habe und bisher auch keine großartigen Ambitionen verspüre, dies noch zu tun. Während der Großteil des Gameplays auf blitzschnelle Action ausgelegt ist, werden die fantastischen Shooter-Momente immer wieder unterbrochen – und sei es nur für wenige Augenblicke. Die blutigen Nahkampf-Finisher, die den meisten Spielern ziemlich gut zu gefallen schienen, passen mir persönlich absolut nicht ins Design-Konzept. Schnell verfliegt die eingangs sehr eindrucksvolle visuelle Komponente der sich ständig wiederholenden Animationen und übrig bleibt ein ständig forcierter Stillstand des Spielflusses.
Noch einmal zur Erklärung: In Doom fangen angeschlagene Gegner an zu taumeln und gleichzeitig zu blinken, damit man es auch ja nicht übersieht. Letzteres habe ich aus Immersionsgründen direkt bei meinem damaligen Playthrough abgeschaltet. Nähert man sich einem solchen bereits kurz vor dem Tod stehenden Dämon, kann man per Tastendruck einen blutigen Finisher auslösen, der dann im Vergleich zu „regulär“ umgebrachten Feinden mehr Gesundheits-Booster fallen lässt. Die Intention des Systems ist natürlich klar. Der Spieler soll einen Anreiz bekommen, sich auf den Feind zuzubewegen und proaktiv die Nähe zu suchen, anstatt wie in vielen anderen Shootern üblich behutsam hinter schusssicherer Deckung zu kauern. Wer wenig Leben hat, muss zwangsläufig risikoreich spielen und sich den Feinden nähern. Das Ganze funktioniert auch wie gewollt, man sieht sich stets inmitten von Gegnerhorden anstatt aus weiter Entfernung zu kämpfen. Und doch unterbrechen die Glory Kills das Spielgefühl meiner Meinung nach zu sehr, da die Animationen auf Dauer recht eintönig werden und man sich während dieser nicht selbstständig bewegen kann. Hier geht dann viel vom Flow verloren.
Rage 2 schafft auch ohne Glory Kills einen ziemlich ähnlichen Anreiz, sich Feinden zu nähern und unterbricht dabei das eigentliche Gunplay gar nicht. Die simple Lösung? Fallengelassene HP-Kapseln verschwinden nach kurzer Zeit. Wer sie einsammeln möchte, muss aggressiv nach vorne preschen. Weil die verwinkelten Banditen-Verstecke viele Barrieren bieten, hinter denen sich Gegner geschickt verstecken und Granaten in Richtung des Spielers werfen, ist Stehenbleiben grundsätzlich sowieso ein eher unzweckmäßiges Verhalten. Stattdessen stürmt man Hals über Kopf auf die Banditen zu und kann dann aus nächster Nähe beobachten, wie diese von den Kugeln zerfetzt werden. Das ist dann zwar nicht ganz so „gory“ wie die Glory Kills aus Doom, an blutrotem Körperteile-Feuerwerk mangelt es dennoch nicht. Auch die diversen Fähigkeiten in Rage 2 sorgen dafür, dass der Spieler ohne Rücksicht auf Verluste nach vorne stürmt, um den größtmöglichen Schaden anzurichten. Und man dann mit der Shotgun bewaffnet dank des speziellen Kampfanzuges, der übermenschliche Fähigkeiten verleiht, über eine meterhohe Barriere springt und mehrere Feinde mit einem Faustschlag auf den Boden zermatscht, fühlt man sich wirklich schnell wie der Held in einem überdrehten Action-Streifen der 80er. Ist danach noch jemand am Leben, schaltet man den Overdrive-Modus ein, der alle Angriffe um ein Vielfaches verstärkt und Kugeln so eine extra Portion Kraft verleiht. Ein Heidenspaß für alle, die sich gerne total überlegen fühlen und ein Faible dafür haben, reihenweise Gegner über den Haufen ballern.
Mein Fazit zu Rage 2:
Ich habe in Rage 2 viel von dem gefunden, was ich in Doom und Cyberpunk 2077 vermisste. Fantastisches Gunplay ohne Kompromisse und eine Spielwelt, die auf die Spielkonzepte zugeschnitten wirkt und durch abwechslungsreiche Gebiete zum Erkunden einlädt. Beim Design beider Elemente stand definitiv der Spielspaß im Vordergrund.
Wo in Doom das Gameplay durch das mir persönlich sehr störende Glory-Kill-System unterbrochen wurde, setzt Rage 2 auf die spielerische Freiheit und ein insgesamt sehr offensiv ausgerichtetes Waffenarsenal, um den Spieler nach vorne zu schieben und ihn die Nähe zu den Gegnern suchen zu lassen. Das Ergebnis ist in beiden Spielen zwar das Gleiche, in Rage 2 fühlt es sich für meine Begriffe allerdings deutlich befriedigender an. Zusätzlich vermag der Hauptcharakter mit seiner machomäßigen Rambo-Stimme die selbstironischen Anekdoten, die Rage 2 auf sein Videospiel-Dasein präsentiert, in witzig-unterhaltsamer Art im Verlauf der zweckmäßigen und dennoch recht interessanten Geschichte zu präsentieren.
Natürlich mag der Vergleich der Spielwelten von Rage 2 und Cyberpunk 2077 ein wenig weit hergeholt wirken, auf den reinen Spaßfaktor bezogen konnte erstere mich allerdings deutlich mehr abholen. Night City sieht visuell fantastisch aus, schafft es aber nicht, dieses Level an Qualität auch auf die Inhalte zu übertragen. Die Welt von Rage 2 hingegen wirkt von Anfang an wie ein neonbunter Abenteuerspielplatz, in dem etliche mit Gegnern bis zum Rand gefüllte Orte nur darauf warten, mit meinem Waffenarsenal Bekanntschaft zu machen. Man versucht im Gegensatz zu Cyberpunk gar nicht erst, eine realistische Welt zu erschaffen. Vielleicht wirkt sie gerade deshalb in sich geschlossener und stimmiger.
Rage 2 überzeugt schlussendlich vor allem durch sein grandioses Waffenhandling und die Wucht, die die Schießeisen auf die Feinde ausüben. Gepaart mit dem Ranger-Anzug, mit dessen Fähigkeiten man selbst große Gegnergruppen in wenigen Sekunden zerlegen kann und einem Protagonisten, der das Geschehene wunderbar trocken und selbstsicher kommentiert, wird das Gameplay zur wahren Freude. Weniger ist hier einfach mehr – die überschaubare Anzahl an Waffen und Skills reicht völlig aus, um tolles Gameplay zu bieten. Auch das Erkunden der offenen und durch verschiedenste Biome sehr ansprechenden Spielwelt mit den vielen skurrilen Fahrzeugen macht Spaß. Obendrauf gibt es auch noch die Möglichkeit, die Reisezeit per Fluggerät zu verkürzen. Und wer meine Artikel zu World of Warcraft kennt, der weiß, dass ich sowieso ein Faible für Spiele habe, in denen man fliegen kann. Die Freiheit der Bewegung gekoppelt mit der spielerischen Freiheit in Sachen Shooter-Gameplay machen Rage 2 zu einem wahren Geheimtipp für all jene, die endlich mal wieder so richtig die Sau rauslassen wollen!
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