Schon seit jeher üben Videospiele mit offener Welt einen Reiz auf mich aus. Vielleicht war der Auslöser dafür die Erfahrung, dass man in derartigen Spielen einfach deutlich mehr Zeit verbringen und Blödsinn machen kann. Vielleicht war es auch schlicht und einfach die Tatsache, dass Grand Theft Auto: Vice City damals ein ziemlich gutes Spiel gewesen ist. Rockstar Games hatte eine einfache aber unfassbar unterhaltsame Formel für Open-World-Design entwickelt. Dass diese Formel bis heute größtenteils unverändert geblieben ist, zeigt sich insbesondere im Vergleich mit anderen Titeln, die das Konzept deutlich klarer weiterentwickelt haben. Kürzlich fiel mir dies vor allem bei Assassin’s Creed Valhalla auf.
Red Dead Redemption 2 – für viele ist der Western-Epos eines der besten Spiele aller Zeiten und auch ich hatte durchaus meinen Spaß mit Arthur Morgan und der Van-der-Linde-Gang. Und dennoch verwunderte mich der harte Bruch, der zwischen der Gestaltung der Spielwelt und dem Design der Missionen sichtbar wird. Die Details meiner Kritik habe ich im Beitrag Wie die Welt von Red Dead Redemption 2 den Schwachpunkt des Spiels offenbart niedergeschrieben.
Dass Assassin’s Creed Valhalla einen gänzlich anderen Weg einschlägt und die Welt sowie die Missionen gleichermaßen modern gestaltet, ist mir bei meinem aktuellen Playthrough gleich mehrfach aufgefallen. Rockstar Games kann sich an dieser Stelle gerne eine große Scheibe für das kommende Grand Theft Auto VI abschneiden!
Um zu verstehen, was Assassin’s Creed Valhalla richtig macht, sollte man erst verstehen, wo meiner Meinung nach die größte Schwäche von Red Dead Redemption 2 liegt. Dass diese das Spiel keineswegs zu einer schlechten Erfahrung macht, sollte jedem klar sein – auch ich finde, dass RDR 2 ein grandioses Erlebnis ist und insbesondere in der Ausgestaltung seiner offenen Welt auch heute noch nahezu konkurrenzlos ist. Der Detailgrad der Umgebungen und der Aufwand, mit welchem diese zum Leben erweckt wird, ist selbst fast fünf Jahre nach der Veröffentlichung noch unerreicht. Deshalb ist es umso erstaunlicher, dass ein krasser Gegensatz dazu existiert, der so gar nicht modern und zeitgemäß ist und damit gar nicht in das Spiel passen will.
Zugegeben, aufmerksame Leser haben sicherlich mitbekommen, dass schon der Titel meines oben verlinkten Beitrags zu Red Dead Redemption 2 die Thematik spoilert: Den harten Bruch zwischen offener Welt und eingeschränkten Missionen. Denn während die Spielwelt von RDR 2 schier unendlich Möglichkeiten bietet und auf viele Aktionen des Spielers dynamisch reagiert, sind die Missionen das komplette Gegenteil davon. Startet man diese, bewegt man sich fortan eher wie auf Schienen genau auf dem Weg, den die Entwickler vorgesehen haben. Eigeninitiative oder Experimentierfreudigkeit? Fehlanzeige! Zuweilen muss man einem vorgegebenen Pfad sehr genau folgen, damit die Mission nicht scheitert, obwohl man die Sache selbst ganz anders geregelt hätte. Diese Beschneidung der Freiheit fällt umso mehr auf, weil die Welt abseits der Aufträge eben genau diesen Freiraum bietet.
Und genau an dieser Stelle kommen wir nun zu Assassin’s Creed Valhalla. Denn auch der Wikinger-Ableger der langen Spieleserie bietet eine umfangreiche Open World, die zum Erkunden einlädt und die gespickt ist mit etlichen kleinen und großen Rätseln, Sammelsachen und Aufgaben. Man kann an dieser Stelle natürlich darüber streiten, welches Spiel die bessere Welt bietet – darum geht es mir an dieser Stelle auch gar nicht. Vielmehr sind es die Missionen und die Art und Weise, wie diese in den Rest vom Spiel eingebunden sind. Denn anders als in Red Dead Redemption 2 fühlt sich die Integration der Missionen ins eigentliche Spieldesign und das Konzept eines Open-World-Abenteuers in Valhalla deutlich natürlicher an. Wo in einem die Freiheit beschnitten wird, wird sie im anderen jederzeit hochgehalten.
Startet man in Assassin’s Creed Valhalla eine Mission, fallen die Vorteile der offenen Welt nicht urplötzlich weg. Sowohl die Bewegungsfreiheit als auch die persönliche Wahl der Herangehensweise bleiben erhalten. Wenn man also nach dem einleitenden Dialog mit einer Figur zu einem wichtigen Schauplatz reisen soll, ist einem zumeist völlig freigestellt, wie diese Reise aussehen soll. Umwege zu Fuß oder Pferd sind also ohne Probleme möglich. Am Ort des Geschehens angekommen wartet der NPC dann auch auf den Spieler, den die Mission nicht etwa aus der Welt gerissen hat. Vielmehr hat man nahezu jederzeit die Möglichkeit, einfach wegzulaufen und anderen Tätigkeiten nachzugehen. Der Begleiter wartet dann einfach an Ort und Stelle und man kann später zum aktuellen Fortschritt zurückkehren.
Im Gegensatz zu Red Dead Redemption 2 sind die Missionen also keine völlig vom grundsätzlichen Gameplay-Loop losgelösten Ereignisse, die den Spieler auf eingeengten Bahnen unterhalten wollen. Vielmehr bestehen sie aus einzelnen Segmenten und Aufgaben, die man sicherlich direkt nacheinander abschließen kann, die aber auch die Möglichkeit bieten, unterbrochen zu werden. Die völlige Integration vieler Missionen in die Spielwelt führt dann dazu, dass die Umgebung deutlich glaubwürdiger wirkt und insbesondere die Figuren eine deutlich stärkere Verbindung zu dieser haben. Denn ihre Tätigkeit spielt sich nicht in instanzierten Bereichen ab – sie ist Teil der Welt und mitten in ihr platziert, statt diese nur als Hintergrundkulisse eines ansonsten linearen Erzählmoments zu nutzen, wie es Rockstars Western-Abenteuer tut.
Das Erhalten der Freiheit in Assassin’s Creed Valhallas Design hat natürlich auch seinen Preis. Denn dadurch sind die Missionen weit weniger cineastisch und durchchoreographiert. Wo sich Red Dead Redemption 2 oft wie ein Film anfühlt und mit imposanten aber dafür sehr klar vorgegebenen Momenten glänzen kann, ermöglicht Valhalla zwar spielerischen Freiraum, kann aber dadurch in Sachen Erzählweise nicht so filigran arbeiten. Wenn man vorher weiß, wie ein Moment bis ins kleinste Detail ausgehen soll, kann man natürlich wunderbar mit Kamera, Musik und Dialog darauf hinarbeiten. Wenn spielerische Freiheit im Vordergrund steht, kann der Spieler zwar entscheiden, ob er in einer Situation lieber ungesehen den Schlüssel stielt oder einfach alle Wachen totprügelt – beides fühlt sich aber nicht so eindrucksvoll und stattdessen mehr wie die Aktivität an, die man ohnehin schon in der Open World an jeder Ecke absolviert. Was unterhaltsamer ist, lässt sich nur sehr subjektiv bewerten.
Assassin’s Creed Valhalla & sein Missions-Design:
Ich bin großer Freund der Offenheit, die Valhalla ermöglicht. Es ist aber schlussendlich völlig von den eigenen Vorstellungen und Interessen abhängig, welche Design-Philosophie man nun für die bessere hält. Unser Konsolen-Redakteur RememberReach fasste die ganze Thematik ungefähr so zusammen: „Red Dead Redemption 2 ist eine kinoreife Erfahrung, der ich auch aufgrund der tollen Geschichte gerne folge. Valhalla hingegen ermüdet mich mit den immergleichen Tätigkeiten.“ An diesem Fazit zu beiden Spielen ist sicherlich etwas dran – Assassin’s Creed Valhalla zahlt als Preis für seine spielerische Freiheit innerhalb der Missionen den Hang zur Monotonie.
Denn als Wikinger kann ich zwar in einer Situation, in der ich zum behutsamen Vorgehen angeregt werde, wahlweise brüllend und axtschwingend alles und jeden Niedermetzeln oder eben wirklich herumschleichen. Aber oftmals fehlt eben der merkliche Unterschied zum Gameplay abseits der Missionen. Denn feindliche Lager kann ich auch ohne Handlung auseinandernehmen. Die Geschichte des Spiels schwankt damit zuweilen hin zur Belanglosigkeit.
Wenn einem das grundlegende Gameplay von Assassin’s Creed zusagt und man kein Problem damit hat, ein viel zu umfangreiches Spiel vor sich zu haben, kann ich Valhalla jedem empfehlen. Als Open-World-Abenteuer macht es einfach sehr viel richtig, auch abseits des meiner Meinung nach sehr gelungenen Missions-Designs.
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