Rollenspiel mit Freunden auf dem Esstisch – das ist nicht etwa der Titel eines deutschen Trash-Filmchens für Erwachsene, sondern ein Hobby, das sich immer größerer Beliebtheit erfreut. Was vor einigen Jahren und Jahrzehnten lediglich in absoluten Nerdkreisen begann, ist inzwischen nicht zuletzt auch durch Präsenz in anderen Medien deutlich weiter in die Mitte der Gesellschaft gerückt. Pen-and-Paper-Rollenspiele wie Dungeons & Dragons, Das Schwarze Auge, Pathfinder oder das von uns geliebte Mausritter sind für viele zu einem festen Hobby geworden. Ein Hobby, in welchem man seiner Kreativität freien Lauf lassen kann und wirklich ALLES umsetzbar ist, was einem so in den Sinn kommt. Doch der Start mit Spielleiter, Würfeln und Regelwerken erscheint vielen als Hürde. Hier erfährst du nun, wie unserer kompletten Neulingsgruppe der Einstieg ins PnP-Universum gelungen ist und welche Tipps ich zukünftigen Dungeon Mastern an die Hand geben kann.
Wie in unserem Beitrag zum letzten Jahreswechsel bereits erwähnt, war eine meiner besten Spieleerlebnisse 2022 nicht etwa digital. Stattdessen haben wir uns endlich mit einem Pen-and-Paper-System angefreundet, welches perfekt für Anfänger wie uns gestaltet ist: Mausritter!
Da mir andere Referenzen aktuell noch fehlen und ich mir DnD bisher nur als Regelwerk zum Gestalten eines kurzen, noch ungespielten Abenteuers genutzt habe, beziehe ich mich im folgenden Beitrag nahezu ausschließlich auf das Setting der tapferen Nager. Die Hinweise, die dir hier vermittelt werden, sind aber so allgemein gehalten, dass sie auch auf den Einstieg in eine andere der vielzähligen PnP-Regelwerke und deren Welten übertragbar sind.
1. Die Regeln: Essentiell für den Spielfluss, aber nicht in Stein gemeißelt
Egal ob Monopoly, Schach oder Mensch, Ärgere Dich Nicht – wie auch in der digitalen Welt, folgen klassische Spiele bestimmten Regeln. Selbstverständlich sollten alle Teilnehmer auch wissen, wie das etwaige Spiel funktioniert, denn zwischendurch alles erklären zu müssen, kostet nicht nur Zeit, sondern nervt die anderen immens.
Bei Pen and Paper ist die Sache ähnlich, obgleich es einen ganz entscheidenden Unterschied gibt: Ein Spieler, der Spielleiter (Dungeon Master), sollte viel tiefer in der Materie stecken, als es die Mitspieler tun. Denn er ist es, der das Abenteuer führt und den Spielern Situationen erklärt, Aufgaben beschreibt und epische Kämpfe auf die Mechaniken des jeweiligen Regelwerkes herunterbricht. Wenn du dich also für die Rolle des Spielleiters entscheidest, hast du gewiss die schwierigste Aufgabe der Runde. An dir hängt es dann schließlich auch, wie unterhaltsam das Ganze wird – aber bloß keinen Leistungsdruck!
Selbstverständlich war auch ich sehr aufgeregt, als ich mehr oder weniger gezwungenermaßen als erstes den allwissenden Spielleiter mimen durfte. Hier kam mir das schlanke Regelwerk von Mausritter auf jeden Fall zugute, denn allzu viele Dinge muss man sich nicht merken. Man sollte verinnerlichen, wie das Auswürfeln von Proben funktioniert und was im Kampf grob zu tun ist. Die Erstellung von Charakteren erklären zu können, ist auch von Vorteil, denn hierbei lernen Spieler direkt viele der Grundlagen, die sie später anwenden können.
Die wichtigste Regel lautet aber ohnehin: Leite so, dass alle Spaß haben! Das sture Verharren auf geschriebenen Mechaniken hilft nicht, wenn die Erstlingsgruppe nach wenigen Schritten stirbt. Und niemand wird meckern, wenn du Feinde ein wenig schneller zu Boden gehen lässt, als sie das laut ihren Statistiken eigentlich hätten tun sollen. Zu einfach sollst du es deinen Spielern natürlich nicht machen, aber eine gute Balance an Herausforderung und Belohnung motiviert schlussendlich zum Weiterspielen. Selbst, wenn die Regeln dabei hin und wieder in den Hintergrund rücken. Wichtig ist nur, dass du bei deiner Logik bleibst und die Auslegung von Mechaniken nicht aller Nase lang änderst.
2. Die Vorbereitung: Nichts ist zu wenig, weniger ist trotzdem mehr
Als Spielleiter die Regeln halbwegs drauf zu haben und zu wissen, wo welche Infos zu finden sind, ist ein sehr guter Start. Aber wo ist denn nun das Spiel? Das erste Abenteuer, welches deine Gruppe angeht, kann an dieser Stelle aus verschiedenen Quellen stammen. Je nachdem, wie du dich entscheidest, hast du mal mehr, mal weniger zu tun. Ein richtig oder falsch gibt es nicht, ich möchte am Ende nur eine kleine Empfehlung geben, wie ich es gemacht habe und warum ich auch im Nachhinein der Meinung bin, dass dies der richtige Weg für alle war.
Wenn dein Regelwerk bereits ein Abenteuer mitliefert, kannst du dieses natürlich verwenden oder dich zumindest daran orientieren. Dann sind erste Schauplätze bereits ausgestaltet und diverse Figuren und Gegebenheiten können übernommen werden. Wenn das Einlesen in bereits vorgefertigte Abenteuer nach etwas klingt, das dir zusagt, dann solltest du definitiv hier starten.
Sobald du allerdings merkst, dass du selbst als angehender Leiter, dem alle Infos vorliegen, etwas verwirrt bist oder von den Inhalten des ersten Abenteuers ein wenig überwältigt bist, rate ich dir zum Umdenken. Denn ein Abenteuer in Angriff zu nehmen, welches du selbst nicht gänzlich verstanden hast, kann selbsterklärend zu Problemen führen. Besonders dann, wenn auch die Spieler merken, dass dir der Durchblick fehlt.
Wie habe ich die Sache gelöst? Ich habe mir ein eigenes kleines Dungeon ausgedacht, das die Spieler durchqueren musste. Recht linear, relativ klare Strukturen und einfache Rätsel und Kämpfe. Der Vorteil daran? Da ich der Erbauer dieser Welt war, musste ich mich an keine Vorgaben halten. So konnte ich simple Charaktere einführen, ihre Eigenschaften, Aussehen und ihr Verhalten selbst bestimmen und auch die Komplexität der Spielelemente regeln. Der eigenen Kreativität sind an dieser Stelle natürlich keine Grenzen gesetzt!
3. Das erste Abenteuer: Schön einfach und einfach schön – gestalte etwas, das du selbst verstehst
Dieser Abschnitt richtet sich in erster Linie an diejenigen, die so wie ich gleich zu Beginn ihre eigenen Abenteuer gestalten möchten. Aber auch, wenn man ein vorgefertigtes verwendet, sollten diese Hinweise beachtet werden. Denn wenn alle Gruppenmitglieder noch keine oder nur wenig Erfahrung mit dem Spiel haben, ist es sehr wichtig, kein zu komplexes Abenteuer zu beginnen und niemanden zu überfordern. Denn dadurch entsteht Frust und Frust ist bekanntlich nicht wirklich förderlich für den Spaß.
Wenn du also denkst, dass dein Abenteuer zu simpel ist, bedenke, dass du es aus der Perspektive desjenigen betrachtest, der alle Informationen bereits hat und das gesamte Bild vor sich sieht. Die Spielerseite weiß zu Beginn gar nichts – und statt Hilflosigkeit solltest du lieber ihre Neugier wecken.
Selbst wenn ein bereits vorhandenes Abenteuer genutzt wird, schau dir an, ob du nicht etwa einige Figuren, Schauplätze oder Aufgaben vereinfachen kannst. Wenn du beim ersten Einlesen merkst, dass etwas dir nicht ganz begreifbar ist, solltest du an dieser Stelle etwas vereinfachen. Verzichte anfangs vielleicht auf zu ausschweifende Hintergrundinfos zur Welt und deinen Figuren und beschränke dich stattdessen auf einfache Gegebenheiten. Das alles du später ja immer noch aufgreifen!
Für den Spielfluss ist es immens wichtig, dass dein Abenteuer klare Strukturen hat und den Spielern logisch erscheint, was sie zu tun haben, was das Endziel ist und wie sie es erreichen können. Wie bereits erwähnt, habe ich daher ein lineares Dungeon gestaltet, in dem es bis auf einige Ausnahmen nur einen Weg gab. Jeder Raum führte die Gruppe dabei an neue Konzepte des Spiels heran und erklärte so im wahrsten Sinne des Wortes spielerisch die verschiedenen Aspekte.
Anstatt die Spieler schon bei der Charaktererstellung mit Details zu überfluten und ihnen etwa dutzende Items mitzugeben, kann es zudem hilfreich sein, vieles davon direkt ins Spiel zu verlagern. Meine Gruppe konnte sich ihre Ausrüstung beispielsweise interaktiv bei einer Händlerin aussuchen, wodurch das Ganze direkt in die Einleitung des Spiels integriert wurde.
4. Die Visualisierung: Sorge für klare Vorstellungen, verrate nicht zu viel
Dass du und deine Gruppe kein zu komplexes Abenteuer in Angriff nehmen sollten, weißt du ja bereits. Kommen wir nun dazu, wie du den Vewirrungs-Faktor zusätzlich reduzieren und für klare Gegebenheiten sorgen kannst. Denn du und deine Gruppe sollten jederzeit wissen, wo sie sich befinden und wie die nähere Umgebung geschaffen ist.
Wie bei der Gestaltung der Geschichte, Kreaturen und Aufgaben deines Abenteuers ist es auch bei der Ausarbeitung der Karte wichtig, von Komplexität abzusehen und sich stattdessen auf Verständlichkeit zu fokussieren.
Ein Dungeon mit zehn Räumen klingt zwar nicht nach viel, kann aber durchaus mehr als drei Stunden Spielzeit in Anspruch nehmen! Zudem solltest du jederzeit im Hinterkopf behalten, dass du deine Orte auch gut beschreiben können musst. Schaffe also einfache Strukturen und erkläre diese mit vielen spannenden Details. Das ist weitaus unterhaltsamer, als unendlich komplizierte Raumaufteilungen und verschachtelte Gänge zu haben.
Mein erster Versuch bei der Erstellung eines Dungeons beinhaltete beispielsweise eine Art Labyrinth. Auf dem Papier sah das Ganze super aus, die vielen Abzweigungen und Winkel sollten doch für leichte Verwirrung sorgen. Doch in der Praxis fiel mir schnell auf, dass man das Design gar nicht richtig beschreiben kann. „Ihr geht nach links, rechts, wieder links, einen Gang runter und dann rechts, bis ihr vor einer Abzweigung mit einer Tür und einer Treppe steht“ sieht zwar auf deiner Zeichnung gut aus, dem Spielzweck ist es aber genauso dienlich, wenn du schlicht und einfach verlautbarst: „Am Ende des Ganges findet ihr links eine Treppe und rechts eine große Holztür“.
Statt die Orte also unnötig kompliziert zu gestalten, solltest du lieber eine gute Atmosphäre mit einfachen Räumen schaffen, die wenige aber dafür umso coolere Dinge beinhalten. Klasse statt Masse ist definitiv ein Mantra, dass du dir immer wieder vorhalten solltest! Beschreibe zum Beispiel die Küche einer Hexe nicht nur visuell – Vier Wände, ein Fenster und eine Tür haut noch niemanden vom Hocker. Aber ein laut blubbernder Kochtopf mit schleimig-grüner Suppe auf einem heruntergebrannten Feuer kann deine Spieler auf tolle Ideen bringen. Ist die Hexe schon lange weg? Warum zerkocht sie grüne Frösche zu einem Brei? Und wie schmeckt das Zeug eigentlich?!
Wenn du deinen Spielern eine Karte vorlegen möchtest, kannst du Online-Tools zur Ausarbeitung verwenden oder deine Zeichenskills an den Tag legen. Entscheidend ist selbstverständlich auch hier, dass deine Karte nicht zu schwer zu lesen ist und jeder von allen Seiten des Tischs alle wichtigen Dinge sofort erkennt. Ob du deine Karte vollständig zeichnest, sie eine ältere Version der Burg abbildet oder ob sie erst später in der Bibliothek des Herrenhauses an der Wand zu finden ist, ist natürlich abermals dir überlassen.
5. Die Improvisation: Alles, was schiefgehen kann, wird schiefgehen – passe dich der Situation an
Vorbereitung ist gut, aber du solltest auch damit rechnen, dass Dinge passieren, die du so eigentlich nicht vorgesehen hast. Denn das macht nicht nur viel vom Reiz von Pen and Paper aus, es gibt deiner Gruppe auch das Gefühl, wirklich ein Teil der von euch kreierten Welt zu sein und auf diese einen Einfluss zu haben!
Natürlich kannst du bei Charakteren, die du als Spielleiter verkörperst, einige Charakterzüge festlegen und auch notieren, was die Figur weiß, sagt und was sie möchte. Ganze Dialogsätze, wie du sie aus Videospielen kennst, auszuformulieren, bringt aber nicht sonderlich viel und schränkt dich in deiner Kreativität beim Spielen zuweilen sogar ein, weil du zu sehr am Blatt hängst. Sorge vielmehr für Dynamik und du wirst merken, dass das deine Spieler auch deutlich mehr anspricht.
Hilfreich sind vor allem Figuren, die einen klaren, auffälligen Charakterzug haben. Eine hyperaktive Händlerin oder eine gaaanz langsam sprechende Schildkröte etwa geben dir einen Ankerpunkt, ohne jedes einzelne Wort im Voraus wissen zu müssen. Wenn deine Spieler merken, dass sie echte Dialoge führen können und nach allem möglichen fragen können, ist die Immersion umso größer.
Du solltest zudem vermeiden, bei Unklarheiten andauernd im Regelwerk nachzuschlagen. Wartezeiten und Durststrecken reißen aus der Atmosphäre heraus – überlege dir lieber eine faire, spontane Lösung für die Situation! Denn am Ende gilt sowieso: Das letzte Wort hat der Spielleiter. Der Fokus auf Spontanität gilt natürlich auch bei deinen Rätseln, Herausforderungen und eigentlich allem, was du deinen Spielern vorsetzt. Ist zum Beispiel vorgesehen, dass deine Spieler mit einem Balken über einen Fluss paddeln, sie kommen aber auf die Idee, lange Äste für waghalsige Stabsprung-Manöver zu nutzen? Lass sie doch und belohne gegebenenfalls ihren Einfallsreichtum! Wird zuvor gefundenes Gift genutzt, um einen eigentlich sehr starken Gegner am Ende schnell und unkompliziert auszuschalten? Sehr gut, deine Spieler haben sich in deiner Welt zurechtgefunden und lösen Probleme auf schlaue Art und Weise!
Selbstverständlich solltest du einen groben Plan haben, was den Spieleabend betrifft. Aber spätestens, wenn ein Spieler ausprobieren möchte, ob die gegnerische Festung aus Holz eigentlich brennbar ist, entwickelt sich das schwierige Dungeon voller Gegner sowieso im Handumdrehen zu einer Flucht vor den Flammen. Reagiere auf unvorhergesehene Ideen nicht mit Ablehnung, sondern setze diese so ein, dass nicht nur du als Spielleiter die Welt gestaltest, sondern es gemeinsam mit deiner gesamten Gruppe machst!
Die erste Runde Pen and Paper – so wird sie zum Erfolg!
In diesem Beitrag habe ich die Punkte gebündelt, die mir als Neulings-Spielleiter den Anfang erleichtert hätten. Natürlich gibt es da draußen wunderbare Guides und hilfreiche Videos, die beim Einstieg helfen. Und eingespielten Profis werden sicherlich einige Dinge auffallen oder gar missfallen. Wie die Regeln eines Pen and Paper, sind auch meine Tipps nicht in Stein gemeißelt.
Vielmehr sollen sie einen Ankerpunkt geben und dir eine kurze und prägnante Liste an Gedankenstützen bieten, die dir bei der Ausarbeitung und Vorbereitung deines allerersten Abenteuers hilft. Schnell wirst du merken, was für dich der beste Workflow ist und welche Aspekte du selbst ändern möchtest.
Wichtig ist am Ende vor allem, dass alle Teilnehmer Spaß haben und die erste Runde Pen and Paper nicht die letzte ist. Aber ich bin sehr guter Dinge, dass das gelingen wird – wir haben es schließlich auch geschafft!