Der Nebel des Krieges & welche Eigenheiten Age of Wonders 4 besonders machen

Age of Wonders 4 Banner

Obwohl ich den Xbox Game Pass schon seit längerer Zeit und in mehreren Artikeln lobe, muss ich eines gestehen: Seitdem ich mit dem Abonnement regelmäßig mit neuen großen und kleinen Spielen versorgt werde, ist meine Kaufquote ziemlich deutlich gesunken. Natürlich ist auch die weniger vorhandene Zeit für Videospiele im allgemeinen ein Faktor dafür, doch ich ertappe mich schon häufiger dabei, dass ich ein Spiel erstmal nicht kaufe, weil es doch noch so viel im Game Pass zu tun gibt, den „ich ja eh habe.“ Und obwohl ich mich sehr freute, dass es mit Age of Wonders 4 endlich mal wieder erstklassige Rundenstrategie gibt, habe ich von einem Kauf zum Release abgesehen. Doch wenn einem die drachenliebende Freundin das kürzlich erschienene Dragon-Dawn-DLC schenkt, ist man ja fast schon gezwungen, sich mit dem Spiel zu beschäftigen – und ich bin abermals sehr froh, dies ausgiebig getan zu haben.

Die ersten Schritte im Strategiespiel-Bereich machte ich im Echtzeitstrategie-Segment. Age of Empires und Empire Earth waren dabei lange Zeit meine Favoriten, bevor es dann später mit meinem geweckten Interesse für Der Herr der Ringe auch die Welt der Elben, Zwerge und Orks ging und ich unzählige Kämpfe in den beiden fantastischen Teilen von Die Schlacht um Mittelerde führte. Die Rundenstrategie lernte ich mit einem Retro-Ausflug zu Heroes of Might & Magic IV kennen. Auch Teil 5 und 6 spielte ich gerne, nebenher machten auch diverse Partien Civilization die Nacht zum Tag.

Das „nur noch eine Runde“-Gefühl ist schon etwas ganz besonderes. Und obwohl das Genre als Ganzes in den letzten Jahren etwas in den Hintergrund gerückt ist, war ich sehr erfreut, dass mit Age of Wonders 4 nun erneut frischer Wind in die Welt der Rundenstrategie weht.

Meine Erfahrung mit Age of Wonders beschränkt sich auf einige Runden im dritten Teil. Schon damals fand ich den Mix aus Heroes of Might & Magic und Civilization sehr interessant. Das Spiel kombinierte sinnvoll die Vorzüge beider Reihen, ohne dabei überladen zu wirken. Das Fantasy-Setting mit dutzenden Rassen, Zauberwesen und Magie fügte sich stimmig mit einem Civilization ähnelnden Reichsaufbau zusammen. Im Gegensatz zu Heroes of Might & Magic konnten Städte eigenständig auf der Karte gegründet werden und auch die Ausweitung des eigenen Landes und das damit verbundene Einschließen von wichtigen Ressourcen-Knoten war ein spannender Teil des Spielflusses. Leider war die Kampagne in einer der ersten Missionen bereits sehr schwer, sodass ich das Spiel nach kurzer Zeit wieder ad acta legte und mich anderen Dingen zuwendete.

Aus heiterem Himmel wurde dann Age of Wonders 4 angekündigt, welches zur Veröffentlichung auch noch sehr gute Review-Scores bekam. Woran das lag? Nun, einfach gesagt daran, dass es sich direkt zum Release um ein komplettiert wirkendes Spiel handelte. In einer Zeit, in welcher viele Titel erst durch Updates, DLC und Erweiterung ihr volles Potential entfalten und zur Veröffentlichung oftmals nur eine leere Hülle sind, ist dies leider mehr Ausnahme als Regel. Dass einige Spieler dennoch misstrauisch auf Age of Wonders 4 schauten, lag unter anderem auch am kompletten Wegfall der Story-Kampagne. Zwar gibt es auch einige vorgefertigte Karten mit speziellen Regeln und Modifikatoren, der Fokus des Spiels liegt allerdings voll und ganz auf dem Spielen der zufällig generierten Welten – ähnlich, wie es auch im bereits mehrfach erwähnten Civilization der Fall ist. Mich persönlich stört das natürlich nicht, ich erinnere mich nur ungern an die unüberwindbare Mission des dritten Teils.

Obgleich der Wegfall einer ausgestalteten Story-Kampagne auf den ersten Blick ein Rückschritt ist, findet Age of Wonders 4 als erstes mir bekanntes Spiel einen Weg, die Matches auf den zufällig generierten Karten geschickt miteinander zu verbinden: Es schafft eine Ebene über den einzelnen Runden, die das ganze Spielkonzept überspannt und somit für ordentlich Atmosphäre sorgt. Denn immer wenn man mit einem Helden und seiner Armee einen der verschiedenen Siege erreicht, kann man sich dazu entscheiden, ins Pantheon aufzusteigen und damit eine Art Meta-Skilltree im Hauptmenü des Spiels zu füttern. Dieser enthält neben kosmetischen Gegenständen für die Figuren auch neue Armee-Icons und schaltet beim Erreichen gewisser Stufen sogar neue Möglichkeiten für die Generierung von Karten frei. Eine geniale Idee, denn so wird aus zusammenhangslosen Skirmish-Matches ein großes Gesamtbild. Ganz nebenbei ist es dann wunderbar anzuschauen, wenn die bereits aufgestiegenen Helden sich im Hintergrund des Hauptmenüs vor dem großen Portal tummeln.

Age of Wonders 4 Stadt

Der Aufstieg ins Pantheon ist nur eine der vielen Besonderheiten, die Age of Wonders 4 zu bieten hat. Eine meiner Meinung nach ziemlich unterschätzte Eigenheit ist die außergewöhnliche Implementierung des Nebel des Krieges und der Sichtbarkeit, die dieser bietet. Wo in Age of Empires und Co. noch komplette Schwärze den Sichtbereich der eigenen Einheiten umsäumte, fiel mir erstmals in Anno 1701 auf, dass eine wolkenähnliche Bedeckung des nicht sichtbaren Bereichs deutlich freundlicher wirkt. Doch alle Spiele haben gemeinsam, dass der „Nebel“ eigentlich gar keiner ist – man sieht nämlich absolut gar nichts hinter der starren Sichtkante. Bei Age of Wonders 4 ist das anders: Hier lassen sich Türme, Gebirgsketten und Wälder schemenhaft in der Ferne erahnen. So lassen sich ab und an Hinweise feststellen, die eigentlich noch im Verborgenen liegen. Vor allem die Wachtürme, die beim Betreten den Sichtradius erhöhen, lassen sich so im Early Game wunderbar ausmachen. Es lohnt sich also, ab und an heranzuzoomen und in die nebelige Ferne zu spähen!

Zugegeben, bei all den Features und Inhalten, die Age of Wonders 4 bietet, kann das Spiel besonders für Genre-Neulinge anfangs ein wenig erschlagend wirken. Heroes-Kenner müssen sich mit der komplexeren Erweiterung ihres Reiches vertraut machen, wohingegen Civ-Veteranen sich erstmals mit magischen Elementen und außerweltlichen Kreaturen, Gebäuden und Fähigkeiten vertraut machen müssen. Wer nun aber glaubt, dass er nach etlichen Stunden ähnlich unwissend dasteht, wie ich es nach 100 Stunden in Europa Universalis IV tat, der irrt sich. Denn Age of Wonders 4 bietet zwar allerhand kleinteilige Mechaniken, keine davon wirkt sich aber erdrückend auf den Spielfluss aus. Stattdessen wird man zu Beginn mit Hilfestellungen versorgt und kann über die überaus nützlichen Tooltipps, die wiederum ihrerseits Tooltipps enthalten, schnell wichtige Informationen herausfinden. Die Zeit, sich hin und wieder kurz auf diesem Wege einzulesen, muss man aber mitbringen.

Hat es dann erst einmal Klick gemacht und man versteht so langsam, worauf es im Spiel ankommt und wie sich das eigens zusammengebastelte Volk am besten spielen lässt, liefert Age of Wonders 4 einen wunderbar kreativen und umfangreichen Rundenstrategie-Sandkasten. Schon bei der Erstellung des eigenen Volkes und dessen Anführers fährt Age of Wonders 4 eine großartige Palette an Möglichkeiten auf. Lust auf bösartige Ratten, die ihre Feinde mit schierer Masse überrennen und dabei keine Gefangenen nehmen? Kein Problem! Oder doch lieber ein ehrwürdiger Zwergenkönig, der sein Reich friedlich unter Tage aufbaut? Auch das ist in wenigen Minuten realisierbar! Und wem dieser Editor noch nicht umfangreich genug ist, der darf sich auf volksveränderte Mechaniken während einer Runde freuen. Wenn die Ratten sich der Dämonologie hingeben, können ihnen etwa Hörner und kleine Flügel wachsen. Schlussendlich ist man dann mit feuerresistenten Dämonenratten unterwegs, die aufgrund der Eroberung eines wichtigen Gebäudes mit Waldriesen in der Armee kämpfen. Age of Wonders 4 erzählt durch seine Kreativität sehr erfrischende Geschichten, die der Spieler durch seine Handlungen maßgeblich mitbestimmt.

Age of Wonders 4 Schlacht

Mein Fazit zu Age of Wonders 4:

Es sind besonders die umfangreichen Anpassungsmöglichkeiten, die Age of Wonders 4 zu einer tollen Sandbox-Erfahrung mit viel Wiederspielwert machen. Das beginnt schon bei der detaillierten Erstellung des eigenen Wunsch-Volkes und dessen Anführers und wird fortgesetzt mit unzähligen Entscheidungen, die sich während des Spiels treffen lassen. Auch der simple aber effiziente Map-Generator, dessen Variablen sich wundervoll miteinander mischen lassen, tut hier sein übriges und garantiert abwechslungsreiche Karten für jede Runde.

Wie für nahezu alle Strategiespiele üblich, zeigt sich schon nach wenigen Spielen, dass die Grundmechaniken und viele der ersten Abläufe sich von Partie zu Partie nicht großartig ändern. Hier lockert Age of Wonders 4 aber durch die Vielzahl an sich Variablen den Spielfluss auf und sorgt für Abwechslung. Auch hilft es, wenn man nicht immer die spielerisch optimale Rasse bastelt sondern zuweilen auch rollenspielerisch an die Sache herangeht.

Der Preis für die uneingeschränkte Kreativität von Age of Wonders 4 ist, dass sich die standardisierten Rassen und Völker nur selten im Spiel finden und stattdessen wilde Mischvarianten anzutreffen sind. Wem das missfällt, der kann sich natürlich im Editor klassische Zwerge, Elfen und Menschen zusammenbasteln. Mir persönlich gefällt der Individualismus, den Age of Wonders 4 in vielen Bereichen seines Gameplays präsentiert, außerordentlich gut und ich bin sehr gespannt, welche Features kommende Erweiterungen und Updates liefern werden. Verbesserungen wünsche ich mir insbesondere bei den noch zu passiven freien Städten und bei der Kommunikation mit KI-Verbündeten. Anpassungen für letzteres wurden bereits bestätigt.

Schon der erste DLC, Dragon Dawn, das wie eingangs erwähnt fest verbunden ist mit meinem Start ins Spiel, überzeugt durch die Einführung von Drachen als neuen Herrschertyp. Die Zeichen stehen also sehr gut, dass Age of Wonders 4 uns noch einige Zeit begleiten wird und mit neuen Inhalten sein sehr solides Grundgerüst weiter ausbaut. Für kreative Rundenstrategie-Liebhaber ist Age of Wonders 4 schon jetzt ein Pflichtkauf!

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