Shadows verzichtet auf den Adler, braucht ihn aber dringender als andere Assassin’s Creeds

Shadows Banner

Man sollte aufpassen, was man sich wünscht. Als Assassin’s Creed Origins erschien, brachte es neben immensen technischen Verbesserungen auch den steuerbaren Adler als neue Funktion mit. Die Umgebung konnte nun per Knopfdruck aus der Luft erkundet, Feinde markiert und Questziele ausgespäht werden. Damals war mir das alles zu viel und ich plädierte für weniger Hilfestellungen – und doch will ich nun über sieben Jahre später eben diesen Adler zurück. Und das nicht etwa, weil er mir so sehr ans Herz gewachsen ist, sondern weil Shadows‘ Weltdesign offensichtliche Probleme aufweist, die durch die fehlende Draufsicht zusätzlich verstärkt werden.

Endlich Japan! Ich erinnere mich noch gut daran, wie man schon nach den ersten Teilen der Assassin’s-Creed-Reihe gehofft hat, dass endlich ein Ableger in Japan spielt. Das Land im fernen Osten zu bereisen und dabei mittelalterliche Kampfkünste zu nutzen, erschien schon damals nach einem tollen Spielplatz für Assassinen. Mit Shadows ist es nun besser spät als nie so weit – und ich habe das Gefühl, dass Ubisoft aus einem bestimmten Grund so lange mit der Umsetzung gewartet hat.

Zugegebenermaßen bin ich kein Experte, was die Geographie von Japan betrifft. Vergleicht man die Spielwelt von Shadows mit der Region auf Google Maps, fällt allerdings eine recht detailgetreue Umsetzung auf. Viele der Orte sind noch immer namentlich auffindbar und auch markante Landschaftsmerkmale lassen sich mit etwas Sucherei ausfindig machen. Nicht nur hier hat das Designteam also gute Arbeit geleistet – auch auf visueller Ebene kann Assassin’s Creed Shadows sehr überzeugend sein.

Dass sich Shadows auf einen kleinen Ausschnitt von Japan beschränkt und nicht etwa wie Valhalla oder Odyssey auf die Darstellung großer Landstriche setzt, sorgt zwar für eine detailliertere Umsetzung, wirft aber auch eine wichtige Frage auf: Ist Japan zu eintönig? Die anfängliche Euphorie, die ein neues Assassin’s Creed beim ersten Erkunden der Spielwelt aufkommen lässt, verflog bei mir sehr schnell. So schön die Vegetation auch sein mag – zu schnell sieht man sich satt an den dicht begrünten Bergen und ziemlich ähnlich aussehenden Ortschaften. Hinderlich kommt hinzu, dass insbesondere die stark bewaldeten Anhöhen sehr schlecht zu erklimmen sind. Und die Suche nach dem „richtigen“ Weg nach oben gestaltet sich – sofern man nicht ständig auf die Karte zurückgreifen möchte – ohne Adlersicht ziemlich schwierig.

Shadows Berge

Wenn in der Dunkelheit eine Schlacht tobt und die feuchte Erde des Ackers durch Fackeln erhellt wird, spielt Shadows seine Stärken aus. Die Engine wurde noch einmal gehörig aufgebohrt und dank Raytracing und phänomenaler Wettereffekte, die Blätter im Wind dynamisch herumwirbeln und Wetterumschwünge sehr realistisch darstellen, sind viele Szenerien einfach wunderschön anzuschauen. Doch es ist nicht alles Gold, was glänzt. Denn so hübsch das alles auch aussehen mag, schnell offenbaren sich erste Risse in der schönen Fassade und die Macken der Spielwelt fallen auf. Problematisch ist vor allem das Höhenprofil der japanischen Region.

In der Folge sieht man beim Erklimmen eines Berges, auf denen oftmals die Adlerpunkte liegen, teils minutenlang nur die schemenhafte Darstellung von Naoe oder Yasuke und unendlich viel Grün. Rutscht man dann hin und wieder an zu steilen Teilen des Hangs nach unten ab, kommt schnell Frust auf. Per Tastendruck in die Vogelperspektive zu wechseln, hätte hier schnell den richtigen Weg offenbaren können. Zumal sich abseits der Straßen und Pfade eh nichts finden lässt – keine Ressourcen, keine Interaktion mit Wildtieren, keine versteckten Truhen oder Lager. Prinzipiell spielt sich alles, was Shadows zu bieten hat, direkt an den Wegen ab. Und sofern man nicht die Navigationsfunktion nutzt, die den kürzesten Weg zum Ziel anzeigt, sondern die Welt einfach so erkunden möchte, ist Querfeldeinlaufen nahezu immer eine schlechte Idee. Richtiges Open-World-Gefühl will so nicht aufkommen.

Ein weiteres positives Element der „Hightech-Adler-Drohne“, wie ich sie liebevoll in unserem Beitrag zu Assassin’s Creed Origins getauft habe, ist, dass man mit ihrer Hilfe Sehenswürdigkeiten und die schöne Landschaft aus einer anderen Perspektive erkunden kann. Weder die Städte noch die Berglandschaften oder den Verlauf eines Flusses kann man so von oben begutachten. Ich muss nicht unbedingt Gegner markieren können, aber eine simple Sicht von oben, um die Spielwelt zu betrachten, wäre super gewesen. Was bleibt, sind lediglich die kurzen Kamerafahrten, wenn man einen der besagten Adlerpunkte erreicht. Dann nämlich dreht sich die Ansicht in gewohnter Manier einmal im Kreis und man bekommt tolle Panoramen im Umkreis zu sehen. Etwas zynisch ist es fast schon, dass auf diesen Aussichtspunkten trotzdem der gewohnte Adler hausiert – nur wurde er wohl in Japan nicht gezähmt.

Shadows Adlerpunkt

Ich hätte gern ’nen Vogel:

In Assassin’s Creed Origins haben mich vor allem die Spionage-Funktionen des Adlers gestört. Es fühlte sich einfach zu mächtig an, von oben unbemerkt über ein gegnerisches Camp zu fliegen und dabei Gegner sogar durch Wände hindurch aufdecken zu können.

In Shadows vermisse ich den Adler besonders deshalb, weil es noch kein Assassin’s Creed gab, dessen Welt durch derart viele massive und vor allem stark bewaldete Berge gesäumt ist. Das Erreichen der Bergspitze quer durch die Natur gestaltet sich mühselig und den richtigen Weg zu finden ist, ohne die Karte zu nutzen, kaum möglich. Auch zum simplen Betrachten der schönen, wenn auch recht repetitiven, Umgebungen hätte die Flugsicht beitragen können.

Ubisoft liefert leider keine sinnvolle Erklärung, warum der Adler gänzlich gestrichen wurde. Gleiches gilt auch für die Fackel, die in vorherigen Teilen beim Betreten dunkler Höhlen automatisch ausgerüstet wurde. Oder die Möglichkeit, Ressourcen von Wildtieren zu erhalten – diese bieten derzeit noch absolut keine Interaktion, spawnen gerne auch mal an den unmöglichsten Orten und rennen lediglich vom Spieler weg. Einigen Aspekten von Assassin’s Creed Shadows fehlt es einfach noch an Tiefgang! Möglicherweise wurden hier Elemente gestrichen, um den Veröffentlichungstermin einzuhalten. Vielleicht liefert Ubisoft nach – nötig wäre es allemal.