Plünderungen, Morde und Vergewaltigungen – alles Dinge, die man mit den Wikingern und ihren erbarmungslosen Raubzügen verbindet. Doch nichts dergleichen steckt in Landnama! Das „gewaltfreie Überlebens-Aufbauspiel mit Rogelite-Elementen“ fokussiert sich stattdessen auf den Überlebenskampf mit der Natur und fordert den Spieler immer wieder mit unvorhergesehenen Bedingungen, an die sich der Clan anpassen muss. Optimale Planung ist dabei von äußerster Wichtigkeit, denn der Winter naht!
Landnama wurde von drei Freunden entwickelt und präsentiert sich dementsprechend nicht als gigantisch komplexes Strategiespiel. Vielmehr wurden wenige spezifische Aspekte durchdacht ausgebaut und in den Vordergrund gestellt, wodurch ein ganz eigener Spielstil entstanden ist und Landnama sich frisch und unverbraucht anfühlt, ohne dabei zu überfordern.
Hinweis: Ein Review-Key (Steam) von Landnama wurde uns zur Verfügung gestellt.
Das Spiel erschien bereits im Sommer vergangenen Jahres für den PC und wird heute, am 1. August 2024, auch für die Konsolen (Switch; Xbox One, S/X) erscheinen.
Mein erster Gedanke, als ich von Landnama erfahren habe: Hey, das hört sich ja an wie Northgard! Und tatsächlich sind die Parallelen offensichtlich. Bei beiden Titeln steht Wikinger-Strategie im Fokus, beide Spiele setzen auf Erkundung und das Bestehen gegen den erbarmungslosen Winter als zentrale Mechaniken. Wo es bei Northgard allerdings auch klassische Echtzeitstrategieelemente gibt – erwähnt seien hier insbesondere Kämpfe und Konflikte mit anderen Spielern auf der Karte – beschränkt sich Landnama völlig auf den friedlichen Teil der Besiedelung einer Insel. Zugleich ist die Präsentation eher an klassische Brettspiele angelegt, Landnama zeigt sich mit seinen Hexfeld-Plättchen mehr als traditionelles Spiel, welches so fast auch in physischer Form auf dem heimischen Wohnzimmertisch stattfinden könnte. Das beim Kombinat sehr beliebte Carcassonne kommt uns hier sofort in den Sinn. Noch besser passt aus spielerischer Sicht der Vergleich mit Dorfromantik.
Worum genau geht es Landnama nun? Ziel des Spiels ist es, das in sechs Gebiete aufgeteilte Island zu besiedeln und es damit den Wikingern gleichzutun, die dies im 9. Jahrhundert n. Chr. vollbracht haben. Zum Erreichen dieses Meilensteins stehen verschiedene Clans mit diversen Boni zur Auswahl. Sobald eine Besiedelung erfolgreich abgeschlossen wurde, kann der eingesetzte Clan nicht noch einmal wiederverwendet werden. Man sollte sich also im Voraus überlegen, für welchen Teil der Insel welcher Clan möglicherweise am besten geeignet ist. Für jede abgeschlossene Besiedlung gibt’s Ruhm-Punkte. Beim Vollenden der Saga, also der kompletten Eroberung Islands, ist ein Spieldurchlauf beendet. Dreimal darf man bei dem ambitionierten Vorhaben versagen, bevor der Versuch fehlschlägt und das Spiel von vorne beginnt.
Beim Start des Spiels fällt sofort der Zeitstrahl am oberen Bildschirmrand ins Auge. Auf diesem sind gewisse Abschnitte mit Herzen markiert, ganz am Ende wartet der Winter auf unseren Clan. Landnama beschränkt sich auf eine Ressource, das sogenannte Herzblut, welche man viermal im Jahr bekommt. Die kalte Jahreszeit fordert immer einen gewissen Tribut an Herzblut, dessen Höhe jedes Jahr steigt. Über Sieg und Niederlage entscheidet also insbesondere gutes Timing – wer zu viele Punkte kurz vor dem Winter ausgibt oder seine Prioritäten beim Einsatz dieser falsch setzt, übersteht den Frost nicht. Gibt man zu wenig Herzblut aus, nutzt man hingegen seine Möglichkeiten nicht voll aus. Da jede Aktion im Spiel Herzblut kostet, ist das Abwägen von Investitionen das zentrale taktische Element. Erkunde ich noch einige Hexfelder, optimiere ich die Platzierung der Gebäude oder muss ich eher sparsam mit den mir zur Verfügung stehenden Ressourcen umgehen? Alles zentrale Fragen, die sich beim Spielen dauerhaft stellen. Wie gut, dass Landnama pausierbar ist – falsche Entscheidungen können einem teuer zu stehen kommen, jede Aktion will gut überlegt sein.
Wie viel Herzblut man bekommt, wie viel man lagern kann und wie viel der Winter kosten wird, kommuniziert Landnama immer klar. Wer seine Produktion steigern will, muss auf den unterschiedlichen Feldern bestimmte Gebäude errichten. Auf einer Wiese lässt sich beispielsweise die Weide bauen. Diese erzeugt ein Herzblut pro Ernte plus jeweils ein Herzblut pro benachbarter unbebauter Wiese. Später lässt sich die Produktion mit einem angrenzendem Spezialgebäude noch weiter steigern. Gleiches gilt auch für Flüsse, Wälder, Moore und Berge – alle haben Herzblut generierende Bauwerke, alle lassen sich mehrfach verstärken und untereinander mit diversen Synergien optimal nutzen. Eine Besiedelung ist erfolgreich, wenn das Hauptgebäude viermal aufgewertet wurde – dies geschieht automatisch, sobald man bestimmte Schwellen an Herzblut erzeugt. Das Austüfteln der bestmöglichen Herzblut-Ausbeute macht sehr viel Laune, wenn man die grundlegenden Mechaniken von Landnama nach kurzer Einarbeitung verstanden hat. Und da die Anordnung der Landschaftsplättchen stets zufällig ist, gleicht kein Spieldurchgang dem nächsten.
Das Abschließen einer Saga ist kein Zuckerschlecken, aber auch nicht unmöglich. Meine ersten beiden Clans verendeten direkt im Winter, danach lief es super und ich konnte meine erste Saga nach anfänglichen Startschwierigkeiten doch noch beenden. Zum Ende hin hätte ich mir sogar gewünscht, dass das Spiel noch etwas knackiger wäre – denn selbst auf dem schwersten Gebiet Islands konnte der von mir angeführte Clan problemlos Fuß fassen. Wer nach einer Challenge sucht, kann sich nach dem Beenden der ersten Saga dann in täglichen oder wöchentlichen Herausforderungen messen. In Letzteren geht es nicht nur darum, die Besiedelung zu schaffen, sondern sie möglichst schnell hinzubekommen. Wir haben es im oben gezeigten Scoreboard immerhin auf den achten Platz geschafft! Die Ruhm-Punkte, die man wie bereits erwähnt für Erfolge bekommt, lassen sich gegen neue Clans oder spezielle Boni ausgeben, mit denen andere Spielstile ausprobiert werden können und Landnama zusätzliche Langzeitmotivation bekommt.
Besonders positiv hervorzuheben ist die visuelle Präsentation des Spiels. Die Hexfelder sind allesamt hübsch gestaltet, bebaute Plättchen warten mit dezenten Animationen auf. Die Lesbarkeit der sich nach und nach ausdehnenden Spielfläche bleibt jederzeit hoch. Auch das Userinterface überzeugt, wichtige Informationen lassen sich blitzschnell ablesen. Hier wurde das Spiel im Verlauf des letzten Jahres, welches es bereits auf dem PC erhältlich war, vorbildlich mit Updates verbessert und erweitert. Das Spiel wirkt technisch abgeschlossen und lenkt den Spieler nicht mit unnötigen visuellen Elementen ab. Das Gameplay wird vom grafischen Design hier auf ganzer Linie perfekt unterstützt. Abgerundet wird das ganze durch angenehm dezente Hintergrundmusik, die das Tüfteln unaufgeregt untermalt.
Mein Fazit zu Landnama:
Landnama ist ein sehr kurzweiliges Strategie-Kleinod mit gelungener Präsentation und simplen aber doch vielschichtigen Gameplay-Elementen. Die Beschränkung auf eine Ressource, mit der man jede Aktion ausführt, die aber gleichzeitig auch vor dem nahenden Winter angesammelt werden muss, sorgt für viele tolle Situationen. Ständig muss man rechnen, anpassen und abwägen; immer gibt es etwas zu tun.
Um nicht den Überblick zu verlieren oder versehentlich zu viel Zeit ungenutzt vergehen zu lassen, empfehle ich an dieser Stelle jedem, im Optionsmenü das automatische Pausieren bei bestimmten Ereignissen zu aktivieren. Dies kann durchaus den einen oder anderen Clan vor dem sicheren Tod bewahren!
Landnama ist ein schönes kleines Aufbau-Puzzlespiel, das so ziemlich alles richtig macht, was es umzusetzen versucht. Ich konnte mich jedenfalls nicht vom Spiel loslösen und wollte unbedingt den nächsten Besiedelungsversuch noch starten. Und obwohl die Runden angenehm kurz sind und sich auch eine Saga an einem Abend entspannt beenden lässt, war ich dann doch sehr erstaunt, als ich nach dem Spielen auf die Uhr schaute!