Vor gut einem Jahr erblickte Northgard auf Steam das Licht der Welt. Normalerweise stellen sich mir schon beim Gedanken an Early Access die Nackenhaare auf, aber glücklicherweise konnte mich das Wikinger-Siedler von sich überzeugen. Am 7. März 2018 wurde das Spiel nun final veröffentlicht und hat im Rahmen der einjährigen Beta allerhand neue Features spendiert bekommen. Rechtfertigen diese zusätzlichen Inhalte das Jahr im Early Access und wie gut ist Northgard letztendlich geworden? Schärft eure Äxte und kämmt eure Bärte, wir erobern den Norden!
In unserem Ersteindruck bestach Northgard besonders durch seine schon damals außerordentliche Fehlerfreiheit. Bugs und Glitches gab es nirgends und glücklicherweise hat sich das bis heute auch nicht geändert – trotz neuer Spielmöglichkeiten und deutlich mehr Inhalt. Wo zu Beginn der Beta nur Gefechte gegen die KI auf zufällig generierten Karten möglich waren, gibt es nun auch noch eine recht umfangreiche Einzelspieler-Kampagne sowie einen Mehrspieler-Modus.
Hinweis: Ein Review-Key von Northgard wurde uns zur Verfügung gestellt. Unseren ersten Artikel zum Spiel findest du hier.
Am grundlegenden Spielprinzip hat sich nichts geändert. Noch immer gilt es, den eigenen Stamm auszubauen und besonders die Rohstoffe Nahrung und Holz im Auge zu behalten. Denn wenn in Northgard der Winter hereinbricht, ist der Brennholz-Bedarf immens hoch und unsere Siedler finden weniger Essbares, weshalb vorausschauendes Planen überlebenswichtig ist. Wer im Spätherbst alle Ressourcen verschwendet, kommt im Winter unfreiwillig ins Schwitzen und muss zusehen, dass wenigstens ein paar der Clanmitglieder überleben. Und selbst, wenn man mit dem Schnee gut klar kommen sollte und sich einen stabilen Vorrat angehäuft hat – Gefahren gibt es trotzdem noch genug.
Denn neben der wirtschaftlichen Entwicklung sollte man niemals sein Militär vernachlässigen. Um neues Land erschließen zu können, muss man dieses nämlich erst einmal von feindseligen Kreaturen befreien. Hier schöpft Northgard voll aus der nordischen Mythologie und wirft uns neben stinknormalen Wölfen und Bären auch Draugr, Walküren, Jötnar und dergleichen entgegen. Echte Wikinger fackeln da natürlich nicht lange und zücken ihre todbringenden Waffen. Ist ein Kartensektor befreit und erworben, können dort fortan Gebäude errichtet und Ressourcen abgebaut werden. Rapide Expansion kann allerdings auch zu Problemen führen, da für das besiedeln neuer Bereiche auch immer Ressourcen benötigt werden. Wer nicht aufpasst und zur falschen Zeit sein Gebiet erweitert, kann damit seinem Clan ziemlich übel schaden.
Gänzlich auf die Ausdehnung seines Einflussbereiches zu verzichten, kann allerdings ebenso fatal enden. Denn wertvolle Steine und Erze, die für den Ausbau der eigenen Gebäude und die Verbesserung von Werkzeugen und Waffen dringend benötigt werden, finden sich nie im Startsektor. Außerdem werden die Nahrungsvorräte schnell zur Neige gehen, wenn man sich einzig und allein aufs Beerensammeln beschränkt. Vielmehr gilt es, Sektoren zu finden, in denen es Fische gibt oder Wild gejagt werden kann. Auch auf die Zufriedenheit unserer Nordmänner (und seit Version 0.1.4677 auch -frauen) wird durch neu besiedeltes Land erhöht – wir sind schließlich zum Erobern hier!
Die richtige Balance zwischen Expansion, Wirtschaftswachstum und Militärstärke zu finden, macht einen Großteil des Reizes von Northgard aus. Denn obwohl jede Runde grundlegend gleich beginnt, muss man sich stets auf die hübschen zufällig generierten Welten einstellen und die optimale Planung für alle drei Bereiche jedes Mal von neuem angehen. Auch in der Einzelspieler-Kampagne, in der man auf einer Karte Northgards die Missionen auswählt, ändert am grundlegenden Spiel erst einmal nichts. Besondere Ereignisse und vorgefertigte Karten sorgen allerdings dafür, dass man sich noch stärker auf ein bestimmtes Ziel einstellen muss. Einfach sind die elf Kapitel nämlich nicht, und man muss schon sehr bedacht spielen, um alle bewältigen zu können. Zwischen den einzelnen Missionen – die unlogischerweise alle auf einer eigenen Insel spielen, obwohl Northgard laut Karte ein zusammenhängendes Massiv ist – führt ein sehr passend gewählter Erzähler mit stimmig gezeichneten Motiven die für ein Strategiespiel gar nicht schlechte Handlung voran, die zum weiterspielen motiviert. Insgesamt ist der Einzelspieler-Feldzug eine recht gelungene Erfahrung, auch wenn nach wie vor die Duelle auf den zufälligen Maps das Herzstück von Northgard sind.
Eine der wohl am heißesten erwarteten Neuerungen war der Mehrspieler-Modus. Dieser war schon in der Beta ein Heidenspaß und ist besonders mit einem oder mehreren Freunden sehr empfehlenswert. Dadurch, dass es in Northgard mehr als eine Siegbedingung gibt und nicht zwingend der gegnerische Stamm niedergebrannt werden muss, bietet das Spiel viel Entscheidungsfreiheit und lässt es den Teams offen, welchen Sieg sie angehen möchten. Ob im 1 gegen 1, Deathmatch oder Team-Modus – Northgard läuft im Mehrspieler schon seit Monaten fehlerfrei und bringt eine Menge unterhaltsamer Stunden mit sich. Fans von Aufbaustrategie, die immer schon etwas mehr Kämpfe in ihrem Die Siedler sehen wollten, sind hier auf jeden Fall an der richtigen Stelle. Northgard bietet zwar bei weitem nicht die Komplexität eines Annos 1404 – Produktionsketten gibt es nicht – und kann auch bei den Kämpfen nicht die Intensität eines StarCraft erreichen, allerdings meistert es die Mischung der beiden Elemente und fügt sie in einem unverbrauchten Setting sehr gelungen zusammen. Die Vorteile der verschiedenen Clans sinnvoll einzusetzen und sich mit seinem Team auf eine bestimmte Taktik abzustimmen, wird auch nach vielen Stunden nicht langweilig.
In Sachen Technik gibt es bei Northgard eigentlich nichts zu beanstanden. Das Spiel ist stimmig präsentiert und dank der schlichten Benutzeroberfläche verliert man quasi nie den Überblick. Die GameStar wertet zwar an dieser Stelle ab, weil man bei schlechtem Wetter schlechtere Sicht hat, aber wir finden, dass das bei schlechtem Wetter gefälligst auch so sein sollte. Besonders der Wechsel zwischen Sommer und Winter ist sehr ansehnlich und bringt eine zusätzliche wichtige Gameplay-Mechanik mit sich. Auch bei Musik und Nebengeräuschen ist alles so, wie es sein sollte. Vom wunderbaren Kampagnen-Erzähler über den eingängigen Soundtrack bis hin zu eisigen Schneestürmen klingt alles in Northgard passend und wie aus einem Guss.
Mein Fazit zu Northgard:
Aus einem runden Spiel in der Beta vor einem Jahr ist nach und nach ein noch runderes Spiel geworden. Northgard steuert sich intuitiv, bietet allerhand Herausforderungen ohne dabei zu komplex zu werden, und sieht dabei noch ziemlich schick aus. Die Wikinger auf ihrem Eroberungszug durch das sagenumwobene Land zu führen und sich im Einzel- oder Mehrspieler-Modus mit anderen Clans zu messen, ist eine gelungene Abwechslung zur derzeitigen Strategiespiel-Flaute. Northgard braucht sich als Indie-Spiel keinesfalls vor Genregrößen wie Die Siedler oder Anno zu verstecken und lässt die Wikinger ruhmreich in die oberen Ränge der Aufbaustrategie einziehen.
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