Wenn ich an Brettspiele denke, kommt mir auf Anhieb neben Monopoly, Mensch ärgere Dich nicht oder Mühle nicht sonderlich viel in den Sinn. Im Normalfall bewege ich mich eben eher im digitalen Gaming-Bereich. So ist es auch kein Wunder, dass ich auch von Carcassonne bis vor ein paar Monaten noch nie etwas gehört habe – und dass obwohl das Spiel bereits 2001 eine Auszeichnung als bestes Brettspiel des Jahres ergattern konnte und millionenfach verkauft wurde. So ist es nicht verwunderlich, dass das Spiel auch auf dem PC in virtueller Form fantastisch funktioniert und besonders mit Freunden aus gleich mehreren Gründen gut unterhalten kann.
Ehrlich gesagt bin ich im Februar nur auf Carcassonne gestoßen, weil es im Epic Game Store gratis zum Download zur Verfügung stand. Bereits nach erstem Anspielen teilten wir bei Twitter mit, dass man sich die Brettspiel-Adaption nicht entgehen lassen sollte. Nach ausführlichem Testen auf verschiedenen Plattformen lässt sich nun sagen, dass das Spielkonzept den Spagat zwischen Einfachheit und Komplexität meisterhaft trifft. So ist es kein Wunder, dass das Kernteam vom Videospielkombinat sich schon seit Wochen einige Abende pro Woche auf dem gemeinsamen Discord-Server trifft, um sich spannende Kämpfe um jeden Punkt zu liefern. Folgender Beitrag erklärt nun, warum Carcassonne so gut funktioniert und weshalb die Übertragung ins Digitale das Spiel möglicherweise sogar noch besser macht.
Carcassonne – der Name entspringt einer Stadt mit gigantischer Festungsanlage im Süden Frankreichs, die mit ihrer meterhohen doppelten Ummauerung und der sehr guten Instandhaltung noch immer ziemlich imposant wirkt. Eben solche Burgen mit umliegender Landschaft werden im gleichnamigen Brettspiel von den Spielern errichtet, um Punkte zu ergattern. Doch wie genau funktioniert denn Carcassonne nun eigentlich? Einsteiger werden schnell verstehen, worum es im Spiel geht, denn die Grundregeln sind erfreulich einfach gehalten. Im Zentrum des Spielfeldes liegt eine Karte, auf der ein Weg, der Teil einer Burg sowie die alles umgebenden Wiesen abgebildet sind. Der erste Spieler zieht einer zufällige Karte und legt sie an eine passende Seite an. Zusätzlich kann er nun einen Gefolgsmann platzieren, welcher wiederum für mögliche Punkte sorgt. Stellt er ihn beispielsweise auf die Straße, bekommt er mehr Punkte, je länger diese wird.
Beim Platzieren der Plättchen müssen die verschiedensten Aspekte abgewogen werden. In oben genanntem Beispiel könnte ein Mitspieler auf die Idee kommen, die Punkte der Straße ebenfalls ergattern zu wollen. Er darf allerdings die Straße nicht direkt besetzen, da diese schließlich bereits verteidigt wird – es geht nur über Umwege und über eine zukünftige mögliche Verbindung. Das Ganze lässt sich in Textform recht schwierig erläutern, weiter unten geben Screenshots erklärende Einblicke ins Spiel. Schon nach wenigen Zügen gibt es zumeist eine Vielzahl an Zugmöglichkeiten. Die Größe des Spielfeldes wird durch jeden Spieler stetig erhöht, bis der Kartenstapel komplett aufgebraucht ist und die letzten Punkte gezählt werden. Im Grundspiel lassen sich Siege mit Burgen, Straßen, Wiesen und Klöstern erzielen, zahlreiche DLC-Erweiterungen sorgen für mehr Umfang und für zum Teil deutliche Steigerung der Komplexität.
Das nach und nach wachsende Spielfeld sorgt dafür, dass Aktionen schnell mehrere Spieler beeinflussen und nicht nur den eigenen Interessen nützen – hier muss dann abgewogen werden, woraus man den größtmöglichen Vorteil für sich selbst ziehen kann. Platziere ich meine Burg an der Wiese eines Gegenspielers, welcher durch die Anzahl an abgeschlossenen an die Grünfläche grenzenden Burgen Punkte erhält oder nicht? Zuweilen kann es auch der sinnvollere Zug sein, in einer Runde nicht auf die eigenen Punkte zu achten und stattdessen das Plättchen so zu platzieren, dass ein oder im Optimalfall mehrere Gegner ihre Pläne nicht mehr umsetzen können und damit Figuren bis zum Ende des Spiels festsitzen.
Einmal gesetzte Figuren bekommt man erst zurück, wenn das jeweilige Bauvorhaben abgeschlossen ist. Sorgt nun ein Gegenspieler mit geschickter Platzierung seiner Felder dafür, dass im Bild oben die Burg oder der Weg nicht abgeschlossen werden können, würden mir für künftige Entscheidungen zwei der standardmäßig sieben Figuren fehlen – ein herber Schlag. Völlig umsonst sind die platzierten und bis zum Ende festsitzenden Männchen allerdings nicht. Nicht abgeschlossene Wege, Klöster und Burgen geben am Ende des Spiels trotzdem Punkte – letztere allerdings deutlich weniger, als wenn man sie fertiggestellt hätte. Natürlich wäre dadurch zusätzlich auch mindestens eine Figur wieder frei geworden, die man für weitere Aktion einsetzen hätte können. Man sollte sich also ganz genau überlegen, wo und wann man seine Figuren einsetzt.
Bisher treffen alle Punkte so auch auf die Brettspiel-Version von Carcassonne zu. Doch meiner Meinung nach macht die digitale Version einige Dinge sogar besser. Viele Mechaniken werden automatisiert und durch hilfreiche Anzeigen werden insbesondere Einsteiger behutsamer und verständlicher ans Spielkonzept herangeführt. Bereits auf den im Artikel eingebundenen Impressionen gut zu erkennen: Die Stellen, an welche man die eigene Karte anlegen kann, werden prominent hervorgehoben. Auf Wunsch können auch Orte, für welche es gar kein passendes Stück mehr gibt, angezeigt werden. Die Kennzeichnung von besetzten Wiesen per Tastendruck vereinfacht außerdem die Vorausplanung und verbessert die Übersichtlichkeit immens. Nicht zuletzt werden logischerweise auch die Punkte automatisiert errechnet, was bei komplexen Festungen und gigantischen Wiesen mit mehreren Anspruch erhebenden Spielern ungemein praktisch ist. Selbstverständlich ist es auch von Vorteil, dass die digitale Spielfläche unendlich groß ist und man am virtuellen Tisch nicht wackeln kann, was sicherlich bei der originalen Version für einige haarsträubende Diskussionen sorgte, wenn man wieder jemand das halbe Spielfeld verrutschte.
Ein weiterer Pluspunkt in Sachen Benutzerfreundlichkeit ist die hübsche und zugleich sehr übersichtliche Darstellung des Spiels. Sowohl das aufgeräumte Interface als auch die visuelle Gestaltung der Plättchen, die sich zu hübschen Landschaften zusammenfügen, können sich sehen lassen. Abgeschlossene Straßen und Festungen sind klar von unfertigen zu unterscheiden, die Fahnen der Burgbesitzer wehen stimmig im Wind und Figuren hüpfen auf Wunsch wellenartig nach oben, sodass sie auf dem großen Spielfeld besser zu erkennen sind. Technisch macht das Spiel auch bei der Spielersuche im Online-Modus alles richtig – Lobbies sind schnell erstellt und wichtige Einstellungen rasch getätigt, sodass es im Handumdrehen los gehen kann. Auch Matches gegen die KI sind möglich, die sich je nach Einstellung recht ordentlich schlagen. An die Finesse von erfahrenen menschlichen Spielern reichen deren Fähigkeiten allerdings nicht heran. Einsteiger finden hier trotzdem eine gelungene Trainingsmethode.
Einziger Wermutstropfen sind die hin und wieder auftretenden Bugs, die die Freude an Carcassonne zuweilen in den Keller rutschen lassen. Unter anderem spinnt die Kamera häufiger und der Bildausschnitt springt ungewollt zu einem anderen Ort. Auch die vorher vom Spieler festgelegte Wunschfarbe wird seltsamerweise fast nie korrekt ausgewählt, stattdessen bekommt man immer eine andere. Ebenso werden Profilbilder oftmals nicht geladen. Besonders ärgerlich ist es, wenn Punkte nicht gezählt und Figuren dabei zu allem Überfluss noch im eigentlich fertigen Gebäude feststecken bleiben. Problematisch wird das insbesondere, wenn man mit zufälligen Gegnern spielt – zusammen mit Freunden kann man die Punkte ja später noch aufaddieren. In den über 20 Stunden, die ich Carcassonne bereits spielte, kamen mir allerdings zwei solcher gravierender Fehler unter. Sonderlich häufig spinnt das Spiel also nicht. Nichtsdestotrotz sollten die Entwickler diese Stellen noch einmal angehen und ausbessern.
Mein Fazit zu Carcassonne:
Ich bin sehr froh darüber, dass Carcassonne gratis im Epic Games Store verfügbar war. Ansonsten wäre ich wohl nie in den Genuss eines der besten Brettspiele gekommen, die ich jemals gespielt habe. Das Konzept ist einfach zu lernen und schwer zu meistern, wodurch sowohl Anfänger als auch Veteranen gut unterhalten werden. Jede Runde entwickelt sich durch die Vielzahl an Möglichkeiten anders und jedes Mal werden hübsch anzusehende Landschaften erbaut. Asmodee Digital haben es geschafft, eine rundum gelungene Digitalisierung des Brettspiels umzusetzen und dabei den Einstieg durch nützliche Komfortfunktionen, die auch Kennern des Spiels zugute kommen werden, zu erleichtern. Carcassonne spielt sich entspannt und ist dennoch unglaublich spannend – vor allem mit ein paar Freunden.
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