Der Hype um Battle Royale scheint nicht abzunehmen. Nachdem PlayerUnknown’s: Battlegrounds die Spielelandschaft gehörig umgekrempelt hat und Fortnite kurz darauf zum bisher unangefochtenen Platzhirsch des Genres aufgestiegen ist, haben sich etliche Studios an das im Kern recht simple Konzept herangewagt, um auch ein Stück vom großen Kuchen abzubekommen. Viele sind daran gescheitert – von den meisten Fortnite-Killern hat man schon kurz nach der Veröffentlichung fast nichts mehr gehört. Mit Call of Duty betrat nun am 10. März 2020 eine etablierte Marke den Free-to-Play-Ring im Kampf um den Battle-Royale-Thron konnte seitdem gehörige Erfolge feiern. In den letzten Tagen habe auch ich mich dutzende Male aus einem Transportflugzeug ins Getümmel gestürzt und mir dabei Gedanken zur Warzone-Beta gemacht.
Mittlerweile sind es beinahe zweieinhalb Jahre seit der Veröffentlichung unseres ersten Beitrages zu Fortnite. Unser Ersteindruck „Fortnite Battle Royale: Bausoldaten im Todeskampf“ berichtete davon, wie Epic Games‘ Hit mich als erstes Spiel des Genres wirklich überzeugen und für lange Zeit fesseln konnte. Daran hat sich bis heute nicht viel geändert – noch immer schaue ich ins Spiel hinein und Battle Royale ist für mich fest mit Fortnite verknüpft. PUBG und andere eher in einem realistischen Setting platzierte Genrevertreter konnten mich bisher nie abholen.
Und dennoch kommt Call of Duty: Warzone nun daher und schafft es, mich aus irgendeinem Grund zu fesseln. Ziemlich bemerkenswert, wenn man bedenkt, dass ich es inzwischen aufgegeben habe, die Teile der Call-of-Duty-Reihe benennen und einordnen zu können – seit meiner Zeit mit der PlayStation 3 habe ich mit CoD nicht viel am Hut gehabt. Wodurch unterhält Warzone, was macht es schon jetzt besser als die Konkurrenz und an welchen Stellen muss noch gefeilt werden?
Wer in den letzten Jahren schon einmal mit Battle Royale in Berührung kam, der wird sich auch in Call of Duty: Warzone ziemlich schnell zurechtfinden. Beim Spielstart befindet man sich in einem Truppentransporter mit insgesamt 150 Spielern, die sogleich auf eine riesige Karte hinabstürzen und sich nach einem geeigneten Landeplatz umschauen. Schickes Detail: Die Bezeichnungen der markanten Orte werden beim Überflug auch direkt in der Spielwelt angezeigt, nicht nur auf der Minimap. Das erleichtert besonders für Einsteiger die Orientierung und ermöglicht schnellere Absprachen. Ist man erst einmal sicher am Boden angekommen, beginnt die Hatz nach besserer Ausrüstung und die Jagd nach anderen Spielern. Das Ziel ist simpel wie eh und je: Als letzter der 150 Spieler am Leben sein.
Obwohl Call of Duty grundsätzlich seit vielen Jahren eher einem übertriebenem Actionfilm als der Realität ähnelt, fühlt sich das Gameplay von Warzone besonders für Spieler wie mich, die einen Großteil ihrer Battle-Royale-Zeit in Fortnite verbracht haben, deutlich realer und gesetzter an. Das beginnt bereits bei der Gestaltung der Karte, auf der ländliche Areale im Norden und stark besiedelte Gebiete im Süden mit vielen interessanten Orten zum Ausprobieren verschiedener Taktiken einladen. Riskiert man eine frühe Konfrontation und bekommt dafür gleich zu Beginn erstklassige Ausrüstung im vielbesuchten Flughafen oder begibt man sich eher in den Dörfern entlang des Flusslaufs auf die Suche nach wertvollen Waffen und Ausrüstungsgegenständen? Das Abwägen zwischen Belohnung und Risiko ist auch in Warzone ein wichtiger Aspekt.
Die an echte Begebenheiten angelehnte Karte hat auch zur Folge, dass man deutlich bedachter durch die Häuserschluchten wandert, in denen es deutlich mehr Verstecke und Möglichkeiten für Hinterhalte gibt, als es in Fortnite der Fall ist. Nahezu jedes Haus ist begehbar und bietet mehrere Räume, was besonders in den großen verschachtelten Häuserblocks zu interessanten Verfolgungsjagden führen kann. Da ich viele Runden als Solist gespielt habe, war für mich oftmals schleichen und langsames Voranschreiten eine valide Option – so konnte ich auf die Geräusche in der Umgebung achten und den einen oder anderen unvorsichtigen Spieler per Kopfschuss erledigen, noch bevor dieser eine Ahnung hatte, dass ich überhaupt in der Nähe war.
Stürzt man sich mit seinen Kumpels gemeinsam ins Getümmel, fühlt sich Warzone indes deutlich mehr nach klassischem Battle Royale an. Dann nämlich ist die Suche nach einem Fahrzeug zu Beginn der Runde extrem wichtig, damit man gemeinsam möglichst schnell verschiedene Loot-Gegenden abklappern kann. Praktische Marker-Funktionen und das aufgeräumte Userinterface sorgen hierbei dafür, dass man auch mit zufälligen Mitspielern im Team stets schnelle Absprachen tätigen kann. Sprachchat per Headset ist natürlich trotzdem zu empfehlen.
Fahrzeuge in einem Call of Duty? Richtig, Warzone bietet neben klassischen Autos vom Militärjeep übers Quad bis hin zum Helikopter so ziemlich alles, was der eingefleischte Battle-Royale-Kenner lieben gelernt hat. Noch vor einigen Monaten konnte mich die Beta von Call of Duty: Modern Warfare, welches neben den klassischen CoD-Modi auch den Bodenkrieg-Modus auf einer großen Map mit Fahrzeugen und vielen Spielern beinhaltet, nicht überzeugen, fühlte er sich doch eher wie die billige Kopie eines Battlefield an. Und auch in Warzone sind die Vehikel beileibe noch nicht perfekt – eine deutliche Verbesserung ist aber definitiv zu erkennen. Auch ans typische Waffengefühl der Reihe auf einer derart große Karte muss man sich erst einmal gewöhnen, wirkt es doch zu Beginn ein wenig surreal, mit einem Großkaliber-Scharfschützengewehr auch endlich mal über weite Distanzen feuern zu können. Hierbei wird man wiederum im positiven Sinne an Battlefield erinnert.
Call of Duty: Warzone kann aber nicht nur gut von anderen Spielen des Battle-Royale-Genres abgucken, es bringt auch die eine oder andere spannende Idee mit sich, die das Konzept um interessante Neuerungen erweitern. So kann man Missionen in der Spielwelt finden, die beispielsweise eine Kopfgeldjagd auf einen anderen Spieler starten oder eine Reihe noch ungeöffneter Kisten offenbaren. Diese Aufträge sorgen insbesondere beim Spielen mit einer Gruppe dafür, dass diese stets ein klares Ziel vor Augen hat und nicht planlos durch die Gegend irrt. Zusätzlich zu den durch den Abschluss gewonnene Erfahrungspunkten und dem möglichen seltenen Loot bekommt man durch viele Aufträge auch Geld gutgeschrieben, welches an verschiedenen Orten gegen Drohnen, Luftschläge oder andere Ausrüstung eingetauscht werden kann. Alternativ lässt sich das Geld natürlich auch in Kisten oder anderen Verstecken in der Spielwelt ergattern.
Das wohl spannendste Feature von Warzone ist wohl das Gulag, in welches man geschickt wird, wenn man zum ersten Mal in einem Match stirbt. Hier beobachtet man Mann-gegen-Mann-Duelle, bis man dann schließlich selbst an der Reihe ist und sein Können unter Beweis stellen muss. Gewinnt man den Schlagabtausch, darf man noch einmal zurück aufs Schlachtfeld und bekommt so eine zweite Chance auf den Sieg – meiner Meinung nach ein sehr gelungenes Feature. Kurz vor dem Ende der Runde, wenn der tödliche Gaskreis sich schon fast über die komplette Karte ausgebreitet hat, wird das Gulag natürlich deaktiviert, sodass bei den letzten ohnehin schon nervenaufreibenden letzten Schusswechseln nicht noch zusätzliche Spieler von oben herabregnen.
Abseits des Battle-Royale-Geschehens merkt man Warzone seine Call-of-Duty-Wurzeln stark an. So kann man wie gewohnt seine Ausrüstung in diversen Sets zusammenstellen und dabei typische Boni, wie Lautlosigkeit oder das Verstecken vorm feindlichen Radar, auswählen. Diese Sets können dann im Spiel an Versorgungskisten ergattert werden, wodurch man jederzeit eine Chance hat, mit seinen Lieblingswaffen in den Kampf zu ziehen. Grundsätzlich sind aber auch die zufällig zusammengestellten und in der Welt auffindbaren Schießeisen nicht übel – sofern man nicht gerade eine Schrotflinte mit Mehrfachzoom-Visier aufhebt.
Dass es sich bei Call of Duty: Warzone noch um eine Beta handelt, merkt man an diversen Stellen im Spiel. Obwohl im Großen und Ganzen alles recht rund läuft, ist man noch nicht völlig sicher vor Bugs und Abstürzen. Auch das sich ewig hinziehende Installieren von Shadern zur Verbesserung der Performance im Hauptmenü bei jedem Spielstart scheint ein Fehler zu sein, der in meinem Fall zu unnötig langen Wartezeiten führte. Regelmäßige Updates sollten hier sicherlich dafür sorgen, dass die Auffälligkeiten bald Geschichte sind. Die durch die Shaderinstallation „gewonnene“ Zeit konnte ich immerhin nutzen, um meine Ausrüstungssets anzupassen.
Technisch reißt Warzone Call-of-Duty-typisch keine Bäume aus, weiß aber durchaus mit recht schicken Effekten zu überzeugen. Die Stimmung der trostlosen ans sowjetische Russland und damit stark an Arma beziehungsweise DayZ erinnernde Karte passt. Gute Waffensounds und Hintergrundgeräusche tragen ihren Teil zum runden Gesamtbild bei. Auch die Lichteffekte und das Glänzen der Waffen im Sonnenschein können sich sehen lassen. Weitsicht und das Aufpoppen von Objekten sollten allerdings noch verbessert werden, ebenso der Sound der Fahrzeuge, die sich allesamt ziemlich mager anhören. Letzteres wird durch sich wiederholende Motorenklänge nicht unbedingt verbessert. Erfreulicherweise funktioniert das Matchmaking tadellos und auch Crossplay-Matches zwischen PC, Xbox One und PlayStation 4 sind schon jetzt ohne gravierende Probleme möglich.
Mein Fazit zur Beta von Call of Duty: Warzone:
Persönlich habe ich mit Call of Duty im Grunde schon vor vielen Jahren abgeschlossen und auch die Beta vom aktuellen Ableger Modern Warfare im Herbst 2019 konnte mich nicht wirklich zurückholen. Warzone schaffte dies nun. Das altbekannte Konzept der Reihe wird gelungen ins Battle-Royale-Genre übertragen und kommt mit auflockernden Ideen, wie dem Gulag, daher. Die Matches mit 150 Spielern bieten auf der weitläufigen Karte viel Raum für taktische Variation und verschiedene Vorgehensweisen – sowohl vorsichtige Einzelkämpfer als auch draufgängerische Squads finden hier ihren Spaß. Es bleibt abzuwarten, ob mich Warzone lange bei der Stange halten kann. Fortnite statte ich schließlich auch mehrere Jahre nach der Veröffentlichung hin und wieder gerne einen Besuch ab. Wer Epics Battle-Royale-Hit für zu casual hält, findet mit Warzone eine interessante Alternative.
Besonders erfreulich ist die gelungene Implementierung von Crossplay sowie die Möglichkeit, auch am PC mit Gamepad zu spielen. Hierzu muss lediglich im Hauptmenü ausgewählt werden, mit welcher Eingabemethode man sich in die Schlacht stürzen will und schon wird die Entscheidung beim Matchmaking berücksichtigt. Dass ich überraschenderweise mit dem Controller von der Couch aus besser war als mit Maus und Tastatur, hängt wohl mit meiner langjährigen CoD-Konsolenzeit zusammen.
Am vergangenen Wochenende war zusätzlich zum ohnehin kostenfreien Warzone auch der klassische Mehrspieler-Modus von Modern Warfare gratis anspielbar, was dazu führte, dass ich diesen mal wieder anspielte und dabei deutlich unterhaltsamer fand als Battle Royale. Ist das nun einfach eine Frage des Geschmacks oder Beweis dafür, dass Call of Duty im Kern nach wie vor auf kleineren Karten besser funktioniert? Die Bewerbung vom Spiel im Spiel hat jedenfalls funktioniert und schlussendlich ändert das nichts daran, dass ich jedem Shooter-Fan einen Blick in Call of Duty: Warzone ans Herz legen kann. Schon alleine wegen des Besuchs im Gulag.