Nachdem wir uns als Team VSK bei der ersten offiziellen E-Sport-Meisterschaft der Region in Rocket League verdient im Mittelfeld eingeordnet haben, gibt es doch nichts schöneres, als bei einem ruhigen Indie-Game zu entspannen. Um sich von den Strapazen des hektischen Mehrspieler-Autofußballs zu erholen, eignet sich ein Einzelspieler-Titel mit unverbrauchtem Setting ziemlich gut. Wie passend, dass vor wenigen Tagen Webbed erschienen ist, welches ich persönlich schon eine ganze Weile auf dem Radar habe. Schon die ersten Impressionen weckten meine Neugier. Sehr erfreulich ist es dann natürlich, wenn das finale Spiel nun auf ganzer Linie überzeugen kann! Selten wurden Szenario und Gameplay so treffend miteinander kombiniert. Webbed ist ein Indie-Highlight und ein waschechter Geheimtipp – auch für Menschen mit Arachnophobie!
Erstmals aufmerksam geworden bin ich auf Webbed vor einigen Monaten durch den Twitter-Account Wholesome Games, der wie ich finde einige wirkliche Videospiel-Perlen ans Licht bringt, die man ansonsten ziemlich schnell übersehen würde. Im Rahmen der E3 2021 gab es sogar eine eigene kleine Wholesome Direct, in der besagte Spiele prominent präsentiert wurden. Webbed zählt insbesondere durch das niedlich anmutende Design seiner Charaktere definitiv zum Fokus von Wholesome Games und schafft es, selbst eine der wohl abschreckensten Tierarten in eine ansprechende Visualisierung zu bringen – so knuddelig wie in Webbed sahen Spinnen jedenfalls noch nie aus. Da mich abgesehen von der Optik auch das Gameplay in den ersten bewegten Szenen direkt ansprach, freute ich mich trotz der relativ standardmäßigen Pixel-Retro-Optik sehr auf das Spiel. Und meine Vorfreude wurde durch noch mehr Freude beim Spielen sogar übertroffen!
Zu Beginn wirft uns Webbed in eine harmonische und friedliche Welt. Unsere Spielfigur – selbstverständlich eine kleine Spinne – und ihr Spinnenfreund laufen durch das Unterholz, spinnen hier und da ein paar Fäden und tollen dann im gemeinsamen Netz in typischer Spinnentanz-Manier herum. Ganz nebenher lernt man in den ersten Minuten so die Grundelemente spielerisch und mit wenigen Einblendungen zur Tastenbelegung kennen. Doch als plötzlich ein Vogel aus dem Blattwerk nach unten prescht, das sorgfältig gesponnene Heim zerstört und unseren Freund kurzerhand verschleppt, ändert sich die Situation schlagartig und der Spieler sieht sich prompt mit seiner Hauptaufgabe konfrontiert: Den Spinnenpartner aus den Fängen der Flugbestie retten! Und da für ein solches Vorhaben Verbündete von Nöten sind, dreht sich im rund achtstündigen Spielverlauf alles um die Ausarbeitung des Rettungsplans mit Hilfe verschiedener Insekten.
Selbstverständlich gewinnt Webbed mit seiner Geschichte sicherlich keine Preise für das beste Storytelling. Und trotzdem schafft es die schnell beschriebene Handlung, eine Verbindung zwischen der Figur und der Welt herzustellen. Zudem wird dem Spieler so stets ein klares Ziel geboten und die Motivation der Hauptfigur wird ersichtlich. Auf den Wegen durch die in frei begehbare Levelabschnitte unterteilte Welt begegnet man so einer ganzen Reihe von Krabbeltieren, die zur Unterstützung des großen Plans allesamt natürlich auch einige Gegenleistungen erwarten. Und somit dient die Handlung zugleich auch als Rechtfertigung für die Erfüllung der Nebenaufträge. Um beispielsweise Unterstützung von den Ameisen zu erhalten, begeben wir uns in deren Bau und helfen dabei, die Nachwirkungen des Feuerameisen-Angriffs auszubaden und das Volk für zukünftige Konflikte zu rüsten. Um die Infrastruktur wieder aufzubauen und die Ameisen zu stärken, müssen dann mit tödlichen Fallen gespickte Räume durchquert, Objekte gesammelt und zusammengesetzt und diverse Rätsel gelöst werden. Alle diese Elemente fußen ihre Mechaniken auf einem Aspekt, der Webbed wie angesprochen zu etwas besonderem macht: Man spielt eine Spinne!
Wie es sich für einen achtbeinigen Krabbler gehört, können wir selbstverständlich Fäden spannen, Netze aus diesen basteln und uns an selbigen abseilen oder schwingen. Daraus resultieren dann die verschiedensten Anwendungsmöglichkeiten. Wenn man sich etwa mithilfe eines Netzes einen Weg durch hohes Geäst bastelt oder schwere Gegenstände mithilfe vieler starker Fäden an die gewünschte Position bewegt. Im Grunde ließe sich Webbed im Gameplay-Bereich durchaus auch als Spinnen-Simulator bezeichnen. Mit einer kleinen aber feinen Ausnahme: Unsere Spielfigur kann auf Knopfdruck eine Art Laserstrahl verschießen, um Fäden zu zerstören oder Objekte voranzustoßen. Nun möchte ich an dieser Stelle nicht ausschließen, dass es irgendwo im Universum Spinnen mit Laseraugen gibt. Beschränkt man sich auf unseren Planeten Erde gehe ich aber davon aus, dass es sich hier um keine realistische Adaption einer Fähigkeit der Gliederfüßer handelt sondern eine Implementierung zur Verbesserung der Spielmechaniken. Letztere fügen sich nach kurzer Einarbeitungszeit wunderbar zusammen und man versteht schnell, wie man seine Fertigkeiten auf diverse Wege einsetzen kann, um das Ziel zu erreichen.
Erwähnenswert beim Thema Gameplay ist insbesondere, dass von der ersten Sekunde an alle Möglichkeiten offen stehen und man im Verlauf des Spiels keine neuen Fertigkeiten hinzugewinnt. Stattdessen ist es der eigene Lernprozess, der die Varianz der Lösungsansätze stetig erhöht und für neue Impulse sorgt. Als ich das Spiel ein zweites Mal von vorne startete, war ich erstaunt, wie schnell und problemlos ich manche Herausforderungen lösen konnte, die beim ersten Mal von Kopfzerbrechen und Herumprobieren geprägt waren. Irgendwann kennt man die Kniffe der Netzbau-Mechaniken und kann diese in verschiedensten Situationen zu seinem Vorteil nutzen. Zugleich überstrapaziert Webbed seine Idee nicht und findet nach wenigen aber dafür umso unterhaltsameren Stunden zu einem befriedigendem Ende. Hier findet sich eine gute Lektion für viele andere Spiele, die durch ihre gestreckte Dauer das Gameplay verwässern und mitunter trotz guter Grundkonzepte nach einiger Zeit ermüdend wirken.
Um den Überblick nicht zu verlieren, was in welchem Abschnitt der insgesamt doch recht breit gefächerten Welt noch zu erledigen ist, bietet Webbed ein stimmiges Questlog in Form eines Buches. Dort findet sich auch eine mit Buntstiften gezeichnete Karte, die nach und nach mit Farbe gefüllt wird und eine Übersicht über alle Sammelobjekte. Die Visualisierung der einzelnen Elemente ist wunderbar stimmig gelungen und fügt sich perfekt in den charmanten Pixel-Stil des Spiels ein. Normalerweise bin ich kein großer Freund von pixeligen Spielen, irgendwann hatte die minimalistische Stilrichtung einfach ihren Zenit für mich erreicht. Doch in Webbed wurde ich noch einmal mitgerissen und freue mich über die kindlich-verspielte Optik und die vielen kleinen Details, die diese bietet. Insbesondere in Sachen Animationen kann das Spiel auf ganzer Linie überzeugen. Sowohl der eigene Charakter als auch die anderen Figuren werden stimmig dargestellt. Auch die physikalisch korrekte Darstellung der Fäden und die Interaktion derer im Verbund eines Netzes können sich sehen lassen und laden dadurch noch mehr zum Experimentieren ein. In Sachen Sounddesign überzeugen sowohl die verspielte Musik als auch die Geräuschkulisse. Und wie oft gibt es bitte Spiele, in denen eine Katze einen Charakter professionell vertonen darf?!
Es macht schlicht und einfach Spaß, sich in Webbed den Weg durch die Welt zu bahnen und dabei den Spinnenfaden als zentrales Element auf unterschiedlichste Arten einzusetzen. Ob als Leine zum Schwingen oder als Brücke zwischen zwei kleinen Ästen – das ganze System wurde meiner Meinung nach perfekt umgesetzt. Wie würde IGN an dieser Stelle sagen? „It really makes you feel like (a) Spider(-Man)!“ Erfreulicherweise ist Webbed abseits der vielen Insekten, die uns auf unseren Wegen durch die Welt begegnen, schon am Releasetag frei von Bugs und läuft ohne Probleme. Übers Wochenende spielten wir gute zehn Stunden ohne erkennbare Macken. Lediglich einen Absturz musste man verkraften, dieser trübte das Gesamtbild allerdings nicht. In Sachen Stabilität und Fehlerfreiheit ist Webbed also sehr vorbildlich, was das positive Gesamtbild passend abrundet. Angst vor Spinnen hindert auch nicht am Spielen – der Arachnophobie-Modus verwandelt alle Achtbeiner in ebenso süße ballartige Wesen. Dann verzichten man zwar auf viele der beachtenswerten Animationen, kann aber die die tolle Gameplay-Erfahrung vollumfänglich erleben.
Mein Fazit zu Webbed:
Ich finde es immer schön, wenn Spiele, auf die man sich bereits vor der Veröffentlichung freut, ihre Versprechen halten können und während ihrer Dauer rundum gelungen wirken. Webbed schafft es, einer simplen und leicht zu verstehenden Gameplay-Mechanik Tiefe zu verleihen und dabei durch abwechslungsreiches Welt- und Rätseldesign zu motivieren. Das unverbrauchte und stilvoll umgesetzte Setting wird perfekt mit der Netzspinn-Idee verwoben, wodurch die unterschiedlichsten Lösungen für die Herausforderungen entstehen. Durch die überschaubare Spielzeit von unter zehn Stunden und den niedrigen Kaufpreis ist Webbed eine glasklare Empfehlung für all jene, die gerne so wie ich nach Indie-Spielen der besonderen Art Ausschau halten. Selten habe ich eine derart stimmige und gleichzeitig neuartige Spielerfahrung so genossen!
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