Kürzlich spielte ich Hollow Knight zum mittlerweile dritten Mal durch. Das Metroidvania vom Indie-Entwickler Team Cherry begeistert mich nun schon seit mehreren Jahren und zählt inzwischen definitiv zu meinen All-Time-Favorites. Selten hat mich ein Spiel so gefesselt, selten war ich so motiviert, auch das kleinste Detail seiner Welt zu entdecken. Es ist eben diese Spielwelt, die aus Hollow Knight etwas wirklich besonderes macht und die die anderen Aspekte des Spiels zusammenhält. Und während ich sehnsüchtig wie viele andere auch auf den Nachfolger Silksong warte, ist es nach meinem dritten Playthrough nun an der Zeit, noch einmal zu analysieren, weshalb Hollow Knight mich nicht loszulassen scheint.
Vor nahezu fünf Jahren verfasste ich hier beim Videospielkombinat bereits einen ersten Beitrag zu Hollow Knight. Im Review mit dem Titel „Ein spielerisches Kleinod mit tausenden Bugs“ lobte ich insbesondere die Qualität der zugleich quantitativ vorhandenen Inhalte. Für ein Spiel, das im Kern von zwei Personen entwickelt wurde, strahlt Hollow Knight ein unfassbares Selbstbewusstsein aus. Kein Wunder also, dass es 2017 zu meinen großen Highlights zählte. Und nicht nur das! Das Käfer-Abenteuer hat es geschafft, mir bis heute im Kopf zu bleiben und seine Faszination auf mich sogar noch ausgeweitet. Schuld daran ist vor allem Heilandsnest – das Königreich, in dem Hollow Knight angesiedelt ist.
Nach dem kurzen und für Neulinge sehr mysteriösen Introvideo startet man in Hollow Knight völlig unwissend. Schnell sind erste Gegner erledigt und erste Sprünge geschafft und man kommt in Mistmund, dem letzten verbliebenen Dörfchen der Region an, welches auch schon bessere Tage gesehen hat. Der Dorfälteste erklärt, dass unter Mistmund ehemals ein großes florierendes Königreich lag. Doch diese Zeiten sind vorbei und es trauen sich nur noch wenige wagemutige Käfer nach unten, um die verlorenen Schätze zu bergen und die Geheimnisse der altehrwürdigen Gänge zu lüften, in denen es vor Gefahren nicht zu mangeln scheint.
Auch als Spieler begibt man sich natürlich mit einem beherzten Sprung in den Brunnen am Dorfrand nach unten. Und damit beginnt ein Abenteuer voller Entdeckungen und Kämpfe, in welchem man sowohl stetig neue Fähigkeiten erlernt als auch immer neue Informationen zum Königreich ans Tageslicht bringt. Hollow Knight gelingt es, seine Welt als allgegenwärtiges Medium der Erzählung einzubinden. Die verzweigten Gänge erzählen viele Geschichten und Lore-Begeisterte finden an vielen Stellen interessante Anekdoten zu den Geschehnissen in Heilandsnest und wie sie zum Untergang führten. Dabei wird die Handlung ähnlich mysteriös erzählt, wie die Welt dargestellt wird, in der sie spielt, was sehr zum atmosphärischen Gesamtbild beiträgt. Und obwohl die Welt im Kern dem Gameplay dienlich ist, wirkt sie dennoch glaubwürdig und ihr Aufbau nachvollziehbar.
Industrielle Bergbau-Anlagen, überwucherte Gärten und sogar eine verregnete Stadt erwarten den Spieler bei seinen Streifzügen in den Tiefen unter Mistmund. Die Gebiete sind dabei audiovisuell sehr abwechslungsreich und bieten auch auf der Gameplay-Seite verschiedenste Herausforderungen. Vom magischen Moment des Betreten eines unentdeckten Areals, an welchem man die zuweilen völlig andere Grundstimmung aufzusaugen versucht und ein neues dezentes Musikstück beginnt, kann ich bis heute nicht genug bekommen. Die Angriffsmuster der variantenreichen und stets zum jeweiligen Ort passenden Gegner zu verstehen und neue Herausforderungen beim Klettern und Springen zu knacken, fügt sich dann abermals wunderbar natürlich in den Flair des Spiels ein.
Hollow Knight meistert die Präsentation seiner Spielwelt auf ganzer Linie. Alles wirkt wie aus einem Guss, alles erscheint stimmig und passend platziert. Das gilt auch für die diversen Bewohner des Käferreichs, die in den Gebieten umherstreifen. Eine rätselhafte Krankheit hat die einstmalig intelligenten Käfer befallen und sie zu willenlosen Hüllen ihrer selbst verkommen lassen. Je tiefer man in die Welt vordringt, desto tiefer werden im übertragenen Sinne auch die Spielmechaniken, der Schwierigkeitsgrad und die Geschichte. Der langsame Start des Spiels mag dabei nicht jedem zusagen, jedoch spiegelt er seinen Teil zum vorsichtigen Einstieg des Spielers ins Unbekannte wider und erhöht damit meiner Meinung nach die Spannung zu Beginn.
Die wohl genialste Design-Idee Hollow Knights stellt wohl die Karte dar. Diese schwebt nicht in einer Art Meta-Ebene über dem Spiel. Vielmehr ist sie integraler Bestandteil der Erkundung. Unser namenloser Charakter weiß beim Betreten eines Gebiets gar nichts über dieses, dementsprechend gibt es auch keine Karte. Umso größer ist dann die Freude, wenn man die verstreuten Zettel und das wohlige Summen von Cornifer, dem Kartograf, dessen Frau zudem einen kleinen Laden in Mistmund betreibt, antrifft. Dieser stattet einen mit einer groben Kartenzeichnung aus, die vom Spieler fortan vervollständigt werden kann. Das Nachtragen der entdeckten Orte geschieht allerdings nicht sofort, sondern wird von unserer Spielfigur beim Innehalten auf einer der im Königreich verstreuten Bänke durchgeführt. Navigationshilfen muss man sich eben erarbeiten.
Die Bänke dienen auf unserer Reise sowohl zum Speichern als auch um Fähigkeiten anzupassen – und eben zum Aktualisieren des Kartenmaterials. Eine fantastische Mechanik, die man wohl am ehesten mit dem Erreichen eines Lagerfeuers in den Souls-Spielen vergleichen kann! Denn durch die spielerische Einbindung der Speicherorte als physisches Objekt werden die in vielen Spielen recht belanglosen Speicherpunkte ein zentrales Element des Erlebnisses und man freut sich nach einer nervenaufreibenden Erkundungstour umso mehr, endlich eine Bank als Ort der Rast erreicht zu haben. Die Spielfigur zückt dann sogleich einen Stift und zeichnet die durchwanderten Gebiete ein. So sieht man dann auch, wo man noch eine der vielen Abzweigungen verpasst hat. Die Welt von Hollow Knight ist riesengroß und verzweigt sich weit in die Tiefe.
Nach dem Ableben gegen einen schwierigen Boss erscheint man auf der zuletzt besuchten Bank und genießt im Kontrast zum hektischen Kampf die malerische Ruhe. Ähnlich wie unser Charakter dann für einen Augenblick innehalten kann, wirkt die Szene auch für den Spieler entschleunigend. Die hübschen Hintergründe und das musikalische Ambiente lassen mich hin und wieder für einige Zeit verweilen, um den Moment wirken zu lassen. Und nach kurzer Verschnaufpause geht es dann wieder weiter, die vielen noch ungeklärten Mysterien von Heilandsnest zu ergründen. Man wird dabei immer wieder überrascht sein, wie groß das kleine Käfer-Königreich doch ist. Mir ging es sogar im dritten Spieldurchlauf noch so.
Hollow Knight & die Macht seiner Spielwelt:
Das Fundament von Hollow Knight und dessen Faszination ist Heilandsnest, das Königreich, in dessen Tiefen man immer weiter vordringt und das immer neue Geheimnisse offenbart. Atmosphärisch erinnert das Spielerlebnis dabei nicht selten an die ersten Schritte in Rapture, welches in BioShock als Bühne für einen der stimmungsvollsten Shooter aller Zeiten fungiert.
Die Erkundung von Heilandsnest und das Aufdecken der vielschichtigen Ereignisse, die zu seinem Fall führten, werden wundervoll in ein Gameplay-Netz gewebt, das den Grad an Herausforderungen immer weiter erhöht und auch Videospiel-Veteranen fordert. Die Vielzahl an Bossen glänzt dabei durch abwechslungsreiches Design und ausgefeilte Angriffsmuster.
Abgerundet wird Hollow Knight durch seine wundervoll düstere Stimmung, die der Grafikstil mit seinen klaren Linien und gekonnter Farbwahl in tollen Bildern präsentiert. Auf visueller Seite stechen besonders auch die verschwommen dargestellten Hintergründe hervor, die ein Gefühl von Räumlichkeit vermitteln. Auch die Musik tut ihr übriges, verleiht dem Ganzen zusätzliche Tiefe und sorgt für emotionale Akzente. Das gilt sowohl für ruhige Erkundungs-Touren als auch hektische Bossfights. Beides wird passend untermalt. Hollow Knight ist insgesamt einfach ein Gedicht für Augen und Ohren.
Oftmals ertappe ich mich dabei, ein Spiel direkt nach dem Abspann nie wieder anzurühren und es schnell zu vergessen. Ganz anders bei Hollow Knight! Eine derart stimmige Welt mit gleichzeitig so dermaßen gutem Metroidvania-Gameplay bleibt sehr lange im Kopf. Hollow Knight ist ein rundum empfehlenswertes Spiel, auch noch im Sommer 2022. In seinem Genre bleibt es für mich jedenfalls noch immer unerreicht und ist in jedem Fall eine Empfehlung wert. Silksong lässt sich sehr viel Zeit, dabei kann es für mich gar nicht schnell genug erscheinen. Beeilung bitte, Team Cherry!
Sag uns deine Meinung auf Reddit!