Häufig wird ein Spiel zur Überraschung, wenn man wenig bis gar nichts darüber weiß, bevor man es startet. Ohne große Erwartungshaltung ein Abenteuer zu beginnen, eröffnet neue Türen und kann die Erfahrung durch unvorhergesehene Ereignisse positiv beeinflussen. Bis auf einige Screenshots und die Lobpreisungen anderer Spieler wusste ich gar nichts von Hollow Knight. Ich konnte demnach auch nicht ahnen, dass sich hinter dem Indieprojekt mein bisheriges Spiel des Jahres verbirgt.
Normalerweise bin ich kein Freund von Jump ’n‘ Runs mit hektischen Kämpfen. Sogenannte Metroidvanias – also Spiele, die sich an den klassischen Videospiel-Reihen aus den 80ern und 90ern orientieren – sind einfach nicht mein Genre und müssen daher schon besonders gelungen sein, um mich über lange Sicht zu begeistern. Ori and the Blind Forest hat dies beispielsweise nicht geschafft und durch die meiner Meinung nach zu detaillierte Optik artete das Spiel zu häufig in Zufälle aus, die über Leben und Tod entschieden. Zum Glück geht Hollow Knight einen gänzlich anderen Weg und verdeutlicht, wie man ein rundum gelungenes Erlebnis kreieren kann.
Bereits nach den ersten Schritten in der düsteren Welt von Hollow Knight fällt das im Vergleich zu Ori deutlich direktere Gameplay auf. Unsere Spielfigur lässt sich präzise bewegen und durch die ersten Höhlen manövrieren. Die ersten Gegner, die langsam auf uns zukrabbeln, stellen keine Gefahr dar und werden mit wenigen Hieben erledigt. Komplett behutsam ist der Start ins Spiel jedoch nicht, denn unvorsichtigen Helden kann es passieren, dass sie geradewegs in eine der vielen Stacheln hüpfen. Am Ausgang der Höhle angekommen springt man eine hohe Klippe hinab und landet nach wenigen Schritten in Mistmund, einer kleinen Siedlung an der Oberfläche, zu der man ziemlich häufig zurückkehren wird.
Von Mistmund aus beginnt die Reise durch das vergessene Königreich der Käfer mit seinen gigantischen Tunnelsystemen, großen Städten und versteckten Schätzen. Von hier aus ist es uns überlassen, welchen Weg wir einschlagen und wohin wir uns zuerst begeben. Auf unseren Reisen durch die unzähligen zusammenhängenden Gebiete kommen wir nicht selten an Punkte, an denen es für uns schlichtweg nicht weitergeht. Mal ist ein Abgrund zu groß, um mit einem Sprung hinüber zu gelangen, mal ist eine Tür verschlossen oder eine zu hohe Wand hindert uns am Fortschreiten. Umkehren ist in solchen Fällen angesagt, denn früher oder später werden wir jede dieser Schwierigkeiten überwinden können.
Es kommt also nicht selten vor, dass man bereits besuchte Areale nochmals durchquert und mithilfe neuer Fähigkeiten ehemals unüberwindbare Hindernisse meistert. Zu Beginn kann unser Hollow Knight lediglich einen normalen Hieb in jede Richtung ausführen und springen. Später kommen unzählige Bewegungs- und Angriffsmöglichkeiten hinzu. Die dadurch entstehende Lernkurve führt behutsam ins Spiel ein und überfordert nicht direkt zu Beginn. In den anfänglichen Stunden gilt es, die ersten Gebiete unter Mistmund zu erforschen und sich mit dem noch recht einfachen Gameplay vertraut zu machen. Stößt man dann weiter nach unten vor, werden die Geschicklichkeitspassagen kniffliger und Gegner verfügen über deutlich komplexere Angriffsmuster. Zum Ende hin hält Hollow Knight dann auch für Veteranen des Genres die eine oder andere Herausforderung bereit.
Der virtuelle Tod befördert uns zurück zur letztbesuchten Bank, welche unter anderem als Speicherpunkt dienen. Zusätzlich verliert man seine kompletten Geo-Vorräte, die Währung in Hollow Knight, und muss sie sich diese erst wieder besorgen. Dies geschieht, indem man den Geist besiegt, der an der Stelle erschienen ist, an der man gestorben ist. Der Weg zu diesem kann je nach Abstand zur Bank ein ungeheurer Nervenkitzel werden. Denn stirbt man ein weiteres Mal, während man sich auf seinen schwarzen Geist zubewegt, erscheint ein neuer und der alte ist mitsamt des wertvollen Geos verschwunden.
Auch, wenn man die normalen Gegner in den ersten Umgebungen mit ein wenig Aufmerksamkeit schnell durchschauen und ins Jenseits befördern kann, wird man spätestens bei den Bossgegnern auf die Probe gestellt. Diese teilen ordentlich aus und erfordern einiges an Übung, wenn man sie unbeschadet besiegen will. Besonders wichtig ist es, herauszufinden, an welchen Punkten innerhalb eines Kampfes man sich heilen kann. Mit gesammelten Seelen, die man hauptsächlich durch gelandete Treffer bei Gegnern erhält, können Angriffszauber gewirkt oder die im wahrsten Sinne des Wortes lebenswichtige Heilfähigkeit ausgelöst werden. Diese erfordert einige Sekunden des Stillstandes, die man vor allem in einem Duell gegen einen der unzähligen Bosse erst einmal finden muss.
Neben komplett neuen Fähigkeiten und Angriffen findet man auf seinen Streifzügen durch die Untiefen der verlassenen Welten auch ab und an neue Talismane. Diese lassen sich, sofern man auf einer Bank platz nimmt, beliebig auf die vorhandenen Sockel aufteilen und beeinflussen verschiedene Bereiche des Spiels. So kann man beispielsweise einen Talisman ausrüsten, der die aktuelle Position der Spielfigur auf der Karte einzeichnet und damit die Orientierung in den komplexen Gebieten stark erleichtert. Aggressive Spieler legen diese an, die die Waffenreichweite erhöhen oder den Schaden von Zaubern verstärken. Mithilfe der unzähligen Kombinationsmöglichkeiten lassen sich für jede Situation passende Talismane ausrüsten, sofern man sie denn gefunden hat.
Sobald man in einen neuen Bereich der riesigen Welt vorgedrungen ist, ist zuallererst Erkunden angesagt. Denn eine Karte des Gebietes bekommt man erst, wenn man Cornifer, den eifrigen Kartografen, in dem jeweiligen Gebiet gefunden hat und er dem Spieler gegen einen kleinen Obolus den Grundriss der Region verkauft. Dieser ist nicht vollständig und kann von uns erweitert werden, wenn wir das jeweilige noch nicht eingezeichnete Teilstück betreten haben und uns anschließend auf eine Bank setzen. Entdeckungsfreudige Spieler kommen dabei voll auf ihre Kosten, denn die Gebiete sind wundervoll verschachtelt und bieten an allen Ecken und Enden geheime Verstecke von sammelbaren Objekten oder Abkürzungen, die wir freischalten können, um uns fortan schneller bewegen zu können.
An vielen Stellen des Spiels findet man abseits der unzähligen Gegner auch freundliche Käferkollegen, die zum einen auch abenteuerlustig die Schächte erkunden, zum anderen aber auch einfach nur interessante Informationen zur Geschichte des ehemaligen Königreiches parat haben. Die Handlung wird eher indirekt präsentiert und spiegelt sich in der Gestaltung der Umgebungen sowie in kleinen Anekdoten der Charaktere wieder. Man muss schon recht aufmerksam sein, wenn man alles über die Welt von Hollow Knight erfahren möchte. Denn selbst die große Rahmenhandlung entfaltet sich erst zu einem recht späten Zeitpunkt.
Bereits entdeckte Händler, Schnellreise-Verbindungen, Banken zum Speichern oder andere nützliche Orte werden auf der Karte markiert, sobald wir die entsprechenden Marker beim Händler in Mistmund erworben haben. Der mehrmalige Besuch ersterer lohnt sich vor allem deshalb, weil mit fortschreitender Spieldauer auch immer neue Gegenstände und Erweiterungen gekauft werden können. Wie stark sich unser Hollow Knight weiterentwickelt hat, merkt man am eindrucksvollsten, wenn man nach erfolgreichem Abschluss des Spiels einen neuen Spielstand beginnt und sich plötzlich ohne Doppelsprung, Dash-Jump und vollbepackter Karte völlig hilflos vorkommt.
Neben dem knackigen Gameplay ist es vor allem die technische Seite, die Hollow Knight zu einem der besten Metroidvanias aller Zeiten macht. Die farbliche Gestaltung der Welt ist stets hochgradig stimmig und abwechslungsreich, verliert dabei aber nie den düsteren Unterton. Plattformen und Laufwege sind meist klar und deutlich zu erkennen, trotzdem braucht es zum Entdecken der versteckten Wege ein gutes Auge. Die Kämpfe sind effektgeladen, dank simpler Animationen verliert man nie die Übersicht, wie es mir bei Ori and the Blind Forest andauernd erging. Auch beim Sound machen Team Cherry alles richtig. Die Schläge unserer Figur klingen satt und kräftig, feindliche Attacken lassen sich durch unterschiedliche Geräusche schnell erkennen. Auch die Musik verdient ein Lob. Die je nach Gebiet mal freundlicher und mal betrübter klingenden Melodien halten sich vornehm im Hintergrund und untermauern das sehr stimmige Gesamtbild perfekt.
Mein Fazit zu Hollow Knight:
Wenn Indietitel sich qualitativ nicht vor großen AAA-Produktionen verstecken müssen, ist das ein sehr gutes Signal. Hollow Knight bietet unfassbar viel Inhalt und ich war nicht selten erstaunt, dass es immer noch ein Stück weiter nach unten geht und noch immer nicht die gesamte Karte aufgedeckt war. Eine wunderbar bedrückende und detaillierte Optik, das unterhaltsame Kampfsystem mit vielen Nuancen und die mysteriöse Welt voller kleiner und großer Käfer ist für jeden Spielertyp eine Empfehlung wert. Insgesamt fühlt sich das Spiel einfach richtig und wie aus einem Guss an.
Für mich zählt Hollow Knight definitiv zu den großen Highlights des Jahres 2017. Die aktuelle Debatte um angeblich aussterbende Einzelspieler-Erfahrungen hängt, wie man hier recht deutlich sieht, einzig von der Qualität der Spiele ab und keinesfalls von einem Wandel der kompletten Branche.
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Die Einzelspielerdebatte halte ich für so einen Quatsch. Ich zum Beispiel bin quasi komplett zu Singleplayerspielen gewechselt. Ich habe einfach keine Zeit mehr Stundenlang in MMORPGs zu grinden oder mich in Mobas stundenland an neue Heros heranzutasten. Bei einem Singleplayerspiel kann man sich einfach in einer leichten Gegend kurz warmspielen und dann gehts weiter.