Der Herr der Ringe von Amazon – Hoffnungen und Ängste

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Was seit einigen Wochen nur als Gerücht kursiert, ist nun offiziell – Amazon verfilmt Der Herr der Ringe von J.R.R. Tolkien als Serie mit mehreren Staffeln! Meine erste Reaktion war pure Euphorie, die allerdings durch unzählige Bedenken rasch verflog. Denn mit der neuen Adaption der tollen Buchreihe, die Peter Jackson für viele durch seine großartigen Filme greifbar machte, kann auch einiges schief gehen. 

Sicherlich stehe ich nicht alleine da, wenn ich behaupte, dass Der Herr der Ringe zu den besten Filmen aller Zeiten gehört. Die unglaublich gute Wahl der Schauspieler, der monumentale Soundtrack von Howard Shore und nicht zuletzt die ergreifende Handlung rund um Frodo, Sauron und den einen Ring der Macht räumten gleich mehrere Oscars ab und konnten laut offizieller Amazon-Pressemeldung ganze sechs Milliarden Dollar an Bruttoeinnahmen generieren. Klar, dass Amazon auch an diesen Erfolg anknüpfen und Mittelerde neues Leben einhauchen möchte. Und dafür könnte gerade jetzt genau der richtige Zeitpunkt sein.

Aufwändig produzierte Serien etablieren sich in den letzten Jahren in den verschiedensten Genres und müssen sich zuweilen nicht einmal mehr vor teuren Kinofilmen verstecken. Am deutlichsten wird das wohl bei Game of Thrones, der Fantasy-Serie, die im Vergleich der Kinematographie im Serienformat nie dagewesene Szenen zu präsentieren vermag. Doch auch, wenn die Bücher im Fall von Game of Thrones beziehungsweise A Song of Ice and Fire noch auf sich warten lassen, so bewegt sich die Serie langsam aber sicher dem Ende entgegen. Nur noch eine Staffel soll aller Voraussicht nach im Jahr 2019 erscheinen, dann ist erst einmal Schluss mit den Intrigen rund um den eisernen Thron.

Der perfekte Moment also, um mit einer ähnlich umfangreich angelegten Fantasy-Adaption die Zuschauer an ein neues und durch vorangegangene Filme für das breite Publikum wohl gar nicht so unbekanntes Universum heranzuführen und Rekorde bei den Einschaltquoten zu brechen. Ihr habt es sicherlich schon herleiten können – genau hier könnte natürlich Der Herr der Ringe von Amazon den Nagel auf den Kopf treffen. Vorausgesetzt, man ist bereit, ähnlich großen Produktionsaufwand zu betreiben. Denn selbst mit riesigen Teams verteilt auf mehreren Kontinenten ist es für die Macher von Game of Thrones kaum noch möglich, die gewohnten jährlichen Ausstrahlungsperioden einzuhalten. Die diesjährige Staffel wartete schon mit weniger als den bekannten zehn Episoden auf, in die nächste und letzte Staffel fließen nun sogar fast zwei Jahre intensive Arbeit.

Am Beispiel Game of Thrones ist ziemlich gut ersichtlich, was Amazon leisten muss. Die Erwartungshaltungen sind bei mir immens hoch und ich kann gerade deshalb nicht leugnen, dass eine gewisse Furcht mit von der Partie ist, wenn ich über die sich nun wirklich in Arbeit befindliche Serie in Mittelerde nachdenke. Davon mal abgesehen ist das alles im Moment noch ziemlich surreal. Der Herr der Ringe prägte meine Kindheit wie keine andere Trilogie und ich bin sehr interessiert zu sehen, ob die neue Interpretation einen ähnlichen Charm zu versprühen vermag.

Um das zu erreichen, muss die Serie allerdings nicht nur die Qualität der Filme erreichen. Sie muss besser werden – zumindest in einigen Aspekten, die besonders die Technik betreffen. Denn, machen wir uns nichts vor, auch an einer nahezu unerreichten Schlachtenkomposition in Helms Klamm oder Minas Tirith geht die Zeit nicht spurlos vorbei und einige visuelle Effekte können sich kaum noch mit heutigen Standards messen. Das soll bei weitem nicht heißen, dass man die Filme von Peter Jackson gar nicht mehr schauen kann – ganz im Gegenteil. Denn wenn die Filmcrew eines nahezu tadellos geschafft hat, dann ist es die Darstellung von kraftvollen und beeindruckenden Szenen, die auch im Jahr 2017 noch ihre Energie vom ersten Anschauen versprühen.

Selbiges gilt auch für die bereits erwähnte musikalische Untermalung. Kaum ein orchestrales Thema vermag es so präzise, die Welt von Mittelerde in ein stimmiges Tuch zu hüllen, das mal seicht und mal brachial mit unverkennbaren Melodien die Reise der Gefährten begleitet. Auch die furchteinflößenden Schreie der Nazgul oder die schelmisch-verrückte Stimme eines Gollum begeistern immer wieder durch facettenreichen Einsatz und punktgenaue Präsentation. Beispiele können hier wohl unzählige angebracht werden. Fakt ist jedenfalls, dass Der Herr der Ringe auch in Bereich Ton einiges auf dem Kasten hatte.

Für mich ist es derzeit noch ziemlich schwer vorstellbar, dass eine Serie diese hochgesteckten Anforderungen erreichen oder sogar toppen kann. Nicht nur, dass Jacksons Mittelerde famos aussah und dank der vielen Panorama-Aufnahmen der neuseeländischen Landschaften wohl für den einen oder anderen Desktop-Hintergrund verantwortlich war. Es hörte sich auch eben so gigantisch an und einige der zeitlosen Melodien finden sich noch immer in diversen meiner Playlists wieder. Ich traue Amazon hier einiges zu, aber einfach wird der mit vielen Hürden gespickte Pfad sicherlich nicht sein.

Ein weiterer diskussionswürdiger Punkt betrifft die reine Geschichte und die daraus resultierende Auswahl der Darsteller, die für meine Begriffe in Jacksons Trilogie passender hätte kaum sein können. Werden wir es mit einer einfachen Erzählung der gleichen Handlung wie schon in den Büchern zu tun bekommen oder lässt sich Amazon hier und da eigenen Interpretationsspielraum? Bestätigt ist bereits, dass die Serie schon vor dem eigentlichen Beginn der Bücher startet. Vielleicht gibt es also sogar ein Wiedersehen mit den Charakteren aus Der Hobbit.

Persönlich fände ich eine Perspektive von außenstehenden Bewohnern Mittelerdes, die den Weg Frodos und des Rings nur passiv beobachten, auch recht interessant. Beispielsweise könnte man die Bewohner Rohans begleiten, die das Eintreffen des weißen Zauberers beobachten und später dann nach Helms Klamm ziehen. Oder man sieht die Flüchtlinge aus Osgiliath, die mit Hab und Gut auf dem Rücken in die Stadt der Könige drängen, um sich vor den anrückenden Ork-Horden zu verschanzen. Die Möglichkeiten sind unbegrenzt. Sicherlich ist auch der derzeit angepeilte Weg einer Vorgeschichte, die dann wohl zwischen dem Hobbit und Der Herr der Ringe spielt, auf dem Papier interessant. Fraglich ist, ob das ganze dann ebenso episch wie die Filme werden kann. Und ob es das überhaupt sein will.

Die beste Serie aller Zeiten?

Abschließend bleibt eigentlich nur zu sagen, dass das Potential nahezu endlos ist. Wenn alles richtig läuft, könnte uns Amazon mit einer der besten Serien aller Zeiten beglücken. Das nötige Budget ist sicherlich vorhanden. Doch selbst, wenn vom Bild bis zum Ton alles perfekt ist – Fans von Der Herr der Ringe oder Game of Thrones werden sicherlich nicht leicht zu überzeugen sein. Ich bin guter Dinge, dass wir in den nächsten Monaten mit allerhand Informationen bezüglich der Handlung und den Visionen der Zuständigen konfrontiert werden. Erwartungsvoll bin ich jedenfalls jetzt schon und kann es kaum erwarten, nach den meiner Meinung nach zu oberflächlichen Hobbit-Filmen wieder in die tiefe Materie Mittelerdes einzutauchen und bin alles in allem sehr gespannt, was Amazon mit Der Herr der Ringe vor hat.