Like No Other – Ein (zu) kurzer Abstecher in die rätselhafte Einsamkeit

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Es gibt diese Spiele, die einen bestimmtes Konzept sehr gut umsetzen. Doch dann wird das besagte Konzept überreizt und der Spieler verliert an der Idee, die im Kern sehr unterhaltsam ist, die Lust durch Übersättigung. Auf der anderen Seite gibt es Spiele, die eben jenes Konzept nicht auszukosten scheinen und deutlich zu früh zu Ende sind. Es fühlt sich dann so an, als ob irgendetwas fehlt und man ist abermals nicht völlig zufrieden. Dass Spiele den Punkt, an dem sie vorbei sein sollten, kennen sollten, beweist Like No Other: The Legend Of The Twin Books. Was im Kern ein sehr gutes Spiel hätte sein können, entpuppt sich im Test aufgrund seiner Spielzeit als aktuell leider kaum empfehlenswert.

Kurze Spiele sind nicht im Kern schlecht. Als wir vergangenes Jahr Wind Peaks, welches wie Like No Other auch vom Indie-Team Actoon Studio entwickelt wurde, testeten, hatte ich folgendes zur Spieldauer zu sagen: „Dass das Abenteuer der Pfadfinder trotzdem nicht langweilig wird, liegt unter anderem auch daran, dass Wind Peaks mit rund zwei Stunden Spielzeit recht kurz ist und man es gut und gerne in einer Session beenden kann. Zu kurz fühlt sich das Rätseln dadurch aber beileibe nicht an. Das Ende erreicht der Spieler an einem meiner Meinung recht gut gewählten Zeitpunkt, an dem man sich noch nicht gänzlich am Stil sattgesehen hat und dennoch bereits eine Vielzahl an Leveln durchsuchen konnte.“ Wind Peaks überzeugte uns im Test also trotz seiner kurzen Spielzeit.

Like No Other beglückt uns nun abermals mit einem ähnlich hübschen visuellen Stil, verfeinert diesen und verleiht der Gameplay-Seite mehr Komplexität. Im Grunde hätte doch also alles passen müssen, nicht wahr?

Hinweis: Ein Review-Key von Like No Other: The Legend Of The Twin Books wurde uns zur Verfügung gestellt.

In Like No Other: The Legend Of The Twin Books schlüpfen wir in die Rolle des Abenteuer-Neulings Dan, der auf der Suche nach dem Original eines bestimmten Buches die verlassene Stadt Red Pines erkundet. Im Vergleich zum vorangegangenen Werk des Studios – Wind Peaks – fällt auf, dass spielerisch nun deutlich mehr Abwechslung geboten wird. Statt in traditioneller Point-and-Click-Manier ein digitales Wimmelbild zu lösen, erinnert Like No Other viel mehr an modernere Genrevertreter. Als Spieler ist man nicht mehr nur die über dem Spiel schwebende Entität, sondern übernimmt direkte Kontrolle über die Spielfigur. Als Dan muss man fortan diverse Rätsel lösen, die allesamt sehr abwechslungsreich gestaltet wurden und mit spannenden Ideen aufwarten.

Das Durchstreifen der fast schon postapokalyptisch wirkenden Gebiete macht viel Spaß – vor allem deshalb, weil der kunstvolle, handgezeichnete Stil voll ins Schwarze trifft und auf ganzer Linie überzeugen kann. Zum auch schon aus Wind Peaks bekannten Zeichenstil gesellen sich sehr gelungene Lichteffekte, die unterschiedliche Tageszeiten stimmungsvoll in Szene setzen und Schatten stilvoll präsentieren. Auch die Animationen überzeugen auf ganzer Linie. Sowohl die Umgebungseffekte als auch die Bewegungen der Spielfigur fügen sich toll in den visuellen Stil von Like No Other ein und schaffen eine in sich geschlossen wirkende Spielwelt. Die stark an Comichefte erinnernde Grafik überzeugt durch abwechslungsreiches Farbdesign, klare Konturen und ein in sich geschlossenes Gesamtbild auf ganzer Linie.

Auch in Sachen Audioqualität lässt sich Like No Other nicht lumpen. Besonders positiv hervorzuheben sich die Hintergrundgeräusche und die Vertonung der Hauptfigur, die jede Aktion mit passend gewählten Sprecher kommentiert. Dass das Spiel auch Humor beherrscht, zeigt die wundervolle Verwendung des klassischen „Auf Zehenspitzen gehen“-Sounds aus den Zeichentrickserien meiner Kindheit. Von solchen Momenten hätte ich mir deutlich mehr gewünscht. Und hiermit schlage ich nun gleich auch eine Brücke zu der Thematik, die Like No Other: The Legend Of The Twin Books in meinen Augen daran hindert, ein wirklich tolles Spiel zu sein: Es bietet quasi von Allem zu wenig.

Like No Other Fahrstuhl
Direktes Gameplay: Mit dem Gamepad lässt sich der Fahrstuhl kurbeln.

Wie lässt man die Spielzeit in eine Wertung einfließen? Dass kurze Spiele nicht automatisch schlecht sind, zeigt nicht zuletzt auch unser eingangs aufgegriffener Test zu Wind Peaks. Und über die Jahre hat sich meine Präferenz bei Spielen beim Thema Dauer durchaus auch verschoben. Wo früher das Mantra galt „Je länger, desto besser“ freue ich mich heute zum Teil auch darüber, ein Spiel in angemessener Zeit beenden zu können, anstatt mehrere hundert Stunden investieren zu müssen. Letzteres kann zuweilen sogar abschreckend wirken, so wie es in meinem Fall bei neueren Assassin’s-Creed-Teilen der Fall ist. Auch die klassische „1 € pro Stunde Spielzeit“-Formel lässt sich nicht überall anwenden. Oder bedeutet es dann im Umkehrschluss, dass die über 1800 Stunden, die ich in Dota 2 verbracht habe, gleichzusetzen sind mit einem unendlich guten Spiel?

Meiner Meinung  nach gibt es allerdings durchaus einen Sweetspot, was die Dauer eines Videospiels angeht. Wie in der Einleitung schon beschrieben, muss ein Spiel wissen, wann es seine Ideen präsentiert und entfaltet hat. Gameplaymechaniken zu erlernen und zu meistern macht solange Spaß, bis es in Arbeit ausartet und man in stundenlangem Grind versinkt, was generell zu sinkendem Spielspaß führt. Und genau diese Lernkurve kommt in Like No Other nicht einmal im Ansatz zustande, da die zwei Level definitiv zu wenig Inhalt bieten, um das Spiel komplett wirken zu lassen. Vielmehr kam es mir so vor, als ob ich lediglich einen Teaser gespielt habe. Die doppelte Spielzeit und damit wenigstens vier Umgebungen hätten dem Spielkonzept meines Erachtens nach sehr gut getan. Auch die wenig ausgestaltete Geschichte kann sich durch die geringe Dauer nicht entfalten und lässt den Spieler etwas verwirrt zurück.

Like No Other ist eigentlich ein sehr rundes Spiel. Die schöne Comic-Optik und das passende Sounddesign wirken durchdacht und das Gameplay macht Spaß. Auch die kleineren Fehler, wie zum Beispiel diverse seltsame Übersetzungen von Texten ins Deutsche – der englische „golf club“ wird wortwörtlich zum „Golfclub“ und nicht wie gewollt zum Golfschläger – können das Spielgefühl kaum trüben. Letztendlich ist die Spielzeit der ausschlaggebende Punkt, der Like No Other davon abhält, ein empfehlenswerter Titel zu sein. Persönlich finde ich das umso bedauerlicher, da ich bis zum plötzlichen Ende durchaus meinen Spaß hatte und gerne noch etwas mehr Zeit mit Dan verbracht hätte.

Like No Other Medusa
Die visuelle Varianz kann in Like No Other auf ganzer Linie überzeugen.

Mein Fazit zu Like No Other:

Like No Other: The Legend Of The Twin Books fühlt sich ein wenig so an, als würde man eine Einleitung spielen und dann auf einen Schlag gestoppt werden. Ich wurde jedenfalls nach dem Abspann das Gefühl nicht los, dass ich eigentlich nur die Demo gespielt hätte. Das Spiel ist schlicht und einfach deutlich zu kurz und kann damit sein Potential nicht entfalten. Sehr schade, denn im Grunde gibt es kaum etwas, das sich an der rein spielerischen Seite von Like No Other kritisieren muss.

Der ansehnliche visuelle Stil überzeugt mit einer klaren Bildsprache, hübschen Kulissen, einem guten Einsatz von Beleuchtung und sehr passenden Animationen, die wiederum mit klasse Sounds untermalt werden. Auch der Sprecher der Hauptfigur Dan bringt die witzig-abenteuerliche Stimmung wundervoll herüber. Gleichzeitig machen die wenigen Rätsel, die man im Verlauf der kurzen Handlung lösen muss, sehr viel Spaß und zeigen durch ihre abwechslungsreichen Anforderungen an den Spieler, dass viele weitere Herausforderungen möglich gewesen werden.

Schlussendlich zählt in einer Wertung der Spielspaß. Und der wird durch die kurze Spieldauer einfach zu abrupt nach unten gerissen, weshalb ich Like No Other: The Legend Of The Twin Books aktuell nur denjenigen empfehlen kann, die explizit ein unkompliziertes und abermals ziemlich kinderfreundliches Spiel suchen, das in weniger als zwei Stunden vorbei ist. Ich persönlich hätte sehr gerne weiter gespielt und mit dem auf seltsame Weise sympathischen Dan zusätzliche Ecken der interessanten Welt erkundet.