Bin ich der Einzige, der die beiden Spiele Outer Wilds und The Outer Worlds andauernd verwechselt? Das eine ist ein Indie-Abenteuer, in welchem man in einem Sonnensystem in einer Zeitschleife gefangen ist, das andere bietet klassisches Rollenspiel-Gameplay im Stil von Fallout. Die Namensgebung ist aber auch verflucht unglücklich – besonders deshalb, weil beide Spiele auch noch recht nah beieinander erschienen sind. Im folgenden Beitrag geht es um The Outer Worlds – das Rollenspiel, das nicht nur seinen generellen Spielfluss an Fallout anlehnt. Denn das Entwicklerstudio ist für den fantastischen New-Vegas-Teil der Reihe verantwortlich. Mit The Outer Worlds legt Obsidian Entertainment insbesondere beim Ausgestalten der Welt mithilfe seiner Begleit-Charaktere eine ordentliche Schippe drauf und verdeutlicht, wie gute NPC-Einbindung in Dialogen funktionieren kann.
Nach The Elder Scrolls IV: Oblivion und Fallout 3 konnte mich Fallout: New Vegas damals auf der PlayStation 3 nicht sonderlich überzeugen. Das Spiel hatte einfach zu viele Bugs auf der Plattform und lief ziemlich unrund, weshalb ich schnell die Lust verlor. Erst viel später – genauer gesagt ganze zehn Jahre nach seiner Erstveröffentlichung – konnte mich New Vegas in seinen Bann ziehen. So sehr, dass es für mich wie für viele andere auch zu einem der besten Rollenspiele aller Zeiten wurde! Im Artikel „Die Macht der verzögerten Freiheit: Wodurch Fallout: New Vegas den Einstieg meistert“ gehe ich auf einen der Hauptgründe ein, der das Spiel meiner Meinung nach so empfehlenswert macht.
Losgelöst von der Fallout-IP versucht sich das New-Vegas-Entwicklerteam mit The Outer Worlds nun an einem gänzlich neuen Universum. Diesmal erkunden wir nicht die Postapokalypse der Mojave-Wüste, sondern ein ganzes Sonnensystem. Persönlich fand ich das Setting schon bei den ersten gezeigten Bildern sehr cool, wurde jedoch durch die Tatsache ein wenig verschreckt, dass das Spiel keine direkte Open World bot. Vielmehr gibt’s in The Outer Worlds einzelne Hub-Welten, zwischen denen man im Laufe der Handlung hin- und her reisen kann. Die fehlende Open World war auch der Grund, dass ich The Outer Worlds erst jetzt ausprobierte – das Spiel ist inzwischen im Xbox Game Pass enthalten. Und ich bin sehr froh, dass ich dem Spiel eine Chance gegeben habe. Denn insbesondere das Gestalten einer glaubwürdigen Welt mithilfe der Nebenfiguren ist unglaublich gut gelungen!
Was macht gute Begleiter in Videospielen aus? Ist es die simple Tatsache, dass sie schlicht und einfach nicht nerven? In deutlich zu vielen Spielen bin ich tatsächlich darüber schon froh. Allzu oft hat man es nämlich mit strohdummen Gestalten zu tun, die sich an Häusern und kleinsten Kanten verhaken, in Wäldern an kleinen Hügeln scheitern oder einfach blindlings in einer Gegnergruppe stürmen, obwohl man den Abschnitt doch viel lieber unentdeckt im Stealth-Modus schaffen wollte. Es gibt sicherlich unzählige Beispiele dafür, wie dämliche Begleiter die Lust am Spielen mindern. Besser ist da schon die Sorte von Begleitern, die einfach nicht stört und im Optimalfall vielleicht ab und an sogar hilfreich ist. Elizabeth aus BioShock Infinite kommt mir hierbei sofort in den Sinn. Während der schnellen Schusswechsel hält sie sich in der zweiten Reihe im Hintergrund auf, kann auf Wunsch an bestimmten Punkten die Umgebung verändern und wirft dem Spieler Munition zu. Zu einem richtigen Charakter wird sie allerdings erst abseits des eigentlichen Gameplays in den Zwischensequenzen.
Wirklich meisterlich löst die Art von Spiel die Implementierung von Begleitern, in denen sie sich nicht wie leere Hüllen eines austauschbaren NPC-Skins verhalten, der einem hinterherwatschelt und ab und an schießt. Und The Outer Worlds schafft genau das – es verleiht den Begleitern Charaktertiefe und verdeutlicht immer wieder, dass jede der Figuren ihren eigenen Willen, Wünsche, Ziele und Motivationen hat. Einfach menschlich wirkt. Statt also einfach nur im Kampf mitzuwirken und mehr schlecht als recht Gegner zu attackieren, fungieren die Nebenfiguren auch als Anker in der Welt, die den Spieler noch mehr in das Abenteuer hineinziehen. Hier schlägt The Outer Worlds gleich zwei Fliegen mit einer Klappe. Zum einen wird die völlig fremde Welt greifbarer, weil sie von den Begleitern an vielen Stellen subtil erklärt wird. Zum anderen fühlt sich die Hauptgeschichte und Nebenaufträge deutlich glaubwürdiger an, weil beide von den Begleitern wortwörtlich begleitet werden.
Die Integration der Nebenfiguren als fundamentales Element des Spiels geschieht dabei auf mehrere Arten. Erstens reden die Begleiter gerne und oft mit dem Spieler, der sie als Captain in seine Crew aufgenommen hat. Die verschiedenen Figuren geben dabei hilfreiche Tipps zur Umgebung, staunen einfach über ihnen unbekannte Architektur oder treten dem Spieler auch mal verbal entgegen, wenn ihnen eine Entscheidung nicht passt. Punkt Nummer zwei kommt besonders dann zum Tragen, wenn man mit Questgebern oder anderen wichtigen Personen in der Welt spricht und Begleiter dabei hat. Dann nämlich schalten sie sich auch gerne mal ins Gespräch ein, glänzen mit ihrer jeweiligen Expertise oder tun ihre Meinung kund. Sie geben dabei Anreize zum Lösen von Problemen, streuen Ideen ein und äußern ihren Standpunkt zum Geschehen. Der dritte Punkt dient insbesondere der Auflockerung und dem Näherbringen der Spielwelt. Als Captain kann man jederzeit zwei Begleiter mit von Bord seines Schiffes mit auf Streifzüge in den unterschiedlichen Gebieten nehmen. Dabei sprechen die Figuren auch gerne einmal ohne Zutun des Spielers miteinander und reden dabei beispielsweise über eine bestandene Herausforderung oder über die Umgebung im Allgemeinen. Dieser Smalltalk verleiht den Mitstreitern zusätzlichen Charakter und macht sie sehr schnell zu glaubwürdigen Persönlichkeiten, ohne dabei den eigentlichen Spielfluss zu unterbrechen.
Während die Gespräche mit und von den Begleitern schon sehr stark zu deren Charakterisierung beitragen, sorgen sie auch im direkten Dialog mit dem Spieler für zusätzliche Tiefe. Denn jeder der fünf Mitstreiter, die man als stolzes Crewmitglied der (Un)Reliable anheuern kann, wartet mit einer speziell zugeschnittenen Questreihe auf, die das Bild der jeweiligen Figur zusätzlich formt. Parvati beispielsweise hat sich in eine Mechanikerin auf einer großen Raumstation verguckt und weiß nicht so recht, wie sie die Sache mit einem ersten Date anstellen soll. Folglich helfen wir bei der Organisation des perfekten ersten Treffens und lernen so ganz nebenbei unsere Begleiterin besser kennen. Ähnlich verhält es sich mit den anderen Gruppenmitgliedern – jedes hat eine passend in die Geschichte und Welt eingewebte persönliche Aufgabenreihe, die beim Verstehen der Figur und ihrer Motivationen hilft. Dabei wird in vielen Situationen seitens der Charaktere darauf hingewiesen, dass ihr persönliches Anliegen nicht oberste Priorität haben sollte, da die Hauptaufgabe doch viel wichtiger sei. Hierdurch wird zusätzlich Atmosphäre geschaffen, da die Mitstreiter so ihren Dienststatus an Bord verdeutlichen und auf alleinige Aufmerksamkeit verzichten.
Die vielen Gespräche der Begleiter untereinander, mit anderen NPCs oder direkt mit dem Spieler sorgen insgesamt für eine sehr gelungene Vermenschlichung ihrer Figuren, die ich so bisher noch kaum in einem Videospiel erfahren durfte. Klar, auch die Begleiter in Fallout: New Vegas waren klasse und hatten eigene Persönlichkeiten. Sie waren allerdings nicht im Ansatz so detailreich ausgestaltet, wie es hier in The Outer Worlds nun der Fall ist. Statt auf klassische Questgeber-Manier stumpf den Aufgabentext herunterzuplappern und ansonsten kaum Eigenleben zu haben, sorgen die Mitstreiter an Bord und in der Welt gleichermaßen mit Humor, Intelligenz und speziellen Charakterzügen für ein stimmiges Gesamtbild und erwecken die Spielwelt zum Leben. Alles wirkt durch sie greifbarer, alles wirkt durch sie mehr wie aus einem Guss.
Auch abseits der umfangreichen Sprachfähigkeiten bindet The Outer Worlds seine Begleiter ins Gameplay ein. So kann man beispielsweise bei der Verteilung seiner Skillpunkte schon von Anfang an eher einen Lone-Wolf-Build umsetzen, der den Spieler stärkt, wenn er alleine unterwegs ist, oder aber auf Teamstärke setzen. Letzteres ist auf jeden Fall zu empfehlen, denn sonst entgehen einem die unzähligen Anekdoten und Hinweise, die während des Abenteuers durch die Begleiter herausposaunt werden. Zusätzlich zum eigenen Skillset sind auch Verbesserungen der Fähigkeiten je nach Stärke des Begleiters mit von der Partie. Zum Beispiel erhöht man mit der oben bereits erwähnten über beide Ohren verknallten Parvati seinen Schlösserknacken-Skill , sobald man sie mit auf eine Mission nimmt. Da man stets nur zwei Begleiter mitnehmen kann, gilt es hier zuweilen auch abzuwägen, wessen Fähigkeiten wohl demnächst gebraucht werden. Man ärgert sich dann natürlich umso mehr, wenn man in einer der nachfolgenden Situationen das Gefühl hat, dass ein anderer Begleiter hier deutlich wichtigere Infos hätte beisteuern können oder eine gewisse Skillverbesserung ausschlaggebend gewesen wäre – an dieser Stelle erhöht The Outer Worlds also auch alleine schon durch seine umfangreich ausgestalteten Begleiter den Wiederspielwert.
Mein Fazit zu The Outer Worlds:
Begleiter in Videospielen sind immer so eine Sache. In World of Warcraft sind Eskortier-Missionen beispielsweise besonders lästig, da die Geschwindigkeit der hilfsbedürftigen Person andauernd viel zu langsam ist. In anderen Spielen stimmt die Wegfindung nicht und wieder andere machen sie durch nervige Mechaniken einfach zum Ballast, ohne den man viel mehr Spaß hätte. Es ist also bezeichnend, dass ich als ersten Perk bei The Outer Worlds auch die Verstärkung meiner Figur ohne Begleiter auswählte. Ich hatte eigentlich vor, dass Spiel als einsamer geldgieriger Söldner zu bestreiten.
Natürlich bin ich sehr froh, dass ich das schlussendlich nicht gemacht habe – schon die erste Anfrage eines NPC, mich auf meinen Reisen durch das Sonnensystem zu begleiten, habe ich angenommen. Zu sympathisch war mir die Figur, zu interessant die Geschichten, die sich aus der Partnerschaft ergeben sollten.
The Outer Worlds meistert die Integration seiner Begleiter in das Spiel vor allem durch vielseitige und tolle Dialoge, die die Mitstreiter menschlicher und zu wirklich authentischen Mitgliedern einer Raumschiff-Crew werden lassen. Deren Einfluss auf das Worldbuilding kann man dem Spiel gar nicht hoch genug anrechnen. Ich empfehle jedem, der The Outer Worlds bisher aus welchen Gründen auch immer ignoriert hat, noch einmal zu evaluieren. Für mich persönlich ist das Abenteuer nämlich sehr schnell zu einer wirklich fantastischen Rollenspiel-Erfahrung mit wunderbar geschriebenen (Neben-)Figuren geworden.
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