Assassin’s Creed Odyssey: Das Kredo auf Irrfahrt

Assassin's Creed Odyssey Banner

In den nun mehr als zehn Jahren, in denen ich mir Videospiele zu Gemüte führe, habe ich wahrlich noch nie einen Spieletitel so bezeichnend gefunden, wie “Assassin’s Creed Odyssey”. Natürlich zielt dieser eigentlich auf den berühmten Epos des griechischen Dichters Homer ab. Doch eine Odyssee – laut Duden eine “lange, mit vielen Schwierigkeiten verbundene, abenteuerliche Reise” – beschreibt auch ziemlich treffend den Weg, den das Assassin’s Creed Franchise in der Vergangenheit zurückgelegt hat. Leider muss man dabei eingestehen, dass viele der Widrigkeiten, denen sich die Spielereihe ausgesetzt sah, nicht auf den Zorn der Götter, sondern auf Fehlentscheidungen des Publishers Ubisoft zurückzuführen sind. Ob Odyssey als Spiel überzeugen kann und ob die Irrfahrt, welche das Assassin’s Creed Franchise in den letzten Jahren hinter sich gebracht hat, langsam auf ein Ziel zusteuert, damit wird sich dieser Beitrag befassen. 

Vorweg möchte ich eines klarstellen – Ich bin ein Assassin’s Creed Fan der ersten Stunde und aus meiner Sicht ist es streitbar, ob Odyssey überhaupt den Titel “Assassin’s Creed” tragen sollte. Denn die Reihe entfernt sich immer weiter von ihren Wurzeln. In Odyssey gibt es kaum mehr klassische Stealth-Aspekte, historische Genauigkeit weicht Mythologie und von Assassinen oder Templern fehlt jede Spur. Teilweise gab es diese Kritikpunkte auch schon bei vorherigen Ablegern der Reihe, Odyssey stellt aber einen neuen Tiefpunkt in dieser Entwicklung dar.

Die Handlung von Assassin’s Creed Odyssey setzt in der legendären Schlacht der 300 ein, welche gleichzeitig auch als Tutorial fungiert. Ubisoft gelingt es hier einmal mehr, uns epische Momente aus der Weltgeschichte auf spannende Weise zu präsentieren. Dabei bleibt zwar die Diskrepanz, dass der große Leonidas letztlich kämpft wie der Anfänger, welcher ihn steuert. Ein guter Einstieg ins antike Griechenland gelingt aber dennoch. Als nächstes folgt ein großer Umbruch. Wir finden uns als junger Taugenichts – und je nach Wahl als Alexios oder Kassandra – auf einer kleinen Insel Griechenlands wieder. Auf dieser leben wir mit unserem Ziehvater, für den wir regelmäßig Aufträge erfüllen und ihm dabei nicht selten aus der Patsche helfen müssen.

Einer dieser Aufträge führt uns letztlich zu unserem leiblichen Vater und die eigentliche Geschichte beginnt. Denn Odyssey erzählt eine Familiengeschichte vom Versuch unseres Protagonisten, seine Familie wieder zu vereinen. Ob dies gelingt, möchten wir nicht vorwegnehmen. Es sei aber angemerkt, dass Odyssey ein Rollenspiel ist und wir mit unseren Entscheidungen den Ausgang der Handlung beeinflussen. Das dies ein Novum in der Assassin’s Creed Reihe darstellt, spürt man deutlich. Viele Entscheidungen sind klare Gegensätze und ihre Folgen daher sehr vorhersehbar. Es wirkt, als wollte Ubisoft sicherstellen, dass Spieler die Handlung strikt nach ihren Wünschen gestalten können, mit der Folge, dass überraschende Momente oder unvorhersehbare Wendungen nicht auftreten.

Das Gameplay von Odyssey baut stark auf dem Vorgänger Origins auf. Das Kampfsystem fühlt sich aber besser und flüssiger an, was vor allem an neuen Kombos und komplexeren Angriffsmöglichkeiten liegt. Unterstützt wird dies durch neue Fähigkeiten, die aber im verwirrend strukturierten Fähigkeitenbaum unterzugehen drohen. In Kämpfen wird aber auch einer der größten Fehler von Odyssey deutlich. Gegner – von wilden Wölfen über Soldaten bis hin zu Endbossen – stecken viel zu viel Schaden ein. In Koop-Shootern würde man von Bullet-Sponges sprechen, nur leider kämpfen wir in Odyssey mit Schwert und Bogen und das allein. Dadurch ziehen sich Auseinandersetzungen mit Gegner meist unnötig in die Länge und machen nach kurzer Zeit kaum noch Spaß. Gerade in langwierigen Bosskämpfen stellt sich dies als untragbares Problem dar, da jede Freude am Spiel dem Gefühl weicht, nichts weiter zu tun als Zeit zu vergeuden. Den Vorwurf, dies sei von Ubisoft absichtlich so gewählt, um den Kauf von Upgrades durch Mikrotransaktionen zu fördern, lasse ich an dieser Stelle unkommentiert.

Assassin's Creed Odyssey Schiff

Einen weiteren Kritikpunkt sehe ich in der Notwendigkeit, Nebenquests erledigen zu müssen, um genug Erfahrungspunkte zu sammeln, damit man in den Hauptquests bestehen kann. Dies wirft den Spieler unnötig aus der Haupthandlung und Spiele wie The Witcher 3 haben gezeigt, dass dies auch anders geht.

Das Schiffsgameplay hat mich dagegen positiv überrascht. Im Vergleich zu den langwierigen Kämpfen an Land waren die Gefechte auf dem Wasser kurze und spannende Abwechslungen. Unterstützt wurde das Ganze dadurch, dass wir nur einen relativ kleinen Teil des Spiels auf hoher See verbringen mussten – anders als noch in Assassin’s Creed IV: Black Flag.

Aussagen über den Umfang von Odyssey zu treffen fällt mir außerordentlich schwer. Denn dem Spieler wird sehr viel geboten, vielleicht schon zu viel. Die Story war besonders durch das zwanghafte Leveln abseits der Hauptmissionen in meinen Augen zu lang. Auch führten diese Pausen in der Handlung dazu, dass die Geschichte weniger fesselnd beim Spieler ankommt. Überzeugt hat aber die Spielwelt. Odysseys Version von Griechenland ist stimmig und detailliert gestaltet. Trotz der riesigen Größe sind die einzelnen Gebiete abwechslungsreich und einladend. Die Grafik ist ok, hat sich aber im Vergleich zu Origins kaum weiterentwickelt. Der Soundtrack passt gut zum Setting, ist aber im Vergleich mit denen anderer Assassin’s Creed Teile weniger einprägsam.

Assassin's Creed Odyssey Statue

Mein Fazit zu Assassin’s Creed Odyssey:

Assassin’s Creed Odyssey lässt den Spieler eine riesige und abwechslungsreiche Version des antiken Griechenland entdecken. Der Umfang bietet mehr als hundert Stunden Spielspaß und das vollständige erkunden der Karte gleicht einer Mammutaufgabe. Die neuen rollenspieltypischen Entscheidungsmöglichkeiten sehe ich kritisch und als mitverantwortlich für die wenig fesselnde Handlung. Entwickler Ubisoft Quebec erzählt nach Syndicate erneut eine Familiengeschichte und scheitert zum wiederholten Male daran, eine spannende Story samt interessanter Charaktere zu erschaffen. Unterm Strich bietet Odyssey viele fesselnde Stunden und dies trotz der ewig andauernden Kämpfe. Selbst eingeschworene Fans von Assassin’s Creed sollten sich über den Wandel der Reihe bewusst sein. Zu empfehlen ist es in meinen Augen daher nur Leuten, die sich von einem Open-World-Spiel im alten Griechenland angesprochen fühlen.

Assassin’s Creed Odyssey wurde von mir im Dezember 2018 auf der Xbox One S getestet.

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