Assassin’s Creed Mirage und wieso weniger manchmal mehr sein kann

Wenn ich darüber nachdenke, fällt es mir schwer zu glauben, dass nach Assassin’s Creed Valhalla aus 2020 ganze drei Jahre vergangen sind, bis ein neuer Hauptteil der Reihe erschienen ist. Denn für das Franchise, das teilweise jährlich große Releases brachte, ist das ein Novum. Noch ungläubiger war ich dann, als angekündigt wurde, es sei nur ein Spin-Off mit begrenztem Umfang und es zum Budget-Preis in den Verkauf ging. Vermutlich wusste man bei Ubisoft aber exakt, was man tat, denn von der Ankündigung an war mein Interesse direkt geweckt.

Verortet ist die Geschichte im Bagdad des neunten Jahrhunderts und Basim, der uns schon aus Valhalla bekannt ist, sollte die Hauptrolle einnehmen. Ich glaube, dieser Schachzug des Entwicklerstudios war gut kalkuliert im Hinblick auf einen Protagonisten, über den die Fans noch deutlich mehr wissen wollten und das Setting im Nahen Osten, das treue Fans wie mich mit einer Menge Nostalgie erfüllt. Ob daraus ein gutes Spiel geworden ist oder das Ganze nur ein schneller Taler für den Publisher war, darauf gehe ich in dieser Review ein.

Assassin’s Creed Mirage spielt wie eingangs erwähnt im Bagdad des neunten Jahrhunderts und damit vor den Ereignissen von Valhalla. Wir wissen also bereits, wie die Geschichte des Protagonisten Basim zukünftig weitergehen wird, aber nicht wie er sich zu dem Charakter entwickelt hat, den wir in Valhalla kennengelernt haben. Die Handlung setzt ein, als Basim als junger Taschendieb die Straßen von Bagdad unsicher macht. Als eines Tages einer seiner Einbrüche schief geht, gerät Basim an die Assassinen. Diese nehmen den Jungen in ihre Reihen auf und bilden ihn über Jahre in ihrer Festung in Alamut in ihren Künsten aus. Als sich einige Jahre später der Orden der Ältesten (die Vorgänger der Templer) beginnen in Bagdad auszubreiten, bricht der inzwischen erwachsene Basim mit seiner Mentorin Roshan in die Stadt auf, um dieser Entwicklung auf den Grund zu gehen. Tiefer möchte ich an dieser Stelle nicht auf die Story eingehen, aber durch diesen kurzen Abriss einordnen, um was es in diesem Teil der Assassin’s-Creed-Reihe grob geht.

Das beschriebene Intro fügt sich gut ins Gameplay ein. So beginnt Basim im Orden als Novize und muss sich langsam im Rang nach oben arbeiten. Durch die in Aufträgen gesammelten Erfahrungen erarbeitet er sich neue Fähigkeiten und durch das Erforschen neuer Gebiete kann er Rohstoffe sammeln, um neue Gerätschaften und Waffen für sich anfertigen zu lassen. Gleichzeitig muss man kritisch genug sein, um anzumerken, dass es nach über zehn Teilen immer schwieriger wird, Intros zu gestalten, die sich von denen der anderen Teile abheben. Der Grad zwischen “Oh no” und “Hell yeah” vor dem “Here we go again” ist wahrlich schmal.

Große Neuerungen im Gameplay gibt es nicht und Änderungen beschränken sich eher auf Kleinigkeiten. Nachdem die letzten Teile dafür kritisiert worden sind, sich immer weiter vom Stealth-Thema wegzuentwickeln, wollte man gegensteuern und eher zurück zum Schattendasein eines Assassinen. Dies ist nur bedingt gelungen und eher oberflächlicher Natur.

Ein guter Schritt ist die Streichung der RPG-Elemente. Man spielt nun wieder einen eigenständigen Charakter mit seinen Eigenschaften. Verschwunden sind die Auswahl von Geschlecht und die Antwortmöglichkeiten in Dialogen. Ein Schritt zurück – aber ein Schritt in die richtige Richtung, da diese beiden Punkte in meinen Augen die Persönlichkeiten der vorherigen Protagonisten geschwächt und begrenzt haben. Das macht die Story nicht wirklich besser, aber Basim als Protagonist konnte mich auf Anhieb mehr fesseln als Kassandra oder Eivor zuletzt.

Ansonsten finden wir im Gameplay viel Bekanntes vor: Aussichtspunkte müssen erklommen werden, Sammelgestände aufgespürt und kleine Rätsel gelöst werden, um Schätze zu finden.

Die angesprochenen kleinen Änderungen fallen wirklich mager aus haben aber dennoch einen Impact den ich als Dauerfan, welcher alle Teile gespielt hat, positiv hervorheben möchte. Die Aussichtspunkte bedürfen beim Erklimmen tatsächlich ein wenig Denkanstrengung und es muss der richtige Vorsprung für den nächsten Griff gefunden werden. Das war zwar lange Zeit Standard innerhalb der Reihe, verkam in den letzten Teilen aber immer mehr zu einem Gedankenlosen halten des Klettern-Buttons, bei dem sich die Spielfigur scheinbar an allem festhalten konnte. Bei den Nebenaufträgen kommt es außerdem zur Rückkehr der optionalen Missionsziele, welche auf Wunsch einen höheren Schwierigkeitsgrad geben und bei Erfüllung Belohnungen in Form von zusätzlichen Ressourcen auslösen. Generell bietet Mirage deutlich mehr Anreize, wirklich verdeckt zu agieren und wie ein echte Assassine zu spielen. Ich kann dabei aber nur schwer einschätzen, woran dies genau liegt. Ob an Gameplay-Elementen, wie dem Untertauchen in Menschenmengen und dem Vorhandensein von vielen Verstecken? Oder aber eher an dem Setting in einer dicht besiedelten Stadt und flachen Dächern, über welche man ideal Ziele verfolgen kann?

Der Umfang ist merklich kleiner als bei den letzten drei Vorgängern, wobei schon ein Blick auf die Karte genügt, um diese Einschätzung zu treffen. Gleichzeitig gibt es mit Bagdad wieder eine große Stadt, die sich auch wie eine pulsierende Metropole anfühlt. Einen solchen Handlungsschauplatz hatten wir seit London aus Assassin’s Creed Syndicate nicht mehr. Es gibt insgesamt auch weniger Waffen und Ausrüstung und deutlich weniger Customization-Items. Dies ist in meinen Augen aber positiv hervorzuheben, denn die vorhandene Auswahl war ausreichend und man konnte so auch wirklich die verschiedenen Waffen und Gegenstände ausprobieren. Das überfüllte Inventar mit hunderten mehr oder weniger gleichen Waffen, die sich wie in den Vorgängern nur minimal unterscheiden, gibt es nicht.

Die wie angesprochen eher kleinere Karte ist relativ schnell erkundet, denn abseits vom großen und abwechslungsreichen Bagdad gibt es nur eine Handvoll anderer Orte. Die Handlung nimmt ca. 15-20 Stunden in Anspruch. Das wirkt auf den ersten Blick recht kurz, ist aber deutlich besser als um die 80 bis 100 Stunden wie in Valhalla, bei dem sich die Story irgendwann nur noch wie eine belanglose Qual anfühlte. Speziell in diesem Vergleich wird mir klar, dass ich lieber eine kürzere, aber in sich geschlossene Handlung bevorzuge, als eine endlose Erzählung, durch die ich mich irgendwann nur noch durchquäle, um irgendwann ein “Ende” zu erreichen.

Die Narrative ist in ihrer Inszenierung dabei nicht besonders, aber immerhin unterhaltsam genug, damit ich aktiv darauf achtete. Denn wie bereits erwähnt, führte die überzogene Länge der Handlung bei Valhalla irgendwann dazu, dass ich aufhörte, wirklich aufzupassen und den Handlungssträngen aktiv zu folgen. Ehrlicherweise muss man auch konstatieren, dass die Geschichte von Mirage anfangs überrascht, aber bei späterem Nachdenken doch einige Logiklücken offen lässt. Alles in allem wurde ich aber gut unterhalten und dankbar, mehr über Basim erfahren zu haben.

Ich bin zuvor bereits auf das Gameplay eingegangen, möchte aber an dieser Stelle noch einmal klar betonen, dass dieses trotz kleiner Änderungen den drei Vorgängern Origins (2017), Odyssey (2018) und Valhalla (2020) letztlich gleicht. Und auch wenn diese Formel nach all der Zeit langsam mehr als aufgebraucht ist, fand ich die Repetition bei Mirage deutlich weniger schlimm. Es macht eben einen Unterschied, ob man jährlich das gleiche vorgesetzt bekommt, oder doch ein bisschen Zeit zwischen dem Erscheinen der Teile vergangen ist.

Bei Grafik und Sound hebt sich Mirage ebenfalls nicht besonders von den Vorgängern ab. Alles ist stimmig und schön aber auch nicht wirklich neu oder besonders. Außerdem machte sich bei mir das Gefühl breit, dass Assets aus Origins, welches ein ähnliches Wüstensetting hatte, wiederverwendet wurden. Nichtsdestotrotz ist das Spiel schön anzuschauen und man fühlt sich immersiert in einer stimmigen Spielwelt. Es fehlt nur am Wow-Faktor.

Der Soundtrack passt gut zum Setting und macht nichts falsch. Auch hier baut man auf bekannten Klängen aus den Vorgängern auf, allerdings war der Soundtrack von Assassin’s Creed stets solide, weshalb ich mich auch nicht an der zehnten Variation von “Ezio’s Family” störe. Den Titelsong steuert dabei sogar die Pop-Band OneRepublic bei. Um Musik zu kritisieren, fehlt es mir definitiv an Expertise, aber ich finde es doch generell interessant, dass Videospiele inzwischen ähnlich wie Filme bereits seit langem Titelsongs von bekannten Interpreten bekommen.

Mein Fazit zu Assassin’s Creed Mirage:

Kleiner, kürzer, längere Wartezeit – klingt alles negativ, aber genau das macht Mirage besser als seine Vorgänger. Insgesamt ist es auch ohne den direkten Vergleich innerhalb der Reihe ein gutes Spiel. Selbstverständlich kann man auch debattieren, ob mit Blick auf den Umfang und die Repetition im Gameplay die angesetzte Reduzierung des UVP ausreicht. Ich war aber zufrieden mit dem Gesamtprodukt Assassin’s Creed Mirage.

Insgesamt bin ich froh es gespielt zu haben, froh das Setting erlebt und mehr über Basim erfahren zu haben. Die angesprochenen wirklich kleinen Änderungen gehen zumindest in die richtige Richtung. Ich würde vermutlich sogar alle zwei bis drei Jahre einen solchen Ableger spielen wollen. Lieber etwas kleiner, kürzer und recycelter als ermüdend und ewig in die länge gezogene Spiele wie Valhalla und Odyssey. Natürlich war dieser Ableger auch gefüttert mit einer Menge Fan-Service, aber vielleicht lässt sich dieser mit solchen kleineren Releases besser stillen.

Ist Mirage jetzt nun gut oder einfach weniger schlecht als Valhalla und Odyssey? Aus Sicht eines Fans, welcher alle Ableger der Assassin’s Creed Reihe gespielt hat, liegt die Antwort irgendwo dazwischen. Ich würde unter den genannten Titeln definitiv Mirage vorziehen, speziell wenn man nicht unbegrenzt Zeit hat. Das Spiel und die Handlung sind in sich schlüssiger und besser als bei den direkten Vorgängern, wenn auch merklich schwächer als beispielsweise Assassin’s Creed II, Revelations oder Origins.

Wenn ich nach einer Kaufempfehlung gefragt werden würde, würde ich dazu raten, in einem Deal zuzuschlagen oder bei generellem Interesse an einem aktuellen Assassin’s Creeds, Mirage gegenüber Valhalla oder Odyssey vorzuziehen.