Throne and Liberty: Warum Schönheit manchmal eben doch (fast) alles sein darf

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Wer nicht leiden will, muss schön sein! Es herrscht Krieg auf dem umkämpften Markt der Videospiele! Insbesondere als neues MMORPG muss man heutzutage auffallen, um nicht sofort ein kurzlebiges Nischendasein zu fristen und nach wenigen Monaten als gescheitert zu gelten. Throne and Liberty vom namhaften Entwicklerteam NCsoft, die unter anderem für die Guild-Wars-Reihe bekannt sind, überzeugt beim ersten Anspielen mit einigen Qualitäten. Eine fällt sehr schnell auf: Das Spiel ist schlichtweg wunderschön anzuschauen!

Das klare Wasser des Meeres schwappt an die modrigen Balken am Dock, Holzkräne ragen empor und massive Gebäude aus Stein zieren den Blickhorizont des Hafenbereichs. Es wimmelt hier nur so vor Spielercharakteren. Der endende Tag sorgt unter dem aufgehenden Mond für bläulich-nebliges Licht. Auf dem Weg durch die Straßen und Gassen vorbei an kleinen Läden, lebendigen Tavernen und schön gestalteten mittelalterlichen Wohnhäusern verliert man sich in den vielen kleinen und großen Details der ersten Stadt, die man in Throne and Liberty nach dem Tutorial aufsucht. „Mensch, sieht das gut aus!“, dachte ich mir und setzte meine Erkundungstour fort. Das erstmalige Durchstreifen der Hafenstadt sollte nicht der letzte Moment bleiben, in welchem mir die Schönheit von Throne and Liberty zeigte, wie unfassbar gut virtuelle Welten im Jahr 2024 aussehen können.

Dem Entdeckerdrang kommt zugute, dass die Spielfigur direkt zu Beginn über drei verschiedene Tierformen verfügt – eine zum schneller Laufen, eine zum Gleiten und eine zum Schwimmen. Mithilfe der stets verfügbaren druidenähnlichen Verwandlungen lässt sich die Welt von Throne and Liberty noch einmal besser erkunden als zu Fuß. Zieht man sich etwa an einem orangenen Haken, wie sie in der Welt überall verteilt sind, nach oben und verwandelt sich danach direkt in einen Adler, kann man elegant über die Dächer der Stadt hinweg gleiten und in der Ferne neue interessante Orte ausfindig machen. Beim Erreichen der vorgelagerten Inseln hilft dann natürlich die Form eines flinken Otters, der blitzartig durchs Wasser gleitet. Selbstverständlich lassen sich im Laufe des Spiels viele neue Gestalten freischalten, Sammler werden viel Spaß haben.

„So muss ein MMORPG im Jahr 2024 aussehen!“

Videospiele sind allen voran ein visuelles Medium. Das „Sehen“ steckt ja schließlich bereits im Namen. Die Handlung kann noch so fesseln, das Gameplay noch so unterhaltsam sein – wenn die Optik nicht stimmt, springen viele Spieler schnell ab. Dabei kommt es nicht darauf an, eine möglich realistische Grafik umzusetzen. Schön können auch Spiele sein, die eine schlichte aber in ihrer Art kunstvolle Gestaltung wählen. Stimmigkeit und Stilsicherheit sind wichtiger als Realismus, dies zeigen nicht zuletzt Titel wie Pentiment, The Witness oder Hollow Knight. Und dennoch kann Schönheit zuweilen auch darin liegen, möglichst echt wirkende Umgebungen zu schaffen. Keine Nachbildungen unserer reellen Welt, aber glaubhafte Fantasiewelten – so, wie die von Throne and Liberty.

Nach einigen Quests in der Hafenstadt führten mich meine Aufgaben ohne Ladeunterbrechung völlig nahtlos in die nähere Umgebung, die von ausschweifenden Weizenfeldern und kleinen Bauernhöfen gesäumt ist. Auf dem Weg dorthin überquere ich noch einmal den Hauptplatz der Stadt, die Fachwerkhäuser mit ihren grün bewachsenen Balkonen, die dichte Vegetation entlang der Stadtmauer und das seichte Sonnenlicht, das im Morgengrauen die Umgebung in einen goldgelben Schein hüllt, haben es mir einfach angetan. Längere Distanzen überwinde ich per Sprint in Wolfgestalt. Auf den Feldern des Bauernhofes geht es dann nicht mehr ganz so friedlich zu – hier kloppen sich bereits unzählige Spieler mit den lokalen Gegnern. Überall kracht und scheppert es! Schwerter klirren mit ordentlich Kraft und die Zaubersprüche der Magier lassen feurige Farben erglühen.

Throne and Liberty Wrack
Nahtlose Spielwelt: Alles, was man sieht, kann man ohne Ladepause erreichen!

Die Grafik eines Videospiels ist natürlich nur die Leinwand, auf der das Schauspiel ausgetragen wird. Obgleich ich mich am Spiel wahrlich bisher – nach grob 20 Stunden Spielzeit – nicht sattsehen kann, würde ich kaum so lange am Ball bleiben, wenn andere Elemente nicht auch unterhaltsam sein würden. Die Geschichte des Spiels, so austauschbar sie auch sein mag, wird oft in imposanten Zwischensequenzen oder mittels sehr hübscher Standbilder erzählt. Beides kann sich wirklich sehen lassen und trägt zur gelungenen audiovisuellen Erfahrung bei. Recht typisch für den asiatischen MMO-Markt sind derweil die Quests, die bei weitem nicht so detailverliebt und abwechslungsreich daher kommen, wie es beispielsweise bei The Elder Scrolls Online der Fall ist. Viecher verprügeln, Dinge einsammeln und mit einem NPC sprechen. Das alles ist nicht neu, das alles ist nicht unbedingt motivierend. Hauptmotivator beim Questen war für mich, weitere Ecken der wunderschönen Welt zu erkunden und die vielen Vistas zu genießen.

Nicht nur, dass alles sehr gut aussieht und definitiv zum Schönsten zählt, was es es aktuell im Bereich der MMORPGs gibt – die große Anzahl an visuell sehr unterschiedlichen Umgebungen sorgt dafür, dass einem beim Anblick von Throne and Liberty einfach nicht langweilig wird. Mittelalterliche Siedlungen wechseln sich ab mit schaurigen, von Spinnen bewohnten Wäldern, die wiederum zu Wüsten mit hohen Sanddünen, Oasen und orientalischen Städten führen. Anfangs unscheinbar wirkende Ecken der Karte beherbergen beim genaueren Erkunden verwinkelte Höhlensysteme, alte Ruinen voller harter Gegner, die immer schwerer werden, je weiter man sich in sie hinein bewegt, und andere spannende Gefahren. Das alles lässt sich ohne Ladezeit erkunden, nur ganz selten gibt es eine kurze Ladeanimation – etwa beim Betreten eines instanzierten Dungeons. Selbst beim Teleportieren quer über die ganze Karte steht der Charakter nach minimaler Castzeit sofort am gewünschten Ort. Sehr beachtlich!

„Nahezu alles, was man sehen kann, ist ohne Ladeunterbrechung erreichbar!“

Jedes MMORPG lebt und stirbt schlussendlich auch mit der Qualität seines Kampfsystems. Bisher kann mich Throne and Liberty hier durchaus überzeugen, einige Elemente wirken allerdings noch etwas unausgereift. Grundsätzlich setzt das Spiel auf ein klassisches Tab-Target-System, lockert diese aber mit aktivem Blocken, Kontern und Ausweichen auf. Großes Alleinstellungsmerkmal sind die zwei Waffensets, die man direkt zu Beginn ausrüsten kann und zwischen denen die Spielfigur beim Einsatz der jeweiligen Fähigkeiten automatisch wechselt. Im Detail heißt das: Nutzt man die Kombination Großschwert und Bogen, kann man die Fähigkeiten beider Waffentypen jederzeit einsetzen. Mit dem Wechsel der Hauptwaffe legt man lediglich die normale Angriffsart fest.

Besonders gut gefällt mir, dass die wuchtig animierten Effekte, wie sie auch schon in Lost Ark zum Einsatz kamen, sich hier nach und nach durch Skillveränderungen anpassen lassen und sich dadurch sogar visuell verändern. Hier spürt man durchaus die Einflüsse der asiatischen Designphilosophie, zu überzeichnet und kitschig wirkt das Ganze auf mich allerdings nie. Und wenn sich dann auf einer Wiese in der Mittagssonne etliche Spieler bei einem großen Event mit Wölfen prügeln, ist die Symphonie an Zaubereffekten, Schwertschlägen und Kampfgeräuschen einfach nur wunderschön – wie so vieles in Throne and Liberty.

Bei der Vielzahl an Fähigkeiten und Menüs, die in Throne and Liberty MMO-typisch auf einen warten, mag es überraschend klingen, dass ich bisher gänzlich via Gamepad gespielt habe. Obwohl sich das Spiel besonders im knackigen Endgame oder bei PvP-Duellen merklich präziser mit Maus und Tastatur bedienen lassen sollte, kommt man als Casual-Spieler, der einfach nur den Levelprozess erleben möchte, ausgesprochen gut mit einem Controller klar. Fähigkeiten lassen sich schnell einsetzen, die wichtigen Menüs lassen sich flink bedienen und das Interface passt sich gut an den Fernseher an. Um Doppelbelegungen kommt man selbstverständlich aufgrund der begrenzten Tastenanzahl nicht umher – nach etwas Eingewöhnung geht dies aber gut von der Hand. Positiv erwähnenswert ist an dieser Stelle auch, dass der Wechsel zwischen den Eingabeoptionen automatisch vonstattengeht. Drückt man eine Taste am Gamepad, ändert sich das UI sofort entsprechend und passt die Elemente auf das neue Eingabegerät an. Wer also gerne mal von der gemütlichen Couch aus daddelt, kann das bei Throne and Liberty problemlos tun.

Throne and Liberty Wüste

Mein Ersteindruck zu Throne and Liberty:

Bei der Fülle an verschiedenen Videospielen, die es inzwischen jederzeit per Knopfdruck gibt, muss man herausstechen, um gespielt zu werden. Die große Zeit der MMORPGs ist ohnehin vorbei, wodurch das Unterfangen in diesem Genre noch schwieriger ist. Throne and Liberty schafft es, sich insbesondere mit seiner Schönheit vom Rest abzuheben. Selten hat der Begriff „Augenschmaus“ so gut auf ein Spiel gepasst!

Ich möchte an dieser Stelle den Designern der Spielwelt ein Lob aussprechen. Selten sahen Umgebungen so echt aus, selten konnte man sie zeitgleich so offen bereisen und erkunden. Dank des Morph-Features, mit dessen Hilfe man sich jederzeit in drei verschiedene Gestalten (Sprinten, Gleiten, Schwimmen) verwandeln kann, werden für Humanoide unerreichbare Ecken zugänglich. Gepaart mit den überall verteilten Haken, die beim Erklimmen von Häusern, Klippen oder Felsen helfen, steht wirklich freier Erkundung nichts im Weg. Keine nervigen Ladezeiten, keine unsichtbaren Grenzen – top! Nahezu alles, was man sehen kann, ist auch erreichbar! Und die grandiose Weitsicht tut ihr übriges, dass man einfach Lust hat, sich ins Erkundungsabenteuer zu stürzen.

Spieglein, Spieglein an der Wand: Wer ist das Schönste im ganzen Land? Throne and Liberty überzeugt mit bekömmlichen Gameplay, einem abwechslungsreichen Kampfsystem, einer fantastischen Spielwelt, reichlich Inhalten und ordentlicher Performance – und sieht dabei noch umwerfend aus! Und obgleich ich zum Endgame noch nichts sagen kann, empfehle ich bereits jetzt, das Spiel wenigstens aufgrund der Level- und Erkundungs-Phase auszuprobieren! Besonders optisch wird man mehr als einmal beeindruckt sein! So muss ein MMORPG im Jahr 2024 aussehen!