The Witcher: Nightmare of the Wolf – Eine Vorgeschichte als Bindeglied der Netflix-Serie

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Für Freunde des Witcher-Universums war es nach dem grandiosen The Witcher 3: Wild Hunt, dem Kartenspiel-Ableger Gwent und dem Start der Netflix-Serie im Jahr 2019 zuletzt recht ruhig geworden. Die zweite Staffel lässt lange auf sich warten und hätte ich die ersten Folgen nicht vor kurzem noch einmal geschaut, hätte ich wohl die Hälfte schon wieder vergessen. Doch mit Nightmare of the Wolf werden Erinnerungen wach und The Witcher katapultiert sich direkt wieder in meinen Fokus. Der Film im Anime-Stil erzählt die Geschichte eines Charakters, der Kennern sehr bekannt vorkommen wird und spielt dabei viele Jahre vor der ersten Staffel der Serie mit Hauptfigur Geralt. Es mag daher merkwürdig erscheinen, dass Nightmare of the Wolf in weiten Teilen als gelungene Verbindung der beiden Staffeln fungiert.

The Witcher: Nightmare of the Wolf funktioniert sicherlich auch als für sich allein betrachteter Film gut. Die Handlung ist in sich geschlossen, bietet allerdings auch Futter für weitere Spekulationen. Gleichzeitig erkennen Fans der Reihe viele Anekdoten und wichtige Zusammenhänge werden sichtbar. Allerdings wage ich an dieser Stelle zu behaupten, dass es ohne die Serie den Film in dieser Form nicht gegeben hätte und viele der Zuschauer zuvor mit hoher Wahrscheinlichkeit die Einleitungsstaffel von The Witcher gesehen haben.

Wer The Witcher auf Netflix oder die Trailer zur zweiten Staffel noch nicht gesehen hat, wird an dieser Stelle vor kleineren Spoilern in diesem Beitrag gewarnt. Zur Auffrischung der Geschehnisse der ersten Staffel empfehlen wir unseren Beitrag „Netflix und The Witcher: Ein schmaler Grat zwischen episch und trashig

Inhaltlich erzählt The Witcher: Nightmare of the Wolf eine recht geradlinige Geschichte, die allerdings an vielen Stellen mit Rückblenden zur Kindheit der Hauptfigur aufgelockert wird. So sehen wir auf der einen Seite einen selbstsicheren und ironisch-überheblichen Hexer, der auf der andere Seite in seinen jungen Jahren nicht selten auch Angst und Unsicherheit verspürte. Durchchoreographierte Action wechselt sich ab mit den ersten Gehversuchen des Hexer-Lehrlings, wodurch zwischen der geballten Ladung an wuchtigen Kämpfen auch immer genug Verschnaufpausen mit Fokus auf der Erzählung entstehen. Die Darbietung beider Elemente verleiht dem Charakter einiges an Tiefe und birgt zugleich einen erkenntnisreichen Einblick in die Welt von The Witcher, da insbesondere der langsamere Alterungsprozess der Monsterjäger im Laufe der Handlung zu der einen oder anderen interessanten Begebenheit führt.

Überhaupt ist Nightmare of the Wolf prall gefüllt mit Lore und Details, welche insbesondere Witcher-Kennern auffallen und gefallen werden. Da wären zum Beispiel die abgelegene Burg der Hexer, Kaer Morhen, die sowohl als Dreh- und Angelpunkt der beiden Zeitlinien fungiert als auch diverse Charaktere, die bereits durch die Videospiele oder eben die Netflix-Serie vielen Zusehern bekannt sein dürften beziehungsweise es mit der zweiten Staffel noch werden. Auch der Protagonist des Films, den wir von seinen Anfängen an begleiten, ist beileibe kein unbekannter – Vesemir gilt schließlich als Lehrmeister Geralts und ist somit eine der wichtigsten Figuren, die uns in Staffel 2 von The Witcher erwarten werden! Ähnlich wie beim vieldiskutierten Warcraft-Film, für den ich mir immer noch eine (oder mehrere) Fortsetzung wünsche, ist das Gezeigte sicherlich auch für Neulinge spannend, seine volle Faszination entfalten viele Momente aber insbesondere dann, wenn man einige Vorkenntnisse aufweisen kann.

Dass der Film selbst diejenigen unterhalten sollte, die mit dem Universum bisher kaum Berührung hatten, liegt an der guten Balance zwischen Komplexität und Geradlinigkeit bei der Darstellung der Handlung. Obzwar man viele der Gegebenheiten nicht aus vorangegangenen Darbietungen in Schrift- und Bildform kennt, bietet die Geschichte genug Erklärungen für die Fragen, die sie aufwirft. So kann Nightmare of the Wolf sicherlich auch ein Einstieg in die Welt von The Witcher sein. Diejenigen, die so wie ich einige Bedenken beim gewählten Anime-Stil hatten, können an dieser Stelle beruhigt sein. Für die Gestaltung des visuellen Bildspektrums zeigt sich Studio Mir verantwortlich, welches mich zuletzt auch mit DOTA: Dragon’s Blood überzeugen konnte. Persönlich denke ich bei Anime in erster Linie an quietschbunte Serien mit überdrehten Effekten und skurrilen Figuren, sowohl DOTA als auch jetzt The Witcher belehren mich eines besseren. Wer den düsteren und teilweise recht grausamen Stil der Bücher, Spiele oder der Netflix-Serie mochte, wird auch hier zum Großteil auf seine Kosten kommen.

The Witcher Nightmare of the Wolf

„Zum Großteil“ sage ich deshalb, weil Nightmare of the Wolf in der einen oder anderen Szene seine Anime-Muskeln zeigt und dann im Vergleich zur Serie oder den Spielen doch überdrehter und in gewisser Weise auch verspielter wirkt. Duelle mit Monstern, in denen sich unser Held behände zwischen Bäumen umherschwingt, fallen definitiv nicht in das eher realitätsnahe Gesamtbild des Hexer-Universums, erzeugen aber tolle Bilder und spannende Situationen, wenn man sich darauf einlassen kann und will. Trotzdem gelingt es Nightmare of the Wolf im Gesamten, nicht zu kitschig oder überzogen zu wirken. Stilistisch orientierte man sich schon merklich an vorangegangenen Iterationen der Darstellung der Hexer-Welt. Zusätzlich wird eben hier und da ein wenig Würze aus dem Anime-Genre eingestreut, die meiner Meinung nach jederzeit passend wirkt und das stimmige Gesamtbild nicht schädigt – im Gegenteil. Viele Szenen werden gerade durch den Anime-Stil erst ermöglicht.

Diverse gestalterische und erzählerische Momente wären jedenfalls abseits der Darstellung als animierter Zeichentrickfilm in dieser Form nur mit der Nutzung extremer CGI-Elemente machbar gewesen, die mit Sicherheit selbst das Budget von Netflix gesprengt hätten. Und selbst dann würden die Szenen sicherlich fehl am Platz wirken – gewisse Bildsprachen funktionieren eben nur im Anime-Bereich. Zu den bereits angesprochenen übertrieben darstellten Actionszenen gesellen sich visuelle Eindrücke, die sehr von der gewählten Darstellungsart profitieren. So stürzen zum Beispiel riesige Schneelawinen von einem Berg herab oder die Festung Kaer Morhen wird mit mächtigen Zaubern und von gigantischen Monsterhorden attackiert. Das alles wirkt als Anime stimmig, als Realverfilmung wären die gezeigten Bilder wohl schnell in die Trash-Ecke abgedriftet.

Natürlich sind hübsche Bilder und schicke Effekte nicht alles, was ein Film braucht, um unterhaltsam zu sein. Hier kommt dann wieder die Handlung ins Spiel, die wie ich bereits sagte meiner Meinung nach am besten funktioniert, wenn man Vorkenntnisse hat und sich sogar auf die zweite Staffel der Serie vorbereiten möchte. Zwar spielt Nightmare of the Wolf viele Jahre vor dem Hexer-Dasein Geralts, die Grundsteine diverser Orte und Charaktere werden hier aber gelegt und mit Hintergrundinfos ausgeschmückt. So spielt beispielsweise Vesemir – soweit sich das anhand des bisherigen Materials abschätzen lässt – eine wichtige Rolle und auch den sagenumwobene Rückzugsort der Hexer, Kaer Morhen, wird man in den kommenden Folgen wohl erstmalig in der Serie zu Gesicht bekommen. Im Trailer zur Staffel 2 reitet Geralt mit Ciri im Schnee zu eben jener Burg, wo er von keinem geringeren als Vesemir selbst begrüßt wird. Es lohnt sich also, Nightmare of the Wolf auch im Hinblick auf die kommenden Abenteuer zu schauen und sein Wissen damit gehörig aufzufrischen.

The Witcher Nightmare of the Wolf

Mein Fazit zu Nightmare of the Wolf:

Mit The Witcher: Nightmare of the Wolf gelingt es den Machern sehr gut, das Hexer-Universum in die Welt der Animationsfilme zu übertragen, ohne dabei den markanten Stil zu verlieren. Die gezeigten Bilder fußen wie auch die Bücher, Spiele und die Serie auf einem düsteren und realitätsnahen Dark-Fantasy-Welt, schöpfen aber gleichzeitig die Möglichkeiten einer Anime-Produktion aus. Das Ergebnis ist ein gesättigter und zugleich intensiver Film, der mit einem breit gefächerten Repertoire an Farbspektren und gelungen Animationen visuell auf ganzer Linie überzeugen kann. Genauso stimmig wirken Musik und Sprecher, die die Charaktere allesamt passend zum Leben erwecken und die situationsbedingten Emotionen jederzeit stimmig vertonen. Hier bleiben auch in der deutschen Übersetzung keine Wünsche offen.

Die personenbezogene Handlung greift dabei neben der Entwicklung eines Kindes zum Hexer Vesemir auch ernste Themen mit viel Blut, Morden und Intrigen auf. Klar, ein Game of Thrones ist The Witcher damit noch nicht, es siedelt sich aber in einem deutlich raueren Umfeld an als andere Fantasy-Streifen. Das Leben in einem mittelalterlichen Land voller Monster und mutierter Monsterjäger ist eben kein Zuckerschlecken – daran ändert auch der Ausflug ins Anime-Genre nichts.

Insbesondere für all jene, die sich auf die zweite Staffel der Serie freuen und mehr Hintergründe zu den Orten und Personen erfahren möchten, die uns dort erwarten, ist Nightmare of the Wolf eine rundum gelungene Abendunterhaltung.

Für weitere Einblicke in die Welt der Hexer empfehlen wir die anderen Beiträge zum „The Witcher“-Thema auf unserem Blog.