Countryballs Heroes: Die Extraportion Nostalgie, Humor & politische Unkorrektheit

Countryballs Heroes Banner

Während das neue Battlefield 2042 bei Steam von den Spieler-Reviews komplett zerrissen wird, sucht man sich doch gerne eine unkomplizierte und vom Tagesgeschehen ablenkende Unterhaltung in Form eines kleinen aber feinen Videospiels. Am besten funktioniert die Ablenkung, wenn besagtes Spiel sowohl Erinnerungen an alte Zeiten weckt und zeitgleich auch den fragwürdigen Humor der spielenden Person trifft. Countryballs Heroes habe ich mir bereits im Sommer während des Steam Next Fest in Form einer kurzweiligen Demo angeschaut und war sofort angetan. Beim längeren Anspielen wurde nun allerdings klar, dass sich nicht alle Aspekte auf einem qualitativen Niveau halten konnten.

Countryballs Heroes scheut sich nicht, seine Ursprünge offen darzulegen. Die größte Inspiration stammt offensichtlich aus der altehrwürdigen Reihe Heroes of Might & Magic, in welcher ich in meinem alten Kinderzimmer im Hot-Seat-Modus unzählige Schlachten schlug. Angefangen hat bei mir damals alles mit Heroes 4, welches ich zu Beginn nicht vollends begreifen wollte. Heroes 5 war dann dank modernerer 3D-Optik und einigen Vereinfachungen deutlich zugänglicher, der sechste Teil machte alles noch ein wenig hübscher und besser. Und nun über 10 Jahre später bin ich mit Countryballs Heroes wieder zurück im 2D-Raum und freue mich nicht nur über die Revitalisierung des Spielstils, sondern auch über die humorvollen Anekdoten und für einige sicherlich sehr fragwürdige – weil von Vorurteilen geprägte – Darstellungen der Fraktionen.

Hinweis: Ein Review-Code von Countryballs Heroes wurde uns zur Verfügung gestellt.

Klären wir zu Beginn die Frage, wo sich Countryballs Heroes spielerisch ansiedelt. Wer schon einmal einen Teil der besagten „Heroes of Might & Magic“-Reihe gespielt hat, wird sich im Grunde direkt heimisch fühlen. Im Verlauf eines der rundenbasierten Spiele gilt es, Städte auszubauen, Armeen aufzustellen und mit ihnen die Welt zu erkunden, Gebäude zu erobern und Items zu sammeln, die wiederum die Helden stärken, die besagte Armeen befehligen. Sehr klassisches HOMAM-Gameplay also. Die Besonderheit von Countryballs Heroes ist der im Vergleich zum großen Vorbild doch stark abweichende Artstyle und die humoristische Note, die bei jedem Spielelement mal mehr und mal weniger unterschwellig mitschwingt.

Wo die Vorlage sich auf ein typisches Fantasy-Setting beschränkt und im Laufe der vielen Iterationen die visuelle Gestaltung immer weiter vom früher technisch bedingten Pixel-Comic-Stil hin zum realistischeren Gesamtbild mit detailgenauen Modellen und echt wirkender Beleuchtung bewegte, geht Countryballs Heroes einen anderen Weg. Das Spiel zeigt sich in einem farbenfrohen Comic-Stil, der direkt aus den Memes entsprungen sein konnte. Die hochauflösenden Texturen gepaart mit den ulkigen Modellen und Szenerie-Objekten lassen auf den ersten Blick sicherlich den Eindruck aufkommen, dass man auch spielerisch kaum Herausforderungen zu erwarten hat. Die fröhliche Optik suggeriert eben seichtes Gameplay. Doch weit gefehlt, Countryballs Heroes kann zuweilen richtig schwer werden. Vor allem, wenn man ungeduldig ist und nicht genug Truppen aushebt, bevor man zum Angriff übergeht.

„memes much good, very wow“ – Review von mati94z bei Steam

Statt axtschwingenden Orks und feuerspeienden Drachen bildet man in Countryballs Heroes, wie du sicherlich vermuten kannst, etwas extravagantere Einheiten aus. Beim UK etwa ziehen Gentleman Ball mit Hut und Monokel oder Harryball mit Flugbesen und Zauberstab ins Gefecht, auf deutscher Seite schickt man Kampfhunde und Ingenieurball  an die Front. Um stärkere Einheiten rekrutieren zu können, muss vorher die entsprechende Ausbildungststätte in der Stadt gebaut werden, was wiederum diverse Ressourcen benötigt. Diese bekommt man wahlweise durch Erkunden der Spielwelt, Eroberung von Produktionsgebäuden und Tauschhandel beim Jewishcube Marktplatz. Auf der Karte trifft man dann unter anderem auf UN Ball und ISIS Ball – eine wunderbare Zusammenfassung von grenzwertigem Humor.

Kommt es zum Kampf, lassen sich die verschiedenen Einheitentypen taktisch recht unterschiedlich einsetzen. Zusätzlich kommen diverse Fähigkeiten der Helden zum Einsatz, die im Kampf über Sieg und Niederlage entscheiden können. An dieser Stelle muss ich allerdings gestehen, dass ich schon seit meinen ersten Erfahrungen mit Heroes of Might & Magic die Kämpfe zumeist automatisch habe ablaufen lassen und die Duelle zurückgelehnt beobachtet habe. Veteranen werden mich nun steinigen. Im Falle von Countryballs Heroes bedeutet dies allerdings, dass man sich auf die insgesamt eher mäßige KI verlassen muss. Optimales Kämpfen sieht anders aus, unterhaltsam ist es aber trotzdem.

Countryballs Heroes Map
Das vollgestopfte Spielfeld sollte man ohne Zeitdruck in Ruhe studieren.

Der wunderbar gelungene Comic-Stil des Spiels überträgt sich auch auf die Menüs, die sich allesamt visuell gut ins Gesamtbild einfügen. Auch die Hintergrundmusik in den Städten gefällt mir gut, die gewählten Stücke sind wunderbar eingängig und laden zum Schunkeln ein. Bei der Bedienbarkeit und Übersichtlichkeit allerdings bleiben viele Wünsche offen. Zum Einen wirken diverse Aktionen zu verschachtelt und man benötigt gefühlt zu oft einen Klick zu viel. Zum Anderen wird Countryballs Heroes derzeit noch von diversen designtechnischen Macken geplagt, die den Spielspaß auf längere Sicht doch etwas trüben. Wichtige Elemente verdeckende Tooltips sowie Anzeigen und Buttons, an denen auf den ersten Blick nicht erkennbar ist, ob sie betätigt sind oder nicht, können an einigen Stellen nerven. Auch fehlende Komfortfunktionen – es gibt kein Autosave, was ich schmerzlich nach dem Verlust von zwei Stunden Fortschritt erfahren musste – fallen negativ auf.

Im Großen und Ganzen läuft Countryballs Heroes ziemlich rund, Abstürze und Bugs, die das Vorankommen behinderten, sind mir bisher jedenfalls nicht untergekommen. Doch die oben erwähnten Designmacken sorgen in ihrer Gesamtheit sicherlich dafür, dass insbesondere Einsteiger schnell die Lust am Spielen verlieren. Das Tutorial hilft einem zwar, die Grundzüge des Spiels zu verstehen, doch in Sachen Zugänglichkeit sollte an einigen Stellen noch nachgebessert werden. Viele Aspekte bedienen sich einfach nicht intuitiv. Ich ertappte mich jedenfalls zu oft dabei zu denken, dass eine Eingabe von mir doch zu einem gefühlt anderen Ergebnis hätte führen sollen. Vielleicht liegt dies auch daran, dass Countryballs Heroes sich an Heroes 3 orientiert und ich erst mit Teil 4 angefangen habe. Fakt ist aber, dass zeitgemäße Bedienung zum Beispiel auch bei der Einheitenbewegung anders aussieht. Schlimm ist das meistens nicht, sorgt das rundenbasierte Gameplay doch für faktisch unendlich Zeit. Störend fällt es dennoch auf.

Der „Abstammung“ von Heroes of Might & Magic 3 ist sicherlich auch geschuldet, dass sich viele Spielelemente in Sachen Komplexität für meine Begriffe noch ein wenig ausgiebiger präsentieren könnten. So gab es beispielsweise bei späteren Heroes-Teilen beim Angriff auf eine Stadt auch eine Burgmauer, die man zerstören musste. In Countryballs Heroes sehen die Schlachtfelder bis auf die Hintergrundgrafik immer gleich aus. Auch ein wenig mehr Abwechslung bei den Talentbäumen der Helden wäre wünschenswert. Abschließend lässt sich wohl festhalten, dass Countryballs Heroes nicht durch herausragendes Gameplay oder gigantischen Umfang getragen wird. Das Hauptaugenmerk sind eindeutig die „subtilen“ Witze. Wenn Merkelball mit einem Mini-EU-Ball im Schlepptau die russischen FSB-Balls angreift, finde ich das persönlich einfach ziemlich komisch. Wer derartigen Humor mag, kommt durchaus auf seine Kosten. Mehr sollte man aber aktuell nicht erwarten.

Countryballs Heroes Kampf
In den Kämpfen lassen sich die schicken Balls aus nächster Nähe beobachten.

Mein Fazit zu Countryballs Heroes:

Ich bin ein wenig hin- und hergerissen, wie ich Countryballs Heroes schlussendlich bewerten soll. Auf der einen Seite bringt das Spiel die Countryballs-Memes wunderbar ins aus Heroes of Might & Magic bekannte Konzept und vereint beide Welten gut miteinander. Die Grafik weiß zu überzeugen, das stimmige Comic-Design ist gut gelungen und passt zum Setting. Auf der anderen Seite wirken einige Elemente deutlich zu unausgereift. Zum Einen ist die Benutzeroberfläche in weiten Teilen unintuitiv, zum Anderen fehlen wichtige Komfortfunktionen. Die Anlehnung an ein Spiel von 1999 ist dabei egal – ein wenig zeitgemäßes Design gehört heutzutage schlicht und einfach dazu.

Im Bereich der aktuell nur lokalen Mehrspieler-Inhalte fehlen mir ein Generator für zufällige Karten sowie mehr Parameter für die Individualisierung des Matches. Auffällig war bei meiner ersten Mehrspieler-Runde, dass die Spawns der Figuren und Burgen fehlerhaft war. So startete Spieler 2 vor der Burg von Spieler 3 und andersherum, was auf wenig Playtesting schließen lässt. Auch die Übersetzung ist an vielen Stellen noch nicht zufriedenstellend. Seltsame Satzkonstruktionen wechseln sich ab mit teilweise gar nicht übersetzten Passagen und Elementen. Ersteres lässt sich zum Teil vielleicht noch damit erklären, dass sich viele Memes einfach nicht gut übersetzen lassen. „Poland Can Into Space“ macht sich auf Deutsch einfach schlecht.

Auf ein rundum durchdachtes Erlebnis wird man bei Countryballs Heroes also nicht stoßen. Ich empfehle den mit 12,49 € recht günstigen Titel also aktuell nur denjenigen, die ein Strategiespiel mit den Countryballs haben möchten und gleichzeitig ein wenig Nostalgie für ältere Heroes-Teile verspüren. Für mehr fehlt aktuell einfach das Feintuning und das Gefühl fürs Detail. Ich bin dennoch gespannt, ob und wie sich Countryballs Heroes in den kommenden Monaten noch weiterentwickeln wird. Denn das Grundgerüst ist da und Potential für zukünftige Inhalte ist dank der unzähligen Countryball-Witze auf jeden Fall reichlich vorhanden!