Remember Reach: Gegenwart und Zukunft des Halo-Franchise

Seit der Veröffentlichung von Halo 5: Guardians vor über vier Jahren ist es still um neue First-Person-Shooter im Halo-Franchise geworden. Auf der E3 2019 wurde nun bestätigt, dass der nächste Ableger erst 2020 für die neue Generation der Xbox erscheinen wird. Damit ist die Xbox One die Konsole aus dem Hause Microsoft, die mit den wenigsten neuen Halo-Titeln versorgt wurde. Um die Wogen zu glätten und den Fans etwas zu bieten, wurde daher im Dezember 2019 – neun Jahre nach Release – Halo Reach als Erweiterung zur Master Chief Collection veröffentlicht. Im nachfolgenden Artikel wird näher betrachtet, wie sich Reach in die Sammlung einfügt, wie es sich nach all den Jahren spielt und wie die Zukunft des Halo-Franchise aussehen könnte.

Hinweis: Der folgende Test bezieht sich auf die Xbox-Version des Spiels.

Halo: The Master Chief Collection

Die Veröffentlichung der Master Chief Collection im Jahr 2014 war ein gigantisches Desaster. Neben vielen kleinen technischen Fehlern und der Tatsache, dass Halo 2 Anniversary nicht in Full-HD lief, war das größte Manko der Mehrspieler-Modus. Für einen Großteil der Spieler war die Spielersuche quasi nicht zu nutzen, da die Suche nach einer Partie Stunden dauern konnte und manchmal gänzlich erfolglos blieb. Spieler erhielten zwar Entschädigungen – unter anderem die Kampagne von Halo 3: ODST – doch die Behebung der Probleme dauerte Monate an. Ein exaktes Datum, wann alle Fehler für alle Spieler gelöst wurden, wird sich vermutlich nicht finden lassen. Es ist aber unbestritten, dass dieser Tag vermutlich erst Jahre nach Erstveröffentlichung eingetreten ist.

Umso bemerkenswerter ist es, dass 2019 – also fünf Jahre nach Release – nun Halo: Reach  und ein komplett überarbeitetes User Interface für die Master Chief Collection veröffentlicht wurden. Und nach all der Zeit scheinen die Probleme gelöst und die Sammlung hat das erreicht, worauf sie ursprünglich ausgelegt war. Sie vereint alle Halo-Shooter, die bis 2014 erschienen sind, in einem Spiel. Fans können nun über ein Interface sowohl Einzel- als auch Mehrspieler der ersten vier Abenteuer des Master Chief aber auch ODST und Halo: Reach genießen. Spielübergreifende Missionslisten und Mehrspielersitzungen laufen flüssig und problemlos. Besonders die Möglichkeit, Filter zu setzen, um nach Sitzungen ausgewählter Modi auf bestimmten Maps zu suchen, ist genial und in meinen Augen ein Novum für Spiele ohne Serverbrowser. Das neue User Interface hilft dabei, bei den Unmengen an Inhalten die Übersicht zu bewahren.

Heute, also über fünf Jahre nach Erstveröffentlichung, ist Halo: The Master Chief Collection nun das, was es immer sein sollte. Die ultimative Halo-Sammlung und ein Geschenk an die Fans – im übrigen nun endlich auch für PC. Leider ist dies zu spät, um die Enttäuschung vergessen zu machen. Dennoch muss man 343 Industries Respekt zollen, dass sie zu ihrem Fehler standen und bis zum Ende daran gearbeitet haben, diesen zu korrigieren. Und selbst nach all den Jahren tummeln sich in der Spielersuche noch immer Halo-Enthusiasten. Wer also besorgt ist, ein komplettes aber verlassenes Spiel vorzufinden, kann beruhigt sein.

Halo: Reach

Seit Dezember 2019 ist nun auch Halo: Reach in der Master Chief Collection spielbar. Auch wenn der namensgebende Held in diesem Teil gar nicht in Erscheinung tritt, so ist es dennoch eine tolle wie sinnvolle Erweiterung der Sammlung, die nun alle älteren Teile auf die Xbox One bringt. Der einzige Wermutstropfen ist die Tatsache, dass man Halo: Reach – wenn auch zum kleinen Preis – als Add-On kaufen muss, bevor man sich in den Prolog der Halo Reihe stürzen kann. In der PC-Version ist Reach direkt enthalten.

Halo: Reach erzählt eine düstere Geschichte. In der namensgebenden Schlacht um den Planeten Reach kontert die Menschheit zwar an allen Fronten, wird am Ende aber vernichtend geschlagen. Dieser verzweifelte, aussichtslose Kampf war den Fans dabei schon durch Bücher und Comics von Beginn an bekannt. Dennoch brannte sich der depressive Tenor der Handlung langfristig ins Gedächtnis. Da man in Reach eben nicht den Master Chief spielt, fehlt die Plotarmor und die Spannung ist intensiver als in anderen Teilen. Reach ist ein echtes Kriegsspiel und weniger ein Heldenepos. Stattdessen ist der Protagonist ein Mitglied eines Spartan Teams. Während wir in den ersten Missionen unsere Mitstreiter kennen und schätzen lernen, holt uns schnell der bittere Ernst des Krieges ein. Nach und nach geben unsere Begleiter ihre Leben für die Menschheit. Die beklemmende und von Trauer geprägte Stimmung kommt dabei sehr gut beim Spieler an und man ertappt sich selbst dabei, wie man einen lauten Seufzer lässt oder betrübt den Kopf senkt. Nur das Wissen, dass der eigene Kampf, auch wenn er am Ende tödlich endet, den Grundstein für den späteren Sieg des Master Chief legt, versprüht ein wenig Hoffnung.

Beim Gameplay baut Reach zum Großteil auf den Vorgängern auf, bringt aber auch einige Neuerungen mit sich. Während die Panzerungsfähigkeiten für viele Diskussionen unter den Fans führten, wurde das Designated Marksman Rifle – kurz DMR – auf Anhieb zu einer der beliebtesten Waffen des Franchise. Außerdem kehren viele alte und bei den Fans beliebte Fahrzeuge zurück, da Reach zeitlich vor dem ersten Teil, Halo: Combat Evolved, angesiedelt ist. Neben der Kampagne gibt es den Feuergefecht-Koop-Modus. Darin werden Wellen an immer stärker werdenden Gegnern auf eine Gruppe an Spielern losgelassen. Mit dem richtigen Feuerteam bereitet dieser auch heute noch Unmengen an Spaß, insgesamt ist er aber aus der Zeit gefallen. In den letzten zehn Jahren sind einfach zu viele andere Koop-Shooter erschienen. Zum Launch war der Feuergefecht-Modus aber beliebt und in der Spielersuche waren schnell Mitstreiter gefunden. Der PvP-Mehrspieler dagegen hat in Reach sehr enttäuscht. Das Gunplay fühlte sich meiner Meinung nach nicht so präzise an wie in Halo 3. Viel schlimmer ist aber die Konzeption und Auswahl an Mehrspielerkarten. Diese sind lediglich abgegrenzte Abschnitte der Kampagnenlevel. Diese von Faulheit geprägte Entscheidung von Bungie war ein Schlag ins Gesicht der Spieler. Denn Halo hatte sich davor stets durch guten Mehrspieler ausgezeichnet. Die Einzelspielerareale bieten natürlich deutlich schlechtere Partien als es speziell für Mehrspielergefechte entworfene Karten tun würden. In späteren DLCs wurden zwar noch einige Schlachtfelder hinzugefügt, diese reichen aber nicht, um den Gesamteindruck entscheidend zu verbessern.

Alles in allem war Halo: Reach ein guter Ableger. Die Einzelspielerkampagne konnte durch ihre düstere Stimmung und die neue Perspektive überzeugen und Eindruck hinterlassen. Die Verluste der Teammitglieder sind bewegend und auf einem Niveau, den sonst nur etablierte Charaktere in der Reihe haben. Beim Umfang und den Innovationen ist Reach irgendwo in der Mitte innerhalb der Halo-Reihe angesiedelt. Der Koop-Modus Feuergefecht war spaßig, ist heute aber eher überholt und der Mehrspieler-Modus zählt klar zu den schwächsten der Reihe. Die Verbesserung bei den Lichteffekten, der Auflösung und der Bildrate in der Master Chief Collection sind nett, aber nur letztere ist wirklich spürbar.

Die Zukunft

In den letzten fünf Jahren wurde kein neuer Halo-First-Person-Shooter veröffentlicht. Eine solch große Pause gab es in der Geschichte des Franchise noch nie. Der letzte Ableger, Halo 5: Guardians, wurde schlecht aufgenommen – Re-Releases wie Halo: Reach für die Master Chief Collection dagegen positiv. Halo muss ein Mittelmaß zwischen Neuem und Nostalgie finden. Dies ist natürlich leichter gesagt als getan. Eines steht aber fest: Das 2020 erscheinende Halo Infinite wird ein Do-or-Die-Moment für das Franchise, dass sich besser keine weitere Enttäuschung erlaubt.