Wie macht man einen guten Nachfolger? Eine Frage, die sich viele Spieleentwickler stellen. Manche scheitern, andere bestehen die Herausforderung. Und gelingt das Sequel, ist meist der Grundstein für eine ganze Spielreihe gelegt. Aber warum der Bezug auf Grow Up, dem Nachfolger vom 2015 und damit nur ein Jahr zuvor erschienenen Grow Home? Ganz einfach. Grow Up zeigt im kleinen Rahmen, wie man ein Sequel machen muss und auch, wie nicht.
Wovon handelt Grow Up überhaupt? B.U.D. – ein Botanical Utility Droid, was zu deutsch in etwa Botanischer-Allzweck-Droide heißt – strandet nach einem Unfall auf einem fremden Planeten. Dabei wird sein Raumschiff M.O.M., welches gleichzeitig eine Art Mutterfigur darstellt, beschädigt und in Einzelteile zerrissen. Diese muss B.U.D. sammeln und zusammenfügen um M.O.M. zu retten und den Planeten verlassen zu können. Dabei hilft ihm Sidekick P.O.D., der als Sattelit den Planeten umkreist und uns mit einer Karte versorgt.
Die Hauptaufgabe nimmt nur zwei bis drei Stunden in Anspruch. Glücklicherweise bietet Grow Up im Vergleich zum Vorgänger aber erweiterte Nebenaufgaben an. Dazu gehören unter anderem freischaltbare Teleporter, welche die Fortbewegung über weite Strecken erleichtern, sammelbare Kristalle, die überall verstreut sind und Fähigkeiten aufwerten, sowie Herausforderungen, in denen abgesteckte Parkours innerhalb eines vorgegebenen Zeitlimits bewältigt werden müssen. Besonders letztere stechen heraus, da sie in dem recht einfachen und kindgerechten Spiel etwas Herausforderndes darstellen.
Eine tiefgründige Handlungs sollte nicht erwartet werden. In den wenigen Cutscenes lernen wir die Personen und den Plot kennen, zwischen Absturz und Rettung gibt es bis auf einige kurze und humorvolle Gespräche zwischen B.U.D. und P.O.D. keinerlei Charakterentwicklung oder Plottwists. Dies möchte ich dem Spiel aber nicht negativ anlasten. Im Fokus steht vielmehr der Lerneffekt, der nicht durch Gespräche, sondern durch die Handlungen des Spielers zustande kommt.
Beim Gameplay setzt Grow Up an den aus dem Vorgänger bekannten Fähigkeiten an und verbessert und erweitert diese. So kann man weiterhin mit dem Jetpack fliegen und Stürze mit dem Fallschirm bremsen. Um durch die Lüfte zu gleiten, bedarf es aber nun nicht mehr aufsammelbare Blätter, da B.U.D. über einen eigenen, jederzeit nutzbaren Gleiter verfügt. Allgemein haben sich die namensgebenden botanischen Fähigkeiten unseres Droiden stark weiterentwickelt. Wie schon erwähnt, wurden im Vorgänger Blätter und andere Pflanzen gesammelt und waren nur einmalig einsetzbar. Wird in Grow Up eine Pflanze einmal von B.U.D. eingescannt, so kann sie beliebt oft neu gepflanzt werden. Dadurch schafft das Spiel viel abwechslungsreichere Fortbewegungsmethoden und reduziert die Abhängigkeit von den Sternenpflanzen. Diese sind auch im Nachfolger enthalten und treten diesmal in verschiedenen Ausführungen auf. Als exotische Blume oder riesiger Kaktee helfen sie B.U.D., neue Höhen zu erreichen um von dort die Welt zu erkunden.
Grow Up bietet eine tolle und abwechslungsreiche Spielumgebung, die dem comichaften Stil des Vorgängers treu bleibt. Statt einer abgegrenzten Fläche wird nun ein ganzer – wenn auch kleiner – Planet geboten. Und auch, wenn dessen Größe selbstverständlich nicht der eines echten Planeten gleicht, überzeugt die Umsetzung. So gibt es eine Vielzahl an unterschiedlichen und sehr abwechslungsreichen Biomen, die jeweils andere Pflanzen und Tiere beherbergen. Außerdem handelt es sich um einen “echten” Planeten samt Schwerkraft, Umlaufbahn, Mond und umkreisenden Asteroidengürtel. Von den hochgelegenen Plateaus bieten sich einzigartige Ausblicke.
Unterstützt von den Tag-Nacht-Wechseln mit mehreren Sonnen entsteht eine Atmosphäre, in der man einfach nur verharren und die Welt um sich herum genießen möchte. Und wem das noch nicht als beweis für die Detailverliebtheit des Spiel genügt, dem sei gesagt, dass selbst der kleine Mond ein eigenes Gravitationsfeld hat. Startet man mit genügend Schwung, kann man den Planeten im Ballmodus wie ein Satellit umkreisen.
Die Schwächen von Grow Up lassen sich schnell und direkt benennen, denn sie waren auch schon im Vorgänger bemerkbar. Zum einen lässt sich B.U.D. sehr schlecht steuern. Zwar ist die plumpe und wackelige Steuerung gewollt und steht anfangs symbolhaft für die geringe Erfahrung und Unbedarftheit von B.U.D., mit zunehmender Spieldauer und wiederholten ungewollten Situationen, wie etwa einem tiefen Sturz nach grundlosem loslassen, kommen aber auch Frustmomente auf. Weitere Kritik muss an der Kamera geäußert werden. Diese ist bei waghalsigen Flugmanövern mit dem Gleiter zu starr und driftet bei gleichmäßigen Manövern in der Umlaufbahn zeitweise ab. Der letzte und vermutlich größte Kritikpunkt ist der immer noch zu geringe Umfang des Spiels. Zwar wurde dieser im Vergleich zum Vorgänger stark erhöht, aber dennoch bietet Grow Up selbst für Completionists nur sieben bis acht Stunden Spielzeit.
In seiner Gesamtheit steht das Spiel für mich geradezu exemplarisch für viele Nachfolger. Es nutzt seine Stärken, wie die frei erkundbare vertikale Spielwelt und baut sie weiter aus. Auf der anderen Seite bleiben Schwächen des Vorgängers, wie die unpräzise Steuerung, bestehen.
Mein Fazit zu Grow Up:
Grow Up bietet mit dem detailreichen Planeten und realitätsnahen Physikeffekten ein einzigartiges Open-World-Adventure. Getreu dem Motto „der Weg ist das Ziel“ gibt es auch abseits der Hauptmission viel zu entdecken. Der geringe Umfang wird durch einen angemessenen Preis legitimiert. Wer einfach mal für ein paar Stunden abschalten und nicht über Handlung und Charaktermotive nachdenken will, der trifft mit Grow Up eine gute Wahl.
Durch die einfache Handlung, die farbenfrohe und gewaltlose Spielwelt und den Aspekt des Lernens durch Erkunden halte ich das Spiel auch für sehr kinderfreundlich.
Grow Up wurde von mir im September 2017 auf der Xbox One getestet.