Zu Beginn dieses Reviews muss ich gestehen, dass ich zumeist kein sonderlich großes Interesse an Kartenspielen habe. Die Gründe dafür wirst du in den kommenden Zeilen noch erfahren, denn auch Cultist Simulator schafft es nicht, den grundlegenden Zwist, den ich mit Karten habe, beizulegen. Und dennoch schaffte es das Spiel irgendwie, mich wider Erwarten für viele Stunden in seinen Bann zu ziehen.
Eigentlich sollte unser Beitrag zu Cultist Simulator schon im Frühsommer des letzten Jahres erscheinen. Allerdings ist unser ursprünglicher Tester wohl von den Machenschaften eines Kultes derart begeistert gewesen, dass er sich wohl selbst den ungezügelten Wahnvorstellungen hingab und seitdem nichts mehr von ihm zu hören war. Tragisch, aber so bekam ich wenigstens selbst die Chance, Cultist Simulator zu spielen.
Hinweis: Ein Review-Key von Cultist Simulator wurde uns noch vor der Veröffentlichung des Spiels zur Verfügung gestellt.
Am Anfang ist alles noch recht simpel. Auf dem Tisch liegt eine Karte und es gibt ein Aktionsfeld namens „Work“, in welches man diese Karte ziehen kann. Nachdem der Arbeits-Timer abgelaufen ist, bekommt man ein wenig Geld und Cultist Simulator beginnt allmählich damit, uns immer mehr Aktionsfelder und Karten zu geben aber gleichzeitig auch zu nehmen. Denn das gerade verdiente Geld wird nun ständig in ein „Time“-Feld gezogen, welches in regelmäßigen Abständen Münzen benötigt. Da bekommt der Ausspruch „Zeit ist Geld“ gleich eine viel direktere Bedeutung, nicht wahr?
Mehr Felder und mehr Karten bedeutet natürlich auch, dass man recht schnell eine Vielzahl an neuen Möglichkeiten besitzt. Cultist Simulator verfügt über kein Tutorial und erklärt dem Spieler im Grunde gar nichts, man muss also experimentierfreudig sein und auf eigene Faust nach neuen Wegen ausschau halten. Das bedeutet auch, dass man auf der Suche nach einem der vielen Enden auch das eine oder andere Mal versagen wird. Cultist Simulator ist erbarmungslos schwer und auch nach etlichen Spielstunden können banale Unachtsamkeiten uns zum Scheitern verdammen.
Schon nach wenigen Minuten befinden sich – vorausgesetzt man weiß ein wenig, was man tun muss – verschiedenste Karten und Aktionsfelder auf unserem Tisch. Und obwohl an jeder Ecke Timer ablaufen, Karten erscheinen und alle möglichen Dinge unsere Aufmerksamkeit erfordern, bleibt das Spiel dank der stilisierten Optik jederzeit übersichtlich. Sowohl die Karten als auch jegliche Animationen sind in einem schicken minimalistischen Stil gehalten und die Sounds und Hintergrundmusik fügen sich als wichtige Anhaltspunkte für Geschehnisse nahtlos ins Spiel ein. Auch die praktische Pausierfunktion hilft dabei, den Überblick zu bewahren. Denn zuweilen können auch einzelne Karten unser Ende einläuten, es ist also stets Vorsicht geboten.
Herauszufinden, wie man im Spiel vorankommt, macht den Großteil der Faszination von Cultist Simulator aus. Wie bekomme ich mehr von den „Ressourcen“-Karten Health, Passion, Reason und Funds, die am unteren Bildschirmrand so prominent angezeigt werden? Und was genau kann ich mit denen eigentlich alles anstellen? Es ist nicht immer sinnvoll, alles zu tun, was man tun könnte. Unvorsichtigkeit führt erbarmungslos zu einem schnellen Ende, wenn beispielsweise ein Ordnungshüter zu viele Hinweise auf illegale Machenschaften findet oder man von Furcht geplagt im Selbstzweifel versinkt. Kurzgesagt ist Verlieren in Cultist Simulator sehr einfach, Gewinnen allerdings nicht.
Dies trifft besonders auf die ersten Stunden zu, die man als unwissender Frischling im Spiel verbringt. Dadurch, dass Cultist Simulator rein gar nichts erklärt und man vollständig auf sich allein gestellt ist, muss man wohl oder übel aus Fehlern lernen – im Grunde besteht das Spiel demnach bis zu einem gewissen Punkt einzig und allein aus „Learning by failing“, was für viele Spieler wohl recht abschreckend wirkt. Besonders nervig wird es, wenn man sich gar nicht bewusst ist, dass man sich gerade in einer Sackgasse verrennt. Dann kann es schon mal passieren, dass es nach 10 Stunden erst auffällt, dass man einen kleinen Aspekt nicht bedacht und sich damit jegliche Aussichten auf Erfolg verbaut hat.
Verfügt man erst einmal über grobe Kenntnisse davon, welche Karten mit welchen Aktionsfeldern kombinierbar sind und was dann passiert, kippt der Wissensdrang eher in Richtung Routine. Das Spielfeld ist zu diesem Zeitpunkt dann zwar regelrecht übersät mit allerhand Krimskrams, jedoch hatte ich mich an meine perfekte Kartenorganisation gewöhnt und stopfte stundenlang dieselben Karten in dieselben Aktionsfelder, weil es eben die meiner Meinung nach optimalste Vorgehensweise war und ich währenddessen auf den Ablauf anderer Timer wartete.
Denn einen Job muss man natürlich immer in irgendeiner Form ausüben, um genug Kleingeld in der Tasche zu haben. Außerdem will man ja auch nicht gefeuert werden. Folglich wird jede Minute das „Work“-Feld neu befüllt. Ähnlich läuft es auch mit anderen sich wiederholenden Mechanismen ab – der Spaß weicht allmählich stundenlanger monotoner Repetition. Und selbst dann ist man nie vor einer Niederlage gefeit, denn wie bei allen Spielen mit Karten spielt der Zufall immer eine gewisse Rolle, was besonders bei lange andauernden Spielesessions sehr nervig sein kann.
Mein Fazit zu Cultist Simulator:
„Das Leben ist einfach, einfach zu schwer – es wäre so einfach, wenn es einfacher wär.“ – Diese recht poetische Zeile aus einem noch nicht veröffentlichten Lindemann-Liedchen beschreibt recht gut, womit du es bei Cultist Simulator zu tun bekommst. Meine Erfahrung mit dem Spiel hat deutlich weniger mit den namensgebenden Kulten zu tun, als ich es eigentlich vermutet hätte. Vielmehr war ich damit beschäftigt, am Leben zu bleiben nicht einer Banalität zum Opfer zu fallen. Es ist überlebenswichtig, Texte im Spiel akribisch zu lesen und daraus noch so kleine Hinweise abzuleiten. Gute Englischkenntnisse sind also Pflicht, zumal der Schreibstil bewusst geschwungen und mystisch angehaucht ist.
Wenn du einem Kartenspiel der etwas anderen Art nicht abgeneigt bist und auch vor garantiert vorkommenden Niederlagen nicht zurückschreckst, kann Cultist Simulator ein wahrer Geheimtipp für dich sein. Allerdings musst du dich auf abflachende Unterhaltung einstellen, sobald du erst einmal herausgefunden hast, wie du auf bestimmte Ereignisse reagierst. Die Ängste der Spielfigur vorm Scheitern übertragen sich bis dahin wunderbar auf den Spieler, wodurch eine spannend-bedrückende Atmosphäre geschaffen wird. Und das ist für ein Spiel dieser Art sehr einzigartig.
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