Manchmal sind Zufälle einfach perfekt. Gerade, als ich mich auf die bevorstehende Fahrt nach Österreich vorbereitete, flatterte eine Mail in unser Postfach, in welcher uns ein Code für The Lion’s Song, dem ersten Spiel eines österreichischen Studios, angeboten wurde. Was gibt es passenderes, als ein in Wien spielendes Adventure eines aus derselben Stadt stammenden Entwicklers zu spielen, während man sich auch noch selber im Land aufhält?
The Lion’s Song besteht aus vier Episoden, von denen die erste am 7. Juli 2016, erschien. Ziemlich genau ein Jahr später ist nun auch die letzte verfügbar. Nicht zuletzt wegen des hübschen Pixel-Looks schien mir The Lion’s Song einen Blick wert zu sein. Aber auch der besondere Fokus auf die narrativen Aspekte faszinierte mich. Da Mi’pu’mi Games das Spiel auch auf iOS und Android herausbringen, erwartete ich kein grafisches Meisterwerk. Gerade deshalb war ich verblüfft, wie viel Abwechslung, Finesse und Liebe zum Detail auf den Bildschirm gezaubert wurde. Auch in Sachen Handlung haben die vier Episoden einiges zu bieten.
Hinweis: Ein Review-Code von The Lion’s Song wurde uns noch vor der Veröffentlichung des Spiels zur Verfügung gestellt. Da die Handlung ein zentraler Teil des Spielerlebnisses ist, verzichten wir im folgenden Review so gut es geht auf Spoiler.
Grundsätzlich ist The Lion’s Song ein klassisches 2D-Point-and-Click, welches den Fokus stark auf die Dialoge mit verschiedensten Personen setzt. Klassische Rätsel gibt es kaum, meistens sind es die Gespräche, in denen man auf bestimmte Aussagen achten muss, um voranschreiten zu können. Da jeder der Charaktere die Welt aus einem anderen Winkel zu betrachten versucht, ändert sich auch die Art, wie die Rätsel aufgebaut sind, von Episode zu Episode merklich.
Im Laufe der Geschichte begleitet man vier verschiedene Figuren, die besonders mit ihrer Kreativität aus der Masse hervorstechen und Bleibendes schaffen wollen. Angesiedelt in Wien zu Beginn des 20. Jahrhunderts, dass neben vielen schönen auch die dunklen Seiten der Zeitepoche teilt, fällt es den Protagonisten nicht immer leicht, ihre Ziele zu erreichen. The Lion’s Song verstrickt schwierige Thematiken, wie beispielsweise komplexe Beziehungen zwischen Menschen, Unzufriedenheit und Versagen, Emanzipation und Tod geschickt in den Handlungsrahmen, ohne dabei zu theatralisch zu wirken. Trotz vieler Probleme bleiben die Charaktere auf Kurs und lassen sich nicht von ihren Wünschen und Zielen abbringen. Der Glaube an die eigenen Fähigkeiten treibt sie voran.
Anfangs scheinen die Hauptfiguren aus den vier Episoden nichts miteinander zu tun zu haben. Man erlebt völlig unterschiedliche Leben- und zum Teil auch Leidenswege, die überhaupt nicht in Relation zueinander zu stehen scheinen. Erst nach und nach offenbaren sich Zusammenhänge, die schlussendlich dazu führen, dass auch der Spieler selbst über sich und sein Umfeld reflektiert. Manchmal führen die unterschiedlichsten Wege am Ende eben doch an dasselbe Ziel und es tun sich Verbindungen auf, wo man nie welche vermutet hätte. Die Welt ist zuweilen kleiner, als man denkt.
Nicht oft kommt es vor, dass bei einem Episodenspiel die Handlung stetig besser wird. Meistens gibt es zwischendrin immer irgendwo Passagen, die weniger unterhaltsam sind. Ganz anders ist es bei The Lion’s Song. Die Geschichte wird stetig spannender und nach jeder Szene will man unbedingt erfahren, wie es weitergeht. Nach der grandiosen dritten Episode war es sicherlich nicht einfach, ein würdigen Abschluss für die Handlung zu finden. In der letzten Episode wird aber genau das erreicht. Stränge werden zusammengeführt, die Erzählung wirkt in sich schlüssig und dem Spieler wird trotzdem noch genug Freiraum für Gedankenspiele gelassen. Genau so muss ein gelungenes Ende sein.
Dass man sich gut mit den Charakteren identifizieren kann, liegt auch daran, dass diese menschliche Probleme haben und keine Weltretter sind. Sie stehen vor alltäglichen Herausforderungen und halten an den Plänen für die Zukunft ihrer Träume fest, ohne dabei den steriotypischen Superhelden zu mimen. Untermalt wird die Art, wie die Handlung übermittelt wird, sowohl durch die ausgezeichnete Sprache als auch die Optik. Obwohl The Lion’s Song ausschließlich textbasiert ist und man keinerlei vertonte Dialoge vorfindet, wurde in der deutschen Version der österreichische Dialekt wunderbar getroffen. Kein Dialog wirkt aufgesetzt, jeder Satz fühlt sich natürlich an. Eine tolle Leistung, wenn man bedenkt, dass ein großer Teil des Spiels ausschließlich aus Gesprächen besteht.
Schon auf den Screenshots und im Trailer lässt sich der Reiz der grafischen Gestaltung von The Lion’s Song ausmachen. Von der Diversität der Figuren und ihren Kleidungsstücken bis hin zu den Innenräumen mit detailverliebten Dekorationen und interessanten Feinheiten wirkt jeder Moment wie ein zum Leben erwecktes Pixel-Gemälde. Die Symbiose aus stets passenden Hintergrundgeräuschen, optischer Finesse und klugen Dialogen fügt sich zu einem wunderbar stimmigen Gesamterlebnis zusammen, dass man gerne auf sich wirken lässt. Umso erfreulicher ist es dann noch, wenn die Geschichte zu einem passenden Ende gelangt und die Charaktere dem Spieler besonders durch ihre Glaubwürdigkeit noch lange im Gedächtnis bleiben werden.
Mein Fazit zu The Lion’s Song:
Es ist das Zusammenspiel zwischen der packenden Handlung, der spannenden Erzählweise und den glaubwürdigen Dialogen, das The Lion’s Song zu einem durchweg unterhaltsamen Adventure macht. Die wunderbar passende Optik und die stimmigen Hintergrundsounds runden das rund vierstündige Erlebnis auch auf der technischen Seite passend ab. Durch Entscheidungen, mit denen du viele Ereignisse im Verlauf der vier Episoden beeinflussen kannst, und einem gleichermaßen befriedigenden und nachdenklich machenden Ende ist das Spiel auch für mehrere Spieldurchgänge geeignet. The Lion’s Song ist eine rundum gelungene Spielerfahrung.
Die letzte Episode von The Lion’s Song erscheint heute, am 13. Juli 2017, bei Steam. Das komplette Spiel kostet 9,99€ und wird auch für iOS (4,99€) und Android (5,49€) verfügbar sein.