Schon vor Monaten war ich sehr gespannt, als uns zugetragen wurde, dass wir einen Review-Key von Steel Division 2 erhalten könnten. Wie schon oft erwähnt, warte ich seit Jahren sehnlichst auf ein gutes Strategiespiel und war dementsprechend auch auf den Nachfolger eines Spieles sehr gespannt, welches ich selber gar nicht gespielt habe. Nachdem Steel Division 2 nach einigen Betaphasen endlich erschien und wir unseren Code im Postfach fanden, freute ich mich wie ein Schnitzel, endlich die Truppen an der Ostfront in taktischen Echtzeitkämpfen zu kontrollieren. Doch meine Euphorie kippte rasch zu Frustration.
Voller Vorfreude schaute ich mir in den Wochen vor der Veröffentlichung Steinwallens Angespielt-Videos zum ersten Teil an. Ich wusste also grob Bescheid über die strategischen Feinheiten, auf welche man während einer Partie achten sollte. Trotz des fehlenden Basenbaus verfügt Steel Division über eine außerordentliche Spieltiefe. Die verschiedenen Einheiten wollen geschickt eingesetzt und gegeneinander ausgespielt werden – richtige Aufstellung an Schlüsselpositionen ist äußerst wichtig für den Sieg. Ich ging also mit einer gewissen Portion Vorwissen an den zweiten Teil heran und fühlte mich dennoch wie ein blutjunger Neuling, der kaum eine Chance zum Lernen hatte – Steel Division 2 macht nämlich einen gravierenden Fehler. Das Spiel verfügt über keinerlei Tutorial.
Hinweis: Ein Review-Key von Steel Division 2 wurde uns zur Verfügung gestellt.
Ich bin beileibe kein Freund von Spielen, die einem alle Spielelemente in kleinen Häppchen servieren und der Spieler konstant an die Hand nehmen. Die eigenständige Entdeckung von versteckten Raffinessen und neuen Möglichkeiten des Spielens machen besonders dann einen großen Reiz des Hobbys aus, wenn man schon seit Jahren aktiv in der Szene ist und unzählige Stunden in virtuellen Welten verbracht hat. Mich selbst zähle ich auch zu dieser Art von Spielern – jene, die hin und wieder mit den Augen rollt, wenn ein Spiel wieder einmal glaubt erklären zu müssen, wie man die Kamera bewegt, hüpft oder sich duckt. Das hochgelobte The Last of Us lässt den Spieler in den ersten Stunden kaum von der Leine, weshalb ich es schnell wieder beiseite legte. Mehr dazu in unserem Meinungsartikel.
Dass man zwangsläufig zumindest bis zu einem gewissen Grad in die Materie eines neuen Spiels eingeführt werden muss, zeigt Steel Division 2 nun deutlich. Denn ohne Erklärung wird der sicherlich irgendwo versteckte Spielspaß eher zum Rohrkrepierer.
Mit mittelmäßigem Echtzeitstrategie-Wissen und ein paar angesehenen Videos zum ersten Teil stürzte ich mich also Hals über Kopf in meine erste Schlacht gegen die KI von Steel Division 2. Auf den weitläufigen Karten stehen sich Achsenmächte und sowjetische Truppen gegenüber und kämpfen um die Vorherrschaft über an wichtigen Punkten platzierte Flaggen. Bevor der Echtzeit-Teil beginnt, hat man erst einmal Zeit, mit einem Kontingent an Geldmitteln Truppen zu kaufen und sie auf der eigenen Hälfte des Schlachtfeldes zu positionieren. Ist dies erledigt, startet man das eigentliche Gefecht per Knopfdruck und die Armeen marschieren los. Hauptaugenmerk einer jeden Partie ist die sich je nach Truppenaufgebot dynamisch verschiebende Frontlinie, an der sich ausmachen lässt, welche Seite vermeintlich gerade die Oberhand hat.
Ziel in Steel Division 2 ist es nicht etwa, eine feindliche Basis zu zerstören oder alle gegnerischen Truppen zu eliminieren. Vielmehr reicht es, mehr Flaggen zu halten als der Gegner und damit das eigene Siegpunkte-Konto langsam zu füllen. Und so bewegte ich Panzer zu scheinbar guten Positionen und ließ meine Infanterie Wälder durchstreifen, um ungeschützte Konvois abzufangen. Mehr oder minder planlos schlängelte ich mich so langsam nach vorne und konnte schlussendlich ohne jegliche Art von Wissen über die Feinheiten des Spiels meinen ersten Sieg einfahren. Das war wohl auch nicht verwunderlich, schließlich spielte ich auf dem niedrigsten Schwierigkeitsgrad.
Als ich kurz darauf durch meinen überragenden Sieg mit gestärkter Brust die zweite Runde gegen einen etwas kompetenteren KI-Kontrahenten katastrophal in den Sand setzte und nicht so recht wusste, warum meine Truppen diesmal scheinbar machtlos waren, machten sich bereits erste Zweifel breit. Habe ich irgendetwas übersehen? Nun, hätte ich damals gewusst, dass es unzählige Tastatur-Shortcuts gibt, ohne die man quasi blind auf das Schlachtfeld blickt, wäre vieles anders gelaufen. Besonders das Einblenden der Sichtlinie der angewählten Einheit ist immens wichtig, da man aus der Vogelperspektive ansonsten nie erkennen kann, was die eigenen Truppen eigentlich sehen können. Ist eine Panzerabwehrkanone beispielsweise strategisch klug auf einem Hügel positioniert, kann sie nahezu über die halbe Karte feuern und Gegner in für Strategiespiele untypischen Entfernungen aufs Korn nehmen.
Auch andere Kniffe lernte ich in den Partien danach nur durch ausprobieren kennen. Ich hatte im Grunde nie das Gefühl, wirklich einen Plan zu haben, was ich gerade tue. Dementsprechend verwundert es nicht, dass das Spiel mich nicht für längere Zeit fesseln konnte. Den Divisions-Designer, in welchem man die eigene Armeeaufstellung anpassen und dabei aus einer Vielzahl von Einheiten wählen kann, habe ich noch gar nicht angerührt – zu allererst sollte es mir ja eigentlich gelingen, das Grundspiel zu verinnerlichen. Natürlich hätte ich mir Tutorials und Gameplay von Veteranen der Reihe anschauen können, doch genau an dieser Stelle scheiden sich wahrscheinlich die Geister. Muss ein Spiel sich selbst erklären können oder macht eine immens hohe Lernkurve zu einem gewissen Punkt auch einen Teil der Spielerfahrung aus? Wird erwartet, dass man auf YouTube und Co. zurückgreift, um zu verstehen, worauf man achten sollte und wie das Spiel funktioniert?
Wie eingangs erwähnt kann ich Spiele, die dem Spieler zu wenig Eigenleistung zutrauen, nicht ausstehen. Ein gewisses Maß an Erklärung sollte man aber insbesondere dann zur Verfügung stellen, wenn der eigenen Marke noch nicht der große Durchbruch gelungen und man auf Spielerzuwachs angewiesen ist. Hochkomplexe Strategiespiele, wie zum Beispiel Europa Universalis IV, haben sich über die Jahre eine große Fangemeinde aufgebaut, welche die nachfolgenden Spiele des Studios selbstverständlich schneller verstehen wird als jene, die zum ersten Mal einen Blick darauf werfen. Und obwohl man sich dank eines recht rudimentären Tutorials hier ein wenig besser zurecht findet, springen immer wieder Spieler ab, weil sie einfach nicht die Zeit oder den Willen dazu haben, sich durch das Internet zu wühlen, um zu verstehen, wie das Spiel funktioniert.
Es ist mir ein Rätsel, wie ein Spiel mit derartigem Tiefgang keinerlei Ambitionen verfolgt, eben diesen zu verdeutlichen. Sicherlich kann man sich mit stundenlangem Try and Error auch selbstständig einen Überblick verschaffen, doch ich kann mir beileibe nicht vorstellen, dass dies das Ziel des Entwicklerteams war. Möglicherweise wird zukünftig noch ein Tutorial folgen. Allerdings ist fraglich, ob dies mehrere Monate nach der Veröffentlichung noch große Auswirkungen haben wird. Erstkäufer, die das Spiel über Steam gekauft und nach kurzem Anspielen zurückgaben, werden wohl kaum noch einmal zurückkehren. Schade, die Spielerschaft hätte deutlich mehr Wachstum verzeichnen können. Hier wurde viel Potential verschenkt.
Mein Ersteindruck zu Steel Division 2:
Liebes Team von Eugen Systems, es ist sehr löblich, dass ihr in der heuten Zeit von MOBA und Battle Royale noch den Mut beweist, ein Echtzeitstrategiespiel mit frischen Ideen in einem realistischen Setting auf den Markt zu bringen. Allerdings wäre es schön, wenn ihr dem Spieler erklärt, wie das Spiel denn nun gespielt werden soll. Der erste Teil verfügte scheinbar über ein Tutorial, warum nicht also auch beim zweiten? Einsteigerfreundlichkeit sieht anders aus. Solange das Spiel mir nicht sagt, was es von mir erwartet, habe ich kaum Ansporn, es zu spielen. Vor allem nicht im Mehrspieler-Modus, der ja eigentlich das Herzstück des Spiels ist. Komplexität kann Fluch und Segen zugleich sein – im Falle von Steel Division 2 ist es im Moment leider eher ersteres.
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