Europa Universalis IV: Denn sie wissen nicht, was sie tun

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Genau genommen ist die „Review“-Kategorie für diesen Beitrag nicht ganz richtig. Denn obwohl ich schon etliche Stunden in Europa Universalis IV verbracht habe, fühle ich mich noch recht häufig wie ein blutiger Anfänger. Nichtsdestotrotz möchte ich in den folgenden Zeilen die Faszination hinter dem Strategie-Schwergewicht ergründen und neben vielen tollen Aspekten auch einige nicht sonderlich gelungene Seiten von EU4 beleuchten.

Europa Universalis gibt sich recht bescheiden und suggeriert im Titel, dass man lediglich auf dem europäischen Kontinent seine Interessen durchsetzen wird. Doch das Spiel simuliert die komplette Erdkugel in Echtzeit mit weit über 500 spielbaren Nationen in der Zeit von 1444 bis 1821. Spätestens daran sollte jedem klar sein, dass die Reise durch die Jahrhunderte kein Zuckerschlecken wird und man sich auf einiges gefasst machen muss. Die Entwicklung der eigenen Provinzen, den Aufbau eines starken Handelsnetzwerks und die Instandhaltung nützlicher Bündnisse – das alles und noch viel mehr muss man beachten, um einigermaßen erfolgreich voranzuschreiten. Und natürlich haut man seinen Nachbarn des Öfteren eins auf die Mütze. Oder andersherum. Wie gesagt, EU4 ist kein Zuckerschlecken.

Es ist anfangs gar nicht so einfach, sich für eines der unzähligen Länder zu entscheiden. Um die Auswahl ein wenig zu vereinfachen, stellt einem das Spiel je nach gewählter Zeit und Region direkt einige interessante Möglichkeiten vor, die sich in der jeweiligen Epoche besonders spannend spielen lassen. Beispielsweise sind zur Zeit der Kolonisierung Amerikas England, Spanien und Portugal unterhaltsame Nationen, wohingegen im nahen Osten das Osmanische Reich seine Interessen bis nach Ägypten und – zumindest historisch – auch bis vor die Tore Wiens ausbreitet. Dass das in meinem derzeitigen Spielstand nicht wirklich klappen wollte und ich stattdessen lieber die Länder der arabischen Halbinsel ins Visier genommen habe, liegt an ziemlich vielen Faktoren, die alle ineinander greifen und die Komplexität von EU4 ausmachen.

Wenn einem kurz nach der Kriegserklärung im Hinterland dutzende Rebellen und Separatisten entgegenstehen und man seine Armee aufsplitten muss, während sich die Goldreserven durch vom Gegner blockierte Handelsruten quasi im freien Fall befinden, ist man mitten drin in der chaotischen Welt von Europa Universalis. Zeiten, in denen fast gar nichts passiert und man die Spielgeschwindigkeit getrost hochschrauben kann, können sich blitzschnell in ausweglose Situationen wandeln, in denen jede Entscheidung wichtig ist und man die Tage im Schneckentempo vergehen lässt. Die pausierbare Echtzeit lässt hierbei deutlich mehr Dynamik zu, als es etwa in Civilization möglich wäre. Das funktioniert auch im Mehrspieler-Modus recht gut, vorausgesetzt man spricht sich ab, wann die Zeit schnell und wann sie langsam laufen soll.

Natürlich haben Spieler, die Länder mit großer Fläche und einer starken Armee kontrollieren, zwangsläufig mehr zu tun als jene, die mit kleinen Staaten vorlieb nehmen. Man sollte sich im Normalfall nicht darauf einstellen, mit Sachsen oder den Azteken die Welt zu erobern. Dass das mit viel Wissen und einer kleinen Priese Glück dennoch funktioniert, macht deutlich, dass EU4 nicht zwingend die realen historischen Entwicklungen nehmen muss. Das ist irgendwo auch logisch, denn schon ein einziges ahistorisch geschlossenes Bündnis kann wortwörtlich die Welt verändern.

Europa Universalis 4 Preußen

Hält man bis zum Jahr 1821 durch, erwartet einen kein sonderlich spektakuläres Ende. Lediglich ein paar Statistiken gibt es zu begutachten. Ein wenig mehr Details wären hier nicht verkehrt gewesen, auch wenn in Europa Universalis ganz klar der Weg das Ziel ist. Man sollte sich schon während des Spielens im Klaren sein, was man erreichen möchte und wohin die eigene Reise durch die Jahrhunderte gehen soll. Zwar gibt einem das Spiel auch optionale Missionen vor, die wertvolle Boni bringen und sich zum Teil an der geschichtlichen Entwicklung des jeweiligen Landes orientieren, trotzdem sollte man sich seine eigenen Meilensteine setzen, um das Geschehen zusätzlich interessant zu gestalten. Wie wäre es mit einer Umschiffung der kompletten Erdkugel mit Preußen oder der Eroberung von England durch Dänemark? Der Fantasie sind hier kaum Grenzen gesetzt.

Für zusätzliche Langzeitmotivation sorgen auch die kostenlosen Updates und kostenpflichtigen DLCs. Bei der Verteilung der Inhalte auf Update und DLC scheiden sich allerdings die Geister und für viele ist die DLC-Politik in weiten Teilen ziemlich ungerecht. Zwar verbessern die kostenlosen Updates das Spiel stetig, doch gleichzeitig werden wichtige neue Funktionen nur per DLC freigeschaltet. So können beispielsweise belagerte Provinzen im Hauptspiel nicht an Verbündete abgegeben werden, sodass diese sie später in ihr Reich integrieren können. Nur der, der belagert, bekommt in den Friedensverhandlungen die Möglichkeit, das Gebiet zu annektieren. Zwar ermöglicht der stetige Verkauf von neuen Inhalten die Weiterentwicklung von EU4, dennoch bleibt ein fader Beigeschmack, wenn komfortable Funktionen, die auch meiner Meinung nach einfach ins Spiel gehören, erst nachgekauft werden müssen. Wenn selbst die Community schon Pläne hat, wie Paradox Interactive den Umgang mit DLC verbessern könnten, läuft etwas nicht richtig.

Um Spaß zu haben, sind die Kaufinhalte natürlich nicht zwangsläufig nötig, denn das Grundspiel beinhaltet schon genug Wiederspielwert für die nächsten einhundert Jahre. Oben drauf gibt’s auch noch die unzähligen Mods im Steam Workshop, die von dem Interface bis hin zur Zeitepoche und sogar ganz eigenen Szenarien alles beinhalten können. Auf Wunsch können so zusätzlich zu den ohnehin schon vielseitigen Kartenmodi neue hinzugefügt, die Zeit vom Jahre 0 bis ins Jahr 2050 erweitert oder gleich in Westeros, der Welt von Game of Thrones, Schlachten geschlagen werden. Wer das Spielprinzip von EU4 mag, kann hier mit Leichtigkeit mehrere tausend Stunden verbringen, wodurch auch der eher durchwachsene Eindruck im Bezug auf die DLCs nicht mehr so gewichtig ist.

Europa Universalis 4 Amerika

Mein Fazit zu Europa Universalis 4:

Europa Universalis ist ein waschechter Kartenanstarr-Simulator. Detaillierte grafische Darstellungen der Schlachten, Handelsrouten oder Religionsunruhen gibt es nämlich nicht. Wenn man sich aber erst einmal daran gewöhnt hat, dass man sich die meiste Zeit in Menüs befindet und die stilisierte bunte Länderkarte anschaut, bringt EU4 seinen gigantischen Umfang zur Geltung. Wenn dir Civilization zu lasch ist und du Lust auf wirklich globale Strategie mit unglaublich vielen Facetten hast, bist du bei Europa Universalis und im Prinzip auch allen anderen Spielen von Paradox Interactive genau richtig. Und jetzt entschuldigt mich, die Mamelucken machen schon wieder Stress an meiner Grenze.

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