Netflix und The Witcher: Ein schmaler Grat zwischen episch und trashig

Mit The Witcher 3: Wild Hunt gelang es CD Projekt Red ein unvergessliches Rollenspiel-Erlebnis zu liefern. Und obwohl ich die beiden Vorgänger nie gespielt habe, platzierte sich das Spiel dank einer spannenden Geschichte rund um den Hexer Geralt und nicht zuletzt durch die grandios gestaltete Spielwelt in meinen All-Time-Favorites. Ich war also recht angetan, als Netflix eine monumentale Serie in der Welt von The Witcher in Aussicht stellte. Am 20. Dezember 2019 ist sie nun endlich erschienen und ich konnte es mir nicht nehmen lassen, alle acht Folgen der ersten Staffel an einem Wochenende zu schauen.

Nach Game of Thrones und seinem tragischen Ende, welches wir bereits ausführlich im Artikel „Game of Thrones – Leider zu schnell beendet und zum Glück endlich vorbei“ diskutiert und auseinander genommen haben, erwarten selbstverständlich viele eine ähnlich großartig inszenierte Serie. Wir möchten im folgenden Beitrag keine unnötigen Vergleiche ziehen und The Witcher von Netflix stattdessen als eigenständiges Produkt bewerten. Du wirst von uns also nicht erfahren, ob die Serie nun besser oder schlechter als Game of Thrones ist – das liegt völlig am persönlichen Geschmack und kann von Außenstehenden nicht bewertet werden. Zu Erklärungszwecken werden wir trotzdem auch auf ähnliche Filme und Serien zurückgreifen.

Hinweis: Der folgende Artikel vermeidet Spoiler so gut es geht. Zur Handlung der acht Folgen halten wir uns weitestgehend bedeckt und verraten nicht mehr, als in den Trailern zu sehen ist.

Als Zocker ist man es ja quasi schon gewohnt, dass Filmadaptionen kaum mehr als mittelmäßig daherkommen. Eines der wenigen Highlights der letzten Jahre war wohl Warcraft: The Beginning – und selbst hier war das weltweite Publikum nicht wirklich überzeugt. Dementsprechend skeptisch war ich auch, als Netflix eine Serie im Witcher-Universum ankündigte. Seinen Ursprung hat der Hexer allerdings nicht in der Welt der Videospiele – schon vor 30 Jahren erschienen erste Bücher des polnischen Autoren Andrzej Sapkowski. Und dennoch, ohne die Spielereihe von CD Projekt Red hätte es wohl auch die Netflix-Serie wegen fehlender Bekanntheit kaum gegeben. Da The Witcher deutlich mehr auf Fantasy setzt als etwa ein Der Herr der Ringe oder Game of Thrones, kann es schnell passieren, dass insbesondere die magischen Effekte sehr billig erscheinen und die Wirkung der Serie verblassen lassen. Und auch die Gestaltung der Welt ist besonders für diejenigen wichtig, die sie etliche Stunden lang in den Videospiel-Adaptionen erkunden und besuchen konnten. Die düstere Grundstimmung muss einfach passen und ich war auch nach den ersten Trailern nicht völlig überzeugt, ob Netflix dies zufriedenstellend darstellen wird.

Schon nach kurzer Zeit in der ersten Folge lässt sich sagen, dass der Grundtenor stimmt. Ich konnte mich also erst einmal halbwegs beruhigt zurücklehnen und mich voll und ganz auf den Beginn der Erzählung konzentrieren. Mitdenken sollte man auch, denn bei der Handlung nicht den Faden zu verlieren erscheint im ersten Moment nahezu unmöglich – selbst für Kenner der vorherigen Werke, die so wie ich wenigstens einen Teil der Charaktere bereits zuordnen können. Die Verwirrung entsteht vor allem dadurch, dass die Serie selbst innerhalb von einzelnen Folgen mehrfach große Zeitsprünge vor und zurück macht und dadurch Veränderungen urplötzlich auftreten können. Wer hier nicht aufpasst, der wird sich nach einer Weile ziemlich verloren fühlen und für den Anfang erst einmal nur auf die audiovisuellen Eindrücke fokussieren und das Verstehen der Handlung in den Hintergrund rücken lassen.

Die gezeigten Bilder in The Witcher reichen über die acht Episoden hinweg von genial bis hin zu eher kitschig und billig wirkend – zum Glück lässt sich aber festhalten, dass erstere deutlich überwiegen. Besonders die Schwertkampf-Szenen mit unserem Hauptprotagonisten Geralt sind eine Augenweide – Henry Cavill, der aktuellste Superman-Darsteller, legt sich voll ins Zeug und hat zusammen mit Kampfdesigner Vladimir Furdik trainiert, um jeden Kampf ohne Double meistern zu können. Das Endergebnis überzeugt, Geralt schwingt sich ähnlich behände wie in den Spielen zwischen Gegnern hin und her und die Kamera fängt die Action ohne zu viele Schnitte grandios ein. Die Qualität der Produktion variiert in der ersten Staffel allerdings noch zu sehr – hin und wieder wird der Augenschmaus durch schlechte CGI-Effekte getrübt.

Geralts Schwertkampfkünste sind ein großes Highlight von The Witcher!

Im Verlauf der Episoden wird nicht nur häufig zwischen verschiedenen Zeitabschnitten gesprungen – auch die drei Hauptcharaktere sind über die Welt verstreut und erleben allesamt ihre eigenständige Geschichte. Während Geralt also eher in Kurzgeschichten-Form in von einander getrennten Momenten gezeigt wird, erleben wir die Ausbildung von Magierin Yennefer von Vengerberg und das sich auf einen Schlag verändernde Leben von Prinzessin Cirilla Fiona Elen Riannon, die vielen sicherlich kurz und knapp als Ciri ein Begriff sein wird. Erst in späteren Episoden wird klar, in welcher Reihenfolge die Handlung abgelaufen ist und es ergibt sich für den Zuseher eine klarere Struktur. Die zuweilen sehr verwirrende Erzählweise sorgt einerseits für Spannung, schreckt sicherlich aber auch einige Zuschauer vom Weitergucken ab.

Obwohl alle drei Figuren gleichermaßen im Vordergrund stehen und man sowohl von Yen als auch Ciri sehr viel erfährt und zu sehen bekommt, liegt das Hauptaugenmerk ganz klar auf Geralt. Anfangs war ich skeptisch, ob der Superman-Darsteller der Rolle des Hexers von Riva gerecht werden kann. Dass dieser sich als Fan der Spiele nun auch perfekt für die Hauptrolle der Serie eignet, freut mich daher umso mehr. Die trockene und stets leicht genervte Art des von vielen Menschen verachteten Hexers steht Cavill perfekt – nicht zuletzt, weil er auch die spieltypische Stimmlage punktgenau in sein Schauspiel überträgt. Neben den Kämpfen gegen menschliche und nicht-menschliche Monster ist auch die Verbindung zwischen Geralt und dem Barden Rittersporn eine pure Freude. Die Dynamik der Begegnungen der beiden ungleichen Gesellen ist in jeder Szene absolut fantastisch gelungen!

In den Szenen, in denen der raue Auftragsmonstermeuchler auf den leicht übermotivierten Barden trifft, glänzt The Witcher auch mit einer Vielzahl an lustigen Momenten, ohne dabei jedoch zu weit in eine Comedy-Ecke zu rücken. Der Spagat wurde hier wundervoll gemeistert und es macht einfach Spaß, den beiden zuzusehen. Allgemein ist die Serie insgesamt sehr unterhaltsam anzuschauen – langgezogene Momente des Langweilens gibt es meines Empfindens nach gar nicht. Ein wenig seltsam hingegen ist hin und wieder der Einsatz von dunkelhäutigen Darstellern, die nicht so recht in eine mittelalterlich-europäisch angehauchte Welt passen wollen und für ungewollt seltsame Augenblicke sorgen können – hier leidet die Immersion schon merklich. Dem Unterhaltungswert der Serie tut dies allerdings keinen Abbruch.

Die drei Hauptfiguren agieren in Staffel 1 weitestgehend unabhängig voneinander.

Mein Fazit zu The Witcher von Netflix:

Man darf durchatmen, Die Netflix-Adaption von The Witcher lässt unwissende nicht mit einem höhnischen Lächeln auf die Gaming-Welt blicken, die das Hexer-Universum weltweit bekannt gemacht hat. Die acht Folgen umfassende erste Staffel bietet viele tolle Momente und fängt diese in epischen Bildern ein. Besonders die Kämpfe unseres Protagonisten, der perfekter nicht hätte gecastet werden können, sind phänomenal. Auch dessen Zusammenspiel mit dem ebenfalls wunderbar geschauspielerten  Rittersporn sind grandios. Neben diesen beiden wirkten die natürlich sehr wichtigen Handlungsstränge von Yen und Ciri für mich fast schon nebensächlich – ich könnte mir stundenlang anschauen, wie der Barde dem Hexer auf den Geist geht.

Nicht ganz so gut gelungen sind indes an manchen Stellen die Computereffekte, welche zuweilen recht billig daherkommen und die Serie für einige Momente ins kitschig-trashige abdriften lassen. Im Großen und Ganzen ist The Witcher schön dreckig und düster, wodurch unpassende Effekte allerdings gleich noch mehr ins Auge fallen. Auch über die Wahl untypischen Ethnien einiger Figuren fallen kann man sicherlich diskutieren – von einer schwarzen Ciri gespielt von Samuel L. Jackson wurden wir aber verschont. Staffel 1 macht in visueller Hinsicht schon vieles richtig, in Staffel 2 muss alles noch ein wenig verfeinert und wertiger produziert werden.

Insgesamt ist The Witcher für Fantasy-Fans durchaus eine Empfehlung wert. Luft nach oben bleibt für die zweite schon bestätigte Staffel dennoch, ich erwarte nach den ersten acht Folgen, die meines Empfindens nach eher wie ein sehr langes Intro erzählt wurden, eine zusammenhängende Geschichte mit dem Ausbau der Figuren und spannenden Wendungen in einer Welt, die in Staffel 1 kaum erklärt wurde. Letzteres sollte in der zweiten Staffel dann unbedingt geschehen. Auch das Budget für CGI-Elemente könnte Netflix ruhig noch ein wenig noch oben schrauben. Ich bin sehr gespannt und freue mich auf weitere Abenteuer mit Geralt!