Nach dem grandiosen ersten Teil von Mirror’s Edge wünschten sich viele Fans – mich eingeschlossen – einen Nachfolger. Im Sommer 2016 war es dann endlich soweit und Mirror’s Edge Catalyst erschien. Mit einer offenen Welt und mehr spielerischer Freiheit sollte Heldin Faith wieder die Spielerherzen erobern. Mit fragwürdigem Design verspielt Catalyst allerdings viel von seinem Potential.
Vor mittlerweile neun Jahren stellte DICE mit Mirror’s Edge ein völlig neues Konzept auf die Beine. Das Jump ’n‘ Run aus der Egoperspektive bestach durch frisches Gameplay und eine sterile Stadt, in der Überwachung an der Tagesordnung steht. Kämpfe waren eher nebensächlich, vielmehr war das Kernelement von Mirror’s Edge die Fortbewegung mit vielen Parcour-Tricks durch größtenteils lineare Gebiete. Eine Erweiterung der Spielwelt und mehrere Lösungswege in der offenen Stadt klingen erstmal recht vielversprechend. Das Potential blieb in Catalyst allerdings völlig ungenutzt.
Nachdem Faith in der Introsequenz aus der Gefangenschaft entlassen wurde und wir von einem befreundeten Runner unser HUD bekommen haben, folgt die erste Klettersequenz von Catalyst. Schnell fällt auf, dass sich am Kerngameplay nicht viel geändert hat. Gut so, denn das Mittendrin-Gefühl bei waghalsigen Sprüngen, Wallruns und dem perfekten Abrollen nach einem tiefen Fall waren schon im Vorgänger das große Highlight. Trotzdem gibt es auch bei der Bewegungsfreiheit einige Änderungen.
Das besagte Abrollen ist nämlich erst möglich, nachdem wir es im Fähigkeitenbaum freigeschaltet haben. Vorher beherrscht unsere Spielfigur nur eine Dreipunktlandung, die wesentlich mehr Zeit in Anspruch nimmt und zusätzlich die Geschwindigkeit stark reduziert. Geschwindigkeit ist ein gutes Stichwort, denn als Spieler ist man stets darum bemüht, seine Route so zu wählen, dass man mit möglichst wenig Geschwindigkeitsverlust über die Hindernisse gelangt. Die praktische rote Markierung von Objekten hilft uns wieder dabei, einen guten Weg zum nächsten Ziel zu finden. Anders als im Vorgänger werden aber Geländer, Wände und Stufen nicht nur rot eingefärbt. Stattdessen kann sich Faith auf Wunsch auch eine Art Navi einblenden lassen, dass einen nicht übersehbaren, rot wabernden Strich auf den Boden zeichnet.
Obwohl ich anfangs nicht verstand, warum man mit dem Navi noch ein zusätzliches Tool zur Routenplanung besitzt, kam ich schnell zur Erkenntnis, dass dies der Spielwelt von Catalyst geschuldet ist. Die Gestaltung dieser ist nämlich weitaus eingeschränkter, als man anfangs vermutet. Der Boden ist wie im ersten Teil wieder nicht betretbar und Faith überlebt den Sturz von einem Gebäude nie. Zwischen einzelnen Häuserblocks gibt es oft nur wenige Verbindungen und die großen Straßen sind nur über diese überwindbar. Das hat zur Folge, dass man bei falscher Routenwahl oft die komplette Strecke wieder zurücklaufen muss, um den einen möglichen Weg über die große Straße zu nutzen. Besonders mit fortschreitender Spieldauer kommt man so zwangsläufig doch immer an den selben Stellen vorbei.
Aus der guten Idee einer offenen Welt, die das Gameplay erweitern sollte, wurde schlussendlich ein totaler Reinfall. Weder Mini-Aufträge und das Einsammeln von verschiedenen Objekten sind nicht interessant und durchdacht genug, um aus der Spielwelt mehr als nur ein HUB für die Hauptmissionen zu machen. Man rennt also kreuz und quer durch eine Welt, in der es nichts spannendes zu entdecken gibt, nur um an verschiedenen Orten die Hauptaufträge zu starten, die zum Teil richtig gut gelungen sind. Vor allem dann, wenn uns Catalyst die Freiheit gibt, uns ohne Zeitlimit durch die dann doch wieder linearen Gebiete der Missionen zu bewegen. Problematisch wird es dann, wenn die Kletterpartien durch Kämpfe unterbrochen werden.
Wo man im ersten Teil noch Konflikten mit Gegnern aus dem Weg gehen konnte und sich nur selten in den direkten Kampf stürzen musste, schlägt Catalyst einen ganz anderen Weg ein. Duelle gegen die Sicherheitskräfte stehen an der Tagesordnung und man kann bestimmte Areale erst verlassen, wenn jeder Gegner geschlagen ist. Das Kampfsystem fühlt sich durch viele Änderungen weniger flüssig an als im Vorgänger. Vor allem der Schaden, den bestimmte Angriffe machen, ist absolut unlogisch. Wenn beispielsweise ein normaler Tritt kaum Schaden anrichtet, wohingegen ein Tritt, bei dem der Gegner gegen ein Geländer stolpert, fast tödlich endet, ist das mehr als seltsam. Hinzu kommt, dass man im Laufe des Spiels viel zu vielen Feinden gegenübersteht und praktisch in jeder Mission ein bestimmter Sektor erst leergeräumt werden muss. Warum man einen größeren Fokus auf das miserable Kämpfen gelegt hat, blieb mir bis zum Ende ein Rätsel. Mehr Bewegungsfreiheit in den Duellen und weniger Widersacher, die mit intelligenten Positionierungen statt mit schierer Masse angreifen, hätten Catalyst definitiv gut getan.
Auch die Handlung von Catalyst kann nicht vom Spiel überzeugen. Die Charaktere bleiben bis auf wenige Ausnahmen ziemlich eindimensional, der Verlauf der Handlung ist zu oft vorhersehbar und Twists erreichen nicht die gewünschte Funktion. Das Kernelement von Mirror’s Edge ist immer noch die Bewegung, die bedauerlicherweise von hochgradig unterhaltsam bis unglaublich nervig reicht. Besonders die Stellen, die man unzählige Male durchqueren muss, weil die Weltgestaltung zu eingeschränkt ist, werden nach kürzester Zeit zu einer ziemlichen Ernüchterung und trüben den Spielspaß ungemein.
Mein Fazit zu Mirror’s Edge Catalyst:
Mirror’s Edge Catalyst ist ein gutes Beispiel dafür, wie man ein Spiel durch nett gemeinte aber falsch umgesetzte Neuerungen verschlimmbessern kann. Die Stadt entpuppt sich als zu repetitive und langweile Umgebung, deren Aufträge an die typische Ubisoft-Formel aus unzähligen sich wiederholenden Herausforderungen erinnern. Das neue und viel zu oft zum Einsatz kommende Kampfsystem ist schon nach wenigen Duellen unglaublich nervig und man wünscht sich, dass man die Waffen der Gegner wieder an sich reißen könnte, um kurzen Prozess mit Wachen machen zu können. Auch die nur als solide zu bezeichnende Geschichte kann Mirror’s Edge Catalyst nicht retten, weshalb wir von einem Kauf leider abraten müssen.