Vor ziemlich genau 15 Jahren erschien die Nintendo Wii und eroberte die Welt im Sturm. Trotz der Konkurrenz von PlayStation 3 und Xbox 360 konnte sich die Konsole von Nintendo bei den Verkaufszahlen absetzen und zählt bis heute zu den meistverkauften Videospiel-Geräten aller Zeiten. Und dabei war die Wii zu ihrer Veröffentlichung in Sachen Hardware-Power den beiden Alternativen von Sony und Microsoft weit unterlegen. Das war allerdings ziemlich egal, in einen direkten Konkurrenzkampf wollte die Wii ohnehin nicht treten. Vielmehr entwickelte Nintendo ein Konzept, an das ich mich seit Jahren gerne zurückerinnere. Zum Jahreswechsel wurde die alte Dame nun sogar im Rahmen der Wiederbelebung einer alten Familientradition wieder entstaubt.
Vor langer Zeit – damals, als die Wii noch brandneu war und unterm Weihnachtsbaum hin und wieder ein neues Spiel oder Accessoire für die Erweiterung der Gameplay-Möglichkeiten lag – war es in meiner Familie Gang und Gäbe, in der Zeit zwischen den Jahren die Wii aufzubauen. Ich erinnere mich noch gut und gerne daran, wie in lokalen Mehrspieler-Runden dann viele packende Duelle ausgetragen und jedes Jahr neue Rekorde gebrochen wurden. Irgendwann geriet die Wii dann in Vergessenheit, bis wir aus irgendeinem unerfindlichen Grund vor einigen Wochen wieder den Drang verspürten, das gänzlich in weiß gehüllte Meisterstück vom Deko-Regal zu nehmen, auf dem es neben meiner alten PlayStation 2 und PlayStation 3 sowie meiner allerersten klobigen AMD-Grafikkarte stand. Kurz vor den Feiertagen wurde noch schnell ein Chinch-zu-HDMI-Adapter bestellt, damit die Wii dann auch mit dem zu modernen Smart-TV kompatibel war, und schon konnte der Spaß beginnen.
Im folgenden Beitrag möchte ich anhand von zwei Aspekten erörtern, was für mich persönlich die Gründe für den Erfolg der Wii waren und ziehe dabei insbesondere meine eigenen Erfahrungen mit der Konsole in Betracht. Sowohl diejenigen, die Ewigkeiten zurückliegen als auch die, die ich in den vergangenen Wochen machen konnte.
Das Spieleangebot – Einbeziehung von Jung & Alt
Meiner bisherigen Einleitung nach zu urteilen sollte es nicht verwundern, dass ich insbesondere einen Aspekt für den Erfolg der Wii und die bei mir noch immer anhaltende Faszination mit der Konsole für ausschlaggebend halte: die Spiele. Zwar wurden im Laufe der Jahre auch altbekannte Nintendo-Klassiker, wie Super Mario, Mario Kart oder Zelda, für die Wii veröffentlicht. Der hohe Bekanntheitsgrad rührt allerdings von einer ganz speziellen Art von Videospielen, die mithilfe der Wii ihren bisherigen Zenit erreichten. Eye Toy: Play für die PlayStation 2 zeigt zwar, dass die Idee der Bewegungssteuerung und aktiven Integration des Spiels ins Gameplay keineswegs neu war, die ausgereifte Technik und die Zugänglichkeit, die Nintendo in den Mittelpunkt der Wii-Philosophie stellte, sorgten bei Millionen von Käufern und letztendlich auch bei mir für großes Interesse.
Das wohl wichtigste Spiel, welches gleich zu Beginn der Wii-Ära die Gesamtheit der Design-Eckpunkte verdeutlichte und somit den Wegweiser für kommende Software-Veröffentlichungen darstellte, war Wii Sports. Jeder Käufer einer Wii bekam es, jeder Käufer einer Wii liebte es – natürlich auch ich! Mit seiner Auswahl aus den Sportarten Tennis, Bowling, Boxen, Golf und Baseball und der damit einhergehenden Demonstration der Fähigkeiten der Bewegungssteuerung eroberte die Wii die Nachmittage zwischen Weihnachten in Neujahr bei mir Zuhause wie im Sturm. Dabei ist die Konsole in null Komma nichts für alle Anwesenden zur Win-Win-Situation geworden. Ich konnte endlich die ganze Zeit zocken, ohne dabei doof angeguckt zu werden, und die Älteren konnten den einfach gestalteten Spielen folgen und wussten in den meisten Fällen, was gerade auf dem Bildschirm passiert, einfach weil das gezeigte eine Simplifizierung der ihnen bereits bekannten Sportwettkämpfe aus Film & Fernsehen darstellte. Und nicht nur das – erstmalig seit dem Buddeln im Sand und dem späteren Herumexperimentieren mit der altehrwürdigen Eisenbahnplatte konnten sogar die Großeltern direkt am Geschehen teilhaben!
Im Fall von Wii Sports bedeutet dies, dass sowohl Opa als auch Oma bei Tennis, Golf und insbesondere Bowling nicht zu verachtende Gegner darstellen – ein Novum, wenn man bedenkt, wie begrenzt die durchschnittlichen Fähigkeiten von Großeltern im Zusammenhang mit modernem Technik-Schnickschnack normalerweise sind. Das kompetitive und zugleich unbeschwerte Zusammenspielen in der Gruppe funktionierte mit der Wii einfach tadellos. Auch Wii Fit, welches mit dem Wii Balance Board erneut eine zusätzliche und sehr innovative Art der Eingabe hervorbrachte, war im Rahmen unserer familiären Zusammenkünfte sehr beliebt. Nicht nur, dass die Fitness-Tests vor Publikum für etliche Lacher sorgten – man konnte sich auch hier mit den anderen Teilnehmern vergleichen und sich so gegenseitig motivieren, sogar um die Weihnachtszeit unbewusst Sport zu treiben. Die Balance- und Fitness-Übungen waren zudem mit textbasierter Moderation, was für zusätzliche Schmunzler sorgte, wenn man beim Start darauf hingewiesen wurde, dass der Bruder seit 370 Tagen nicht mehr trainiert hat und man ihn doch bitte erinnern sollte. Inzwischen würden es wohl über 2000 trainingslose Tage sein.
Die Mii – Spielübergreifende Avatare mit Stil
Ein weiteres bei uns sehr beliebtes Spiel war neben Wii Sports und Wii Fit auch der oben zu sehende Wintersport-Themepark Family Ski. Dank zugänglicher Bewegungs-Steuerung, der optionalen Einbindung des eben erwähnten Balance Boards, gut organisiertem 4-Spieler-Splitscreen und einem frei befahrbaren Berg mit allerhand Routen, Aufgaben und diversen Secrets war Family Ski definitiv das umfangreichste der drei Spiele, was es jedoch nicht weniger verständlich machte. Ich möchte an dieser Stelle allerdings nicht noch einmal erklären, wie die Design-Philosophie der Wii-Spiele auch hier im Vordergrund stand und quasi jeder ohne Vorkenntnisse unbeschwert mitspielen konnte. Vielmehr möchte ich den zweiten wichtigen Punkt ansprechen, der die Wii für mich und meinen Familienkreis derart unterhaltsam machte: Die Mii und deren Einbindung ins Wii-Ökosystem.
Die Mii stellen insbesondere im Rahmen der drei in diesem Beitrag aufgegriffenen Spiele ein wichtiges Bindeglied dar. Statt wie auf anderen Plattformen üblich in jedem Spiel einen eigenen Charakter zu haben und bestenfalls Teilnehmernamen im Scoreboard konfigurieren zu können, ermöglichten die Mii spielübergreifende Personalisierung. Im Startbildschirm der Wii – das mit seiner App-Anordnung verblüffend an moderne Smartphone-Interfaces erinnert – ließen sich die Figuren in der Mii-App mithilfe diverser Aussehens-Optionen erstellen, wobei man natürlich bei jedem neuen Besucher direkt eine neue Figur kreierte. Dies hatte zur Folge, dass mit der Zeit immer mehr Miis dazu kamen und man so immer mehr „bekannte Gesichter“ über den Bildschirm wuseln sah. Denn die Mii fungierten nicht nur als Spieleravatare für Teilnehmer bei Wii Sports, Wii Fit oder Family Ski, sie wurden obendrein auch noch geschickt als Hintergrund-Statisten eingebaut und erhöhten damit die Immersion ins Geschehen um ein vielfaches.
Beim Blick auf das Scoreboard zwischen den Würfen beim Bowling konnte man so im Hintergrund also Familienmitglieder und Freunde umherstreifen sehen oder begegnete diesen beim Lauftraining in Wii Sports Resort. Dass die erstellten Mii dabei für viele Spiele lediglich als erweiterbares Grundgerüst verwendet wurden, erhöhte deren Einbindung und ließ sie als fast schon real erscheinende Figuren in die virtuellen Welten schlüpfen, in denen sie dann mit neuen Gegebenheiten konfrontiert wurden. Hatte man durch Weihnachtsbraten und zu viel Dresdner Stollen etwa zu viel Gewicht auf den Hüften, wurde die eigene Figur bei Wii Fit sehr zur Freude der Zuschauer nach dem ersten Wiegen sichtbar fett. Family Ski transportierte die Mii wiederum auf schneebedeckte Hänge, wo man sich durch den Abschluss von Challenges unzählige Ausrüstungs- und Kleidungsstücke verdienen konnte, mit denen man seinen Mii dann ausstatten konnte. Die Möglichkeit, die eigene Person auf der Wii nachzubauen, diese dann spielübergreifend verwenden zu können und so in den jeweiligen Spielen direkt wieder „sich selbst“ zu kontrollieren, war und ist für mich immer noch ein wahnsinnig guter Design-Aspekt, den ich mir auch heute noch für eine potentielle zukünftige Konsole von Nintendo mit erneuter Fokussierung auf zugängliche Familien-Spiele zurückwünsche.
Mein Fazit zur Nintendo Wii im Jahr 2022:
Objektiv ist mein Rückblick auf die Wii natürlich nicht. Die vielen Erlebnisse meiner Kindheit und Jugend machen die Wii in erster Linie durch Nostalgie zu einer sehr erinnerungswürdigen Konsole. In diesem Beitrag habe ich deshalb versucht, die Gründe der positiven Erinnerungen zu finden und zu analysieren, weshalb die Wii den Erfolg gehabt hat, den sie hatte.
Die Kombination aus klar verständlichen Spielen mit simplen Mechaniken, der eingängigen und zugleich sehr robusten Bewegungssteuerung sowie die Identifikation mit der eigenen Spielfigur dank der Mii sorgte auch in den Wintertagen 2021/2022 für tolle Unterhaltung. Zwar reißt die Wii aus technischer Sicht keine Bäume aus – das konnte sie schon zu ihrer Veröffentlichung nicht – aber das will und muss sie auch gar nicht. Der Fokus auf lokalen Mehrspieler funktioniert auch heute noch fantastisch und kann auch mehr als zehn Jahre nach unseren ersten Schritten in die Wii-Welten noch begeistern.
Die von unserem Konsolen-Experten RememberReach in diversen Artikeln aufgegriffene Switch von Nintendo kann zwar ebenso hohe Verkaufszahlen feiern, mein Interesse hat sie bisher allerdings nicht gänzlich geweckt. Wieso? Nintendo ist für mich unweigerlich mit der Wii verbunden und das portable Spielerlebnis der Switch kann für meine Anwendungsbereiche nicht mit etlichen familienfreundlichen lokalen Mehrspieler-Partien mithalten. Mehr Wii Sports & Co. für die Switch und ich wäre sofort dabei.
Wenn ich einen verfrühten Wunsch an den Weihnachtsmann äußern darf, wäre es mit Sicherheit, dass er doch bitte in Japan mal anklopft und dafür sorgt, dass Nintendo eine Wii 2 mit modernerer Technik und vor allem der vollumfänglichen Rückkehr der Mii anstößt. Ich bin mir sicher, dass das Konzept auch heute noch insbesondere aufgrund der Fokussierung auf Familien große Erfolge feiern würde.
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