Damals in meinem alten Kinderzimmer gab es auf der PlayStation 2 kaum ein Spiel, welches ich mehr gespielt habe als Tony Hawk’s American Wasteland. Das arcadige Skateboard-Abenteuer machte aus damaliger Sicht einfach alles richtig. Eine coole und zum Teil recht realitätsnahe Spielumgebung wurde zum Abenteuerspielplatz und sorgte für viele Highscorejagden, was insbesondere auch im lokalen Multiplayer mit Freunden unglaublich viel Spaß machte. Den Grundstein für die bekannte Tony-Hawk-Reihe legten mehr als fünf Jahre zuvor die Pro-Skater-Teile. Ein Remake dieser Urgesteine soll nun an die glorreiche Zeit der Arcade-Skater anknüpfen und die miserablen letzten Teile vergessen machen. Natürlich musste ich mir das als alter Fan genauer anschauen.
Tony Hawk’s Pro Skater 1 + 2 bündelt – wie der Name vermuten lässt – die ersten beiden Teile und lässt sie zu einem Spiel verschmelzen. Im Klartext heißt das, dass alle Level der beiden Spiele enthalten sind. Im Karriere-Modus kann man beide Spiele unabhängig voneinander komplettieren, im Mehrspieler sind alle Level dann anwählbar und die Grenze zwischen den zwei Teilen verschwimmt. Zwar haben sich die Entwickler besonders bei der Gestaltung der Umgebungen penibel an die Vorlagen gehalten, von ihren Wurzeln weichen die Spiele an einigen Ecken dann aber doch ab. Denn einige Tricks in Pro Skater 1 + 2 kamen eigentlich erst in späteren Serienteilen hinzu. Und auch einige Skater-Neuzugänge erweitern das Raster der Fahrer. Kenner der alten Spiele werden also an einigen Stellen überrascht sein – vor allem beim ersten Blick auf die Optik wird Freunden der nunmehr zwanzig Jahre alten Spiele ähnlich wie mir die Kinnlade herunterfallen.
Nachdem man den Skater seiner Wahl bestimmt hat oder sich gleich einen eigenen im umfangreichen Editor zusammengebastelt hat, der erneut einige bekannte Klamottenmarken umfasst, geht es auch schon los. Ohne große Umwege begab ich mich direkt in den lokalen Koop-Modus, wählte eines der zahlreichen Level aus und kämpfte sogleich gegen einen Kumpel auf der Couch um die beste Punktzahl. Hach, das ist ja genau wie früher! Baff waren wir trotzdem beide, denn der technische Sprung ist nicht nur durch den Wechsel von der an einen Röhrenfernseher angeschlossenen PlayStation 2 zu einem mit dem PC vernetzten 4K-Bildschirm inklusive Soundbar immens. Es verwundert somit kaum, dass anfänglich eher klägliche Highscores aufgestellt wurden und wir erst einmal den Detailgrad der Spielumgebung bewunderten.
Pro Skater 1 + 2 besticht mit im Vergleich wahrlich fantastischen Bildern, die wie viele aktuelle Spiele besonders durch hochauflösende Texturen und geniale Lichtstimmungen erzeugt werden. Oberflächen sind nun kein grau-brauner Einheitsbrei mehr und überzeugen durch viele Details und abwechslungsreiche Farbgestaltung. Nasse Böden spiegeln das Licht der Straßenleuchten und Schaufenster geben einen realistischen Schein auf die nächtliche Umgebung von sich. Ebenfalls auffällig gut ist der Soundtrack, der wie damals knackige und zumeist punkrockige Songs von den Boxen erklingen lässt und hierbei sowohl alte Tracks der Spiele als auch einige Neuzugänge mischt. Für Metal- und Rockfans wie mich ist der Soundtrack ähnlich genial wie im Crashracer Wreckfest. Sowohl die Optik als auch die musikalische Untermalung wurden auf ein modernes Niveau gehoben und lassen keine Wünsche offen.
Zugleich bleibt in Sachen Gameplay im Großen und Ganzen alles beim Alten – ich fühlte mich nach einigen Minuten der Eingewöhnung direkt wie zu Hause. Flips, Grabs, Grinds und Manuals – all das geht Kennern sicherlich wieder schnell von der Hand. Neulingen wird das Tutorial empfohlen, um die Grundlagen des Gameplays vermittelt zu bekommen. Alle andere können sich ruhig so wie ich direkt ins Spiel werfen und auf eigene Faust herausfinden, ob sie es noch drauf haben. Dann erinnert man sich auch recht schnell daran, dass es in Tony-Hawk’s-Titeln nur augenscheinlich ums Skateboard Fahren geht. Will man wirklich viele Punkte erreichen, gleicht das Gameplay stattdessen vielmehr einem Geschicklichkeits-Spiel, in welchem man insbesondere eine Art von Minigame meistern sollte.
In Tony Hawk’s Pro Skater 1 + 2 geht es nicht etwa wie in Skate oder Skate XL darum, ein möglichst realistisches Bild vom Skaten zu vermittelt. Stattdessen liegt der Fokus auf extrem akrobatischen Sprüngen und irrwitzigen Tricks, die zu nicht enden wollenden Kombos zusammengekettet werden. Eckpfeiler dieser Trickserien sind Manuals – also das Fahren auf nur zwei Rollen des Boards – und Grinds – das Rutschen auf einer dafür geeigneten Rail oder Kante. Und genau hier kommt das angesprochene Minigame-Gefühl zustande. Denn um bei Manuals und Grinds nicht das Gleichgewicht zu verlieren, muss man ständig einen Punkt möglichst mittig einer Skala halten. Je länger der Trick läuft, desto schwieriger ist dies.
Schlussendlich verbringt man also einen Großteil der Spielzeit mit dem Anstarren einer Skala. Schade, denn währenddessen bekommt man kaum mit, wie schön das Spiel eigentlich aussieht. Besonders auffällig ist das auch im Online-Modus, in dem Profis allen anderen dermaßen weit überlegen sind, dass man schnell die Lust verlieren kann. Hauptsächlich steckt die Problematik hier im Design der gegen einen ebenbürtigen Gegner sogar ziemlich spaßigen Modi. Denn schlussendlich geht es immer darum, möglichst viele Punkte zu machen. Hat man als Kenner den Dreh einmal raus, stellt man jeden Neuling mit Kombos jenseits der Eine-Million-Punkte-Marke in wenigen Sekunden vor unlösbare Herausforderungen. Spielmodi für Einsteiger sucht man leider vergebens.
Online-Multiplayer hin oder her – sowas hatten wir damals zu PS2-Zeiten auch nicht und Spaß hat es trotzdem gemacht. Und auch bei Pro Skater 1 + 2 trifft diese Aussagen in Teilen durchaus zu. Wer nun aber glaubt, man könne sich nach einer vernichtenden Niederlage im Online-Kampf in eine Einzelspieler-Kampagne zurückziehen und dort gemütlich vor sich hin spielen, wird abermals ein wenig enttäuscht sein. Denn Pro Skater 1 + 2 bietet nicht etwa wie American Wasteland eine zusammenhängende Welt voller Missionen, Dialoge und versteckter Inhalte. Im Grunde beschränkt sich der Singleplayer auf Challenges, die es in den verschiedenen Leveln abzuschließen geht. Punktejagd, das Zerstören bestimmter Objekte, das Meistern spezieller Tricks und das Sammeln diverser Gegenstände. Hierfür hat man zwei Minuten, danach darf man es noch einmal versuchen. Im großartigen ‚Die Simpsons – Das Spiel‚ wurde einmal gescherzt, dass man doch einfach Zeitlimits einbauen solle, wenn das Spiel zu langweilig sei. Vor 20 Jahren mag das genug gewesen sein, im Jahr 2020 bleibt hier aber ein fahler Nachgeschmack zurück.
Mein Fazit zu Tony Hawk’s Pro Skater 1 + 2:
Ich bin ein wenig hin- und hergerissen, was eine finale Wertung von Pro Skater 1 + 2 angeht. Zum einen schaffen es die Entwickler endlich, die Tony-Hawk’s-Reihe in Sachen Gameplay wieder auf ein ordentlich Niveau zu heben und einen würdigen Teil der Reihe abzuliefern. Und auch auf der technischen Seite punktet das Remake sowohl bei der Optik als auch beim Sound. Für alte Hasen, die die originalen Teile vor 20 Jahren gespielt haben, sollte dies also ein Nostalgie-Feuerwerk schlechthin sein. Und selbst mir als jemand, der erst 2005 mit American Wasteland in die Welt des Arcade-Skatens eingestiegen ist, gefällt das Gesamtbild an vielen Stellen richtig gut.
Gleichzeitig und parallel zu all dem, was das Spiel richtig macht, sehe ich aber auch die Probleme, die sich für Neueinsteiger bieten werden und welche inhaltlichen „Mängel“ im Jahr 2020 wohl eher abschreckend wirken sollen. Die immens positiven Wertungen vieler renommierter Gaming-Webseiten bewerten wohl ausschließlich den Remake-Faktor. Dass eine nahezu gänzlich fehlende Einzelspieler-Erfahrung heutzutage ein wenig dürftig ist, fällt sicherlich nicht nur mir auf. Simple Challenges als einzigen Singplayer-Part werden für viele eine mittlere Enttäuschung darstellen. Vor allem, da der Mehrspieler auch nur mäßige Inhaltsvielfalt bietet und besonders für Neulinge schnell zu frustrierend werden kann.
Sicherlich, als Remake macht Tony Hawk’s Pro Skater 1 + 2 alles richtig. Wem das genug ist, der wird mit dem Spiel viel Freude haben. Fakt ist aber, dass die Spiele deutlich schlechter gealtert sind als etwa die Spyro: Reignited Trilogy. Den meisten Spaß macht Pro Skater 1 + 2 im Couch-Koop mit einem in etwa gleichstarken Kontrahenten. Hierfür ist die Zielgruppe allerdings überschaubar klein. Ich empfehle daher einen vorsichtigen Blick in einem Sale mit der Hoffnung, dass auch spätere Serienteile neu aufgelegt werden oder ein gänzlich neuer Teil mit unverändertem Gameplay aber modernerem Inhalt erscheinen wird. Ein solider Grundstein für Tony Hawk’s Rückkehr wurde gelegt. Mal sehen, ob darauf aufgebaut wird.