Orwell: Die Gedanken sind frei

Orwell Banner

Orwell: Keeping an Eye on You ist eines dieser Spiele, von denen man leider viel zu wenig mitbekommt. Auch ich muss zugeben, dass ich zwar hin und wieder bei Steam und anderen Plattformen das auffällige Banner gesehen habe, aber das Spiel erst in meinen Fokus gerückt ist, als es kostenlos im Humble Store zu haben war. Schade, denn Orwell ist eine wirklich gelungene Erfahrung. Auch, wenn es eigentlich gar nicht viel zu spielen gibt.

Du erinnerst dich sicherlich noch an unsere Reviews zu A Normal Lost Phone und Another Lost Phone, die beide kaum traditionelles Gameplay bieten. Vielmehr geht es darum, etliche Texte zu lesen und dadurch zu den richtigen Schlüssen zu kommen. Ähnlich verhält es sich bei Orwell. Als externer Mitarbeiter erhält man Zugriff auf die namensgebende Überwachungssoftware Orwell, die man fortan in der rund vier Stunden langen Handlung mit Informationen aus den verschiedensten Quellen füttern muss. Immerhin steht die Sicherheit der Nation auf dem Spiel!

Nach dem Login ins System erklärt uns ein Berater namens Symes, der fortan als menschliche Schnittstelle zwischen Orwell und uns fungiert, die Bedienung der Software und lässt uns dann recht schnell selber Hand anlegen. Wir sollen herausfinden, ob eine gewisse Cassandra etwas mit dem Bombenanschlag am Freedom Plaza in der fiktiven Stadt Bonton zu tun hat, den sie kurz vor der Explosion überquerte. Fortan gilt es, alle möglichen Informationen über die verdächtigte Person zu finden und ins Orwell-System einzuspeisen, um dadurch neue Anhaltspunkte zu erhalten.

Das Spiel schafft es wirklich schnell, die Macht der Überwachung zu demonstrieren und zu zeigen, was mit unvorsichtig preisgegebenen Informationen in Zeiten des Internets passieren kann. Man liest Zeitungsartikel zum Anschlag, stößt auf einen Blog, durchforstet persönliche Nachrichten und blättert sich durch Beiträge in sozialen Netzwerken. Nach und nach entfaltet sich ein Netz an wichtigen und unwichtigen Informationen über Cassandra, ihren Freundeskreis, ihren Beruf und ihre Interessen – kurzgesagt kennt man schon nach wenigen Minuten quasi ihr ganzes Leben.

Um die Informationen auch sinnvoll zu nutzen und nicht den Überblick zu verlieren, existiert Orwell. Relevante Daten aus allen möglichen Quellen werden beim Lesen blau hinterlegt und wir können sie per Drag and Drop ins System einspeisen. Orwell legt dann automatisch die relevante Passage in der Akte der Person an. Symes empfiehlt zwar, nur wirklich wichtige Infos weiterzugeben, aber ich konnte es mir nicht nehmen lassen, auch hin und wieder sinnlose Fakten einzuspeisen. Schließlich könnte sich jeder noch so kleine Anhaltspunkt später doch als hilfreich erweisen, oder nicht?

Orwell Cassandra Timeline
Auch scheinbar belanglose Posts verraten viel über den Charakter einer Person.

Leider ist die Handlung von Orwell ziemlich linear und Rätsel gibt es kaum. Meistens gibt uns Symes schon eine grobe Richtung vor, nach was wir suchen sollten und Orwell schaltet häufig nur wenige neue Quellen frei, die wir beäugen können. Lesen wir beispielsweise in einem privaten Chat, dass eine gewisse Person häufig unter einem bestimmten Pseudonym unterwegs ist und teilen Orwell diese Information mit, werden uns alle bereits gelesenen Posts hervorgehoben, in denen dieser Nickname vorkommt. Natürlich erleichtert das die Suche nach neuen Daten ungemein und passt generell auch ganz gut ins Schema der allmächtigen Spionagesoftware, wirkliche Herausforderungen bietet Orwell dadurch aber nicht.

Generell ist das Gameplay eher flach gehalten und animiert in einigen Fällen sogar dazu, die vielen interessant geschriebenen Artikel, Blogbeiträge, Nachrichten oder Profile gar nicht ordentlich zu lesen. Denn wie oben schon erwähnt, werden die relevanten Infos sowieso automatisch blau hervorgehoben, sodass es eigentlich genügt, schnell durch neue Quellen zu scrollen und lediglich nach blauen Markierungen Ausschau zu halten. Empfehlenswert ist dies natürlich nicht, denn die Texte sind allesamt passend formuliert und vermitteln wirklich das Gefühl, Artikel von Zeitschriften oder Posts in sozialen Netzwerken oder Blogs zu lesen. Einzig bei den Chats wirken die Gespräche ab und an zu förmlich, was aber nicht weiter störend auffällt.

Zentrales Element von Orwell ist sowieso nicht die Spielmechanik. Vielmehr ist es das Erforschen der verschiedenen miteinander auf unterschiedlichste Weise verbundenen Charaktere, deren Interessen, Motivation und Geschichte. Daraus entspringt dann wiederum die eigentliche Handlung des Spiels, die sich der Spieler weitestgehend selbstständig erarbeitet und die bis auf ein paar Bemerkungen von Symes weitestgehend unkommentiert bleibt.

Orwell Cassandra Chat
Blau, blau blau blüht der Datensatz – Wichtige Informationen werde stets hinterlegt.

Mein Fazit zu Orwell: Keeping an Eye on You:

Ist gefühlte Sicherheit den Preis der totalen Überwachung wert? Gebe ich persönlich zu viel von mir im Internet preis? Solche Fragen stellt man sich beim Spielen von Orwell häufig. Von der spielerischen Seite her betrachtet funktioniert Orwell leider nur bedingt. Zu oft wird man dazu verleitet, stupide zu scrollen, bis man eine blaue Zeile sieht. Der Spieler wird hier leider zu sehr an die Hand genommen, auch wenn ich nicht wüsste, wie man es besser hätte designen können. Die verwobene Geschichte mit vielen verschiedenen Charakteren ist dennoch ziemlich spannend und insgesamt bietet das recht kurze Abenteuer gute Unterhaltung für zwei Abende. Im Sale macht man mit Orwell: Keeping an Eye on You definitiv nichts falsch. Allerdings sollte man beachten, dass es lediglich englische Texte zu lesen gibt, obwohl das Spiel von einem deutschen Studio stammt.

Falls du noch unentschlossen bist, kannst du die erste von fünf Episoden von Orwell: Keeping an Eye on You gratis bei Steam ausprobieren.