Houston, we have a Dolphin: Ich vertraue dir genauso wie du mir nicht vertraust

Houston we have a Dolphin Banner

Erinnerst du dich noch an die unbeschwerten Zeiten, in denen man auf Messen gehen und sich dort ganz normal mit vielen Menschen unterhalten konnte? Genau genommen ist das alles gar nicht so lange her und trotzdem wirkt es ein wenig utopisch. Auf der diesjährigen DreamHack fiel uns ein Spiel abseits der klassischen Videospiele ganz besonders ins Auge und blieb uns bis heute im Gedächtnis. Soviet Kitchen Unleashed überzeugte mit der geschickten Kombination von physischen Karten und digitalen Tablet-Interface. Nun beglückte uns das Entwicklerteam mit dem Quasi-Nachfolger und das Team deines Lieblingskombinats hat sich natürlich direkt daran gemacht, das Ganze gründlich zu testen und auszuprobieren.

Werfen wir noch einmal einen kurzen Blick zurück und klären, was das Erstlingswerk von Hybr Games zu etwas besonderem machte. Die Mitspieler wurden zu Küchenchefs im sowjetischen Russland und sorgten mit wirklich allen Mitteln dafür, dass etwas auf die Teller kam. Da konnte es schon einmal vorkommen, dass rostige Nägel oder eine Matroschka Teil des Rezeptes wurden. Soviet Kitchen ließ klassisches Oldschool-Kartenspiel mit modernen Einflüssen der digitalen Games verschmelzen und schlug so eine Brücke zwischen beiden Welten. Nicht zuletzt durch die Förderung von Kommunikation und dem einfachen Regelwerk wurde das Erstlingswerk des Studios von uns mit Freude gespielt und oft gelobt. Wenn du mehr erfahren möchtest, empfehlen wir dir unser Review zu Soviet Kitchen Unleashed, welches das Spielgeschehen im Detail erklärt. Houston, we have a Dolphin knüpft nun an das Grundkonzept der Kombination von physischen und digitalen Elementen an und wir waren sehr gespannt, was uns diesmal erwarten würde.

Hinweis: Houston, we have a Dolphin wurde uns zu testzwecken kostenfrei zur Verfügung gestellt.

Wer seinen Spaß mit dem diesjährigen Hit Among Us hatte, sollte bei Houston, we have a Dolphin ganz besonders hellhörig werden. Denn das Spiel setzt anders als das vorangegangene Werk des Entwicklerteams nicht ausschließlich auf die Kooperation der Mitspieler. Wo wir in Soviet Kitchen noch gemeinsam an einer Aufgabe gearbeitet haben, gibt es hier nun auch jene, die gegen den Rest agieren und versuchen, die Mission zu gefährden. Während tapfere Astronauten versuchen, das sabotierte Raumschiff wieder in Gang zu bringen, setzen die hinterlistigen Delfine alles daran, die Pläne zu durchkreuzen und dabei möglichst nicht aufzufallen. Dabei ist das große Alleinstellungsmerkmal des Spiels, dass das als zentrales Bindeglied fungierende Tablet oder Smartphone mehr weiß, als die Teilnehmer selbst!

Anders als bei Soviet Kitchen sind die Spielkarten nämlich nicht mehr mit einem QR-Code auf der Rückseite versehen. Stattdessen scannt man nun direkt die Vorderseite der Karten ein und zeigt seinen Mitspielern demnach nur den keinerlei Informationen preisgebenden Kartenrücken. Somit weiß dann zwar der digitale Helfer, welche Karten gelegt worden sind und kann entsprechende daraus resultierende Aktionen starten, die Spieler bleiben allerdings im Dunkeln und müssen auf gegenseitiges Vertrauen setzen. Dem Delfin, der den Erfolg der Mission verhindern möchte, kommt das alles natürlich sehr gelegen. An unserem Spieleabend kam es nicht selten dazu, dass das eigentliche Spielen weniger Zeit in Anspruch nahm als die hitzigen Diskussionen, wer denn nun der verräterische Meeresbewohner unter uns sein könnte.

Houston, we have a Dolphin erhöht insgesamt noch einmal den kommunikativen Teil, der Soviet Kitchen bereits zu einem sehr unterhaltsamen Geheimtipp werden ließ. Gleichzeitig werden aber auch die Mechaniken ein wenig umfangreicher und komplexer, wodurch das Spiel in nahezu allen Belangen mehr Tiefe gewinnt. Glücklicherweise heißt dies aber nicht, dass man als Neuling erst einmal eine romanartige Anleitung studieren muss. Ähnlich dem Erstlingswerk des Studios steht nämlich auch hier wieder der Spaßfaktor im Vordergrund. Das Grundkonzept ist dank des interaktiven und wundervoll vertonten Tutorials schnell erlernt und das Regelwerk beschränkt sich auf einige wenige gut ineinandergreifende Konzepte, die den verbalen Austausch zwischen den Spielern immer wieder fördern und unabkömmlich machen.

Houston, we have a Dolphin Spielfeld

Doch wie funktioniert Houston, we have a Dolphin nun eigentlich? Zu Beginn jeder Runde scannt jeder Teilnehmer ein Kärtchen des Teams, welches er verkörpern möchte. Danach werden alle – ja, wirklich alle – Spielkarten eingescannt und das Smartphone entscheidet, wo diese landen. Viele davon gehen in den Ablagestapel, der hier liebevoll „Void“ genannt wird. Einige davon finden sich auf Modulen wieder und selbstverständlich bekommen wir auch einige auf die Hand. Folglich weiß nun der Computer, welche Karten sich wo befinden und kann dann dementsprechend auf Aktionen reagieren. Spielzüge teilen sich immer in zwei Phasen – die Außenmission und die Captainphase. In ersterer müssen stets drei Astronauten zusammenarbeiten, um bestimmte Figuren-Konstellationen zu erreichen und damit die Module abzukoppeln. Der Clou: Man sieht nicht, was die anderen gelegt haben und muss auf ihre Ehrlichkeit vertrauen. Selbstverständlich sind die Delfine dabei alles andere als ehrlich und streuen stattdessen Misstrauen unter den Spielern.

In Spielphase zwei ist dann der Captain an der Reihe, bestimmte Aktionen auszuführen. Sind alle Module abgekoppelt, kann das Raumschiff neu gestartet werden und die menschlichen Spieler gewinnen die Runde! Andersherum kann ein Delfin-Captain dafür sorgen, dass das Schiff geflutet wird. Doch bevor die Entscheidung durchgesetzt wird, können alle Spieler entscheiden, ob sie gegen den amtierenden Captain vorgehen und eine Meuterei starten. Das alles klingt komplizierter, als es eigentlich ist. Denn ein Vorteil am digitalen Begleiter in der Mitte des Tisches ist natürlich auch, dass er die Gruppe stets begleitet und genau präsentiert, was als nächstes getan werden muss. Wenn du das Gameplay im Detail sehen möchtest, empfehlen wir den offiziellen Playthrough der Entwickler auf YouTube.

Der größte Spaß bei Houston, we have a Dolphin rührt von der stetigen Ungewissheit über seine Mitspieler. Wir haben uns an unserem Anspiel-Abend häufig in minutenlangen verbalen Schlagabtäuschen gesehen und waren dann trotzdem erstaunt, wer schlussendlich einen Delfin auf der Hand hatte und wer die ganze Zeit gegen jeder Erwartung ehrlich war. Ein wichtiger Kniff ist nämlich, dass die Außenmission auch eine geringe Chance hat, durch einen Asteroideneinschlag zu scheitern. Dieser wird allerdings nicht angezeigt, man sieht also lediglich, dass ein Crewmitglied gestorben ist und verdächtigt natürlich sofort andere Spieler. Das Spiel sorgt damit dafür, dass man sich ständig misstrauisch gegenübersteht und forciert im gleichen Atemzug das Zusammenarbeiten, um die Mission erfolgreich abzuschließen. Aus dieser Zwickmühle entstehen dann die spannendsten Momente, die mal zum Haare Raufen und mal zu Lachorgien des ganzen Tischs führen.

Houston we have a Dolphin Delfin

Unser Fazit zu Houston, we have a Dolphin:

Houston, we have a Dolphin ist eine durchdachte Weiterentwicklung des Konzeptes, welches schon das Erstlingswerk von Hybr Games so unterhaltsam machte. Diesmal arbeitet man allerdings nicht ausschließlich zusammen – es gibt listige Delfine, die die Pläne des restlichen Teams unbemerkt vereiteln möchten! Ähnlich wie in Soviet Kitchen unterstützt das Interface auf dem Tablet oder Smartphone den Spielfluss sehr und sorgt für einen reibungslosen Ablauf. Gleichzeitig fällt dadurch das Studieren langer Anleitungen weg. Sehr gut! Das informative und vor allem grandios vertonte Tutorial empfehle ich dennoch jedem Anfänger – alleine schon des tollen deutschen Sprechers wegen.

Die abermals stilsicher gestalteten Karten sorgen in Kombination mit der digitalen Unterstützung für ein rundes Spielgefühl, das den Fokus dennoch nicht aus den Augen verliert. Dieser liegt nach wie vor auf der Interaktion und vor allem Kommunikation aller Mitspieler, welche in Houston, we have a Dolphin noch einmal deutlich mehr Gewicht bekommt. Überraschend gut funktioniert dabei das verdeckte Scannen der Karten, welche nun keinen QR-Code mehr benötigen, um vom digitalen Endgerät erkannt zu werden.

Der einzig auffällige Negativpunkt sind die doch ab und an zu lange dauernden Übergänge zwischen einzelnen Spielschritten auf dem Smartphone – zuweilen kam es uns so vor, als ob sich die App gänzlich festgefahren hat. Und das trotz recht ordentlicher Hardware eines iPhone XR. Außerdem ist es schade, dass man für das Spiel mindestens drei Spieler benötigt und so kleine spontane Runden zu zweit nicht möglich sind. Dies ist zwar bedingt durch die Spielmechaniken nicht anders umsetzbar gewesen, in Zeiten von Corona ist es allerdings sicherlich nicht für alle einfach möglich, drei oder mehr Spieler zusammenzubekommen.

Nichtsdestotrotz können wir Houston, we have a Dolphin für Freunde von kommunikativem Feilschen und Rätselraten, wer denn nun das schwarze Schaf der Crew ist, wärmstens empfehlen. Die Verbindung zwischen Kartenspiel und Smartphone-App funktioniert erneut tadellos und offenbart sicherlich auch in Zukunft neue interessante Wege, wie beide Welten miteinander verschmolzen werden können.