DRIVE TO SURVIVE: Renn-Action auf Abruf

Drive To Survive Banner

Als zu Beginn des Jahres 2018 angekündigt wurde, dass der Video-Streaming-Riese Netflix eine Doku-Serie über die Formel 1 drehen würde, waren viele Rennsportfans – mich eingeschlossen – erst einmal überrascht. Nicht, weil die schnellste Rennmeisterschaft der Welt kein interessantes Thema für eine solche Serie wäre, sondern vielmehr, weil sich das Management der Formel 1 davor jahrelang gegen digitale Übertragungen und Präsenz in anderen Medien sträubte. Nach der Übernahme der Rechte durch Liberty Media im Jahr 2017 änderte sich aber vieles. Und so wirbt die Formel 1 kaum zwei Jahre nach dem Inhaberwechsel auch auf Plattformen wie Netflix, also abseits des klassischen Live-TVs, nach neuen Fans. Ob dieses Vorhaben gelingt, erfahrt ihr in diesem Beitrag.

Drive to Survive erzählt die Geschichte der Formel 1 Saison 2018 und begleitet eine Reihe von Teams von den ersten Testfahrten bis hin zum letzten Rennen. Dabei wird natürlich vor allem hinter die Kulissen geblickt, auch wenn der Einblick nicht ganz vollständig ist. Denn die zwei größten Teams, Ferrari und Mercedes, verweigerten die Teilnahme. Dies legte den Fokus auf die kleineren Teams und macht die Serie vermutlich umso spannender. Denn statt Siegen und heiler Welt bekommen die Zuschauer so die Kämpfe der „Underdogs“ gezeigt. Bei diesen geht es teils um wenige Punkte in der Meisterschaft, aber um millionenschwere und damit überlebenswichtige Prämienzahlungen.

Die Anspannung ist spürbar und die fesselnden Kämpfe zwischen den Teams abseits und auf der Strecke bieten gerade für Neulinge spannende Einblicke in die Formel 1. Aber auch langjährigen Fans bieten sich immer neue Eindrücke. Wer die Saison 2018 mitverfolgt hat, wird aber feststellen, dass die Narrative insgesamt künstlich zugespitzt ist. So sind Abläufe angepasst und es finden Zeitsprünge zwischen den Rennen statt, damit manche Storylines noch dramatischer wirken. Dadurch wird die Serie keinesfalls langweilig, aber eingefleischte Fans werden hin und wieder die Stirn runzeln.

Hauptsächlich verwendet Drive to Survive die klassischen Elemente einer Doku-Serie. Zwischen den Rennen werden die Fahrer, die Teams und die Verantwortlichen vorgestellt. Auf die Strecken, die Fans, die fast 70-jährige Historie und auch auf das Business hinter dem Sport wird eingegangen. Darunter fallen auch Homestories der Akteure, in denen diese teilweise neue Seiten von sich zeigen, welche selbst Fans wie mich überraschen. Ein gutes Beispiel ist die Dynamik zwischen Red-Bull-Teamchef Christian Horner und Cyril Abiteboul, dem Chef seines Motorenlieferanten Renault. Während die beiden vor den Kameras in Pressekonferenzen ihre Abneigung recht gut kaschieren konnten, offenbart die Serie, wie stark der Zwist gegeneinander eigentlich ist.

Drive to Survive bietet dem Zuschauer spektakuläre Rennszenen.

Der Großteil der Fragen und Kommentare werden von Will Buxton gestellt. Der Journalist begleitet die Formel 1 seit Jahren und ist bei Zuschauern wie Fahrern beliebt. Dies hindert ihn aber nicht, auch unangenehme Fragen zu stellen. Ein Aspekt, der nicht zu unterschätzen ist. Denn die Serie legt Missstände gnadenlos offen. Darunter fallen zum Beispiel die ungleiche Verteilung der Prämien und die teilweise Bevorteilung von Fahrern mit Sponsorengeldern über Fahrern mit mehr Talent.

Insgesamt erzählt Drive to Survive eine Reihe von Handlungssträngen, die sich über die komplette Saison ziehen. In den einzelnen Folgen werden dann verschiedene Aspekte hervorgehoben. Zusätzlich gibt es natürlich auch immer Rennszenen, diese sind bildgewaltig und spektakulär.

Es muss aber auch Kritik geäußert werden. Aus meiner Perspektive als Fan ist die Serie insgesamt zu sehr auf Neulinge und Personen, die keine Formel-1-Rennen schauen, ausgelegt. Neben den bereits angesprochenen Zeitsprüngen innerhalb der Saison und daraus entstehenden Verzerrungen der Realität löst in großen Teilen auch das Soundabmischung Stirnrunzeln und Augenrollen bei mir aus. So sind die imposanten Rennszenen mit zu lauten Motoren- und Crashgeräuschen überlegt. Und schlimmer noch, sie werden zusätzlich durch künstliche “Swoosh”-Sounds ergänzt. Insgesamt ist diese Präsentation des Sports zu überdreht und steht im Kontrast zu den guten Erklärungen und ehrlichen Einblicken, welche die Serie in ihren ruhigeren Abschnitten bietet.

Auch die Höhen und Tiefen des Rennfahrerdaseins werden näher beleuchtet.

Mein Fazit zu Drive to Survive:

Drive to Survive ist zweifelsohne eine interessante Serie, besonders für Formel-1-Neulinge. Wer immer schon einmal mehr über die Rennserie wissen wollte, sollte diese Chance nutzen. Ebenso ist die Serie für Formel-1-Enthusiasten zu empfehlen, auch wenn diese hin und wieder mit den Augen rollen werden. Die Mischung von Rennsport und Einblicken hinter die Kulissen ist gut gelungen und gerade der Kampf der kleineren Teams ist spannend zu verfolgen. Alles in allem ein toller Einblick und ein erfolgversprechender erster Schritt der Formel 1, endlich auch andere Medien abseits des Live-TV zu erreichen.