Wohl kaum ein Entwickler hat sein Spiel derart euphorisch vorgestellt wie Josef Fares es mit A Way Out auf der E3 2017 tat. Damals sprach er davon, dass das Spiel die Art, wie man Geschichten erzählen und erleben kann, völlig neu angehen wird ohne dabei auf abwechslungsreiche Spielmechaniken zu verzichten. Ist ihm das bei A Way Out gelungen? Wir haben das Abenteuer in einem Rutsch durchgespielt und liefern Antworten.
Sicherlich bin ich nicht der einzige, dem der Name Josef Fares nicht wirklich ein Begriff war. Sein Erstlingswerk Brothers: A Tale of Two Sons aus dem Jahr 2013 ist da wohl deutlich bekannter. Schon damals fußte das komplette Spiel auf einem außergewöhnlichen Gameplay-Konzept und der Möglichkeit, die beiden Brüder weitestgehend unabhängig voneinander mit den beiden Sticks des Controllers zu steuern. Im Gegensatz dazu setzt A Way Out nun voll auf Splitscreen-Koop. Und das auch, wenn man online zusammen spielt.
In den ersten Gameplay-Präsentationen und auch in den Trailern sah A Way Out doch eher nach einem interaktiven Film aus, in den der Spieler nur selten wirklich eingreifen kann. Ähnlich wie bei den Spielen von Telltale Games rechnete ich also mit etlichen Quicktime-Events und ansonsten relativ wenig Kontrolle. Dass meine Annahme falsch war, wurde bereits in den ersten Minuten des Spiels klar, denn A Way Out bietet doch deutlich mehr Gameplay, als ich es im Voraus vermutete. Die beiden Charaktere können völlig frei im Level bewegt und die Kamera gedreht werden, wodurch jeder Spieler individuell mit verschiedenen NPCs sprechen oder mit Objekten interagieren kann, die dann auch unterschiedlich auf die beiden Protagonisten Leo und Vincent reagieren.
Trotzdem ist der Handlungsverlauf bis auf einige schwierige Entscheidungen, die beide Spieler gemeinsam treffen und demnach zuweilen recht umfangreich ausdiskutieren müssen, fest vorgegeben. Wenn es dann aber mal zu Meinungsverschiedenheiten kommt, will man natürlich tendenziell eher den Weg einschlagen, den die eigene Spielfigur für richtig hält. Rein logisch mag das nicht immer die beste Entscheidung sein, aber mit der Zeit sympathisiert man dann eben doch mit dem Gefängnisinsassen, den man selber kontrolliert. Dies stellt eine nette Abwechslung zum ansonsten sehr kollegialen und kooperativen Denken dar, welches die Charaktere und damit auch die beiden Spieler zusammenschweißt.
Wie es sich für ein ordentliches Koop-Abenteuer gehört, steht zielgerichtetes Arbeiten für eine gemeinsame Aufgabe in A Way Out im Mittelpunkt. Das Spiel wirft die Charaktere dabei in spannende – wenn auch sehr konstruiert wirkende – Szenen. Konstruiert deshalb, weil viele der Situationen in der Realität so wohl nie ablaufen würden. Hier stellen die Entwickler das reine Spielkonzept ganz klar vor eine realistische Abbildung, was dem Spiel meiner Meinung nach aber keineswegs schadet. Im Gegenteil, denn besonders durch das breite Spektrum an erinnerungswürdigen Momenten, die man im Laufe der rund sechs Stunden umfassenden Handlung erlebt, ist das Spiel von Beginn an bis zum Abspann unterhaltsam und unerwartet abwechslungsreich.
Die Geschichte von A Way Out greift so ziemlich jedes Element auf, das man auch in einem Kinofilm erwarten würde. Da wären zum einen die beiden glaubwürdigen Hauptcharaktere, die knackige Erzählweise und gute Tempovariationen. Knallharte Actionszenen, in den jede Sekunde zählt, wechseln sich mit haarsträubenden Schleichsequenzen ab, in denen jeder Schritt wohlüberlegt sein muss. Auch die weitere Charakterprogression und diverse emotional berührende Momente zählen zum Repertoire von A Way Out.
Untermauert wird die cineastische Darstellung des Spiels besonders durch die herausragende Kameraarbeit. Abschnitte, in denen beide Spieler einfach nur klassisch einen Teil des Bildschirms für sich beanspruchend, werden durch Verschiebungen des Sichtfelds auf einen Charakter unterbrochen oder leiten Zwischensequenzen ein, bei denen der eine Spieler einen wichtigen Dialog führt, während der andere sich noch völlig frei bewegen kann. Auch der Übergang von Spielerkontrolle hin zur Zwischensequenz ist derart gut gelungen, dass ich persönlich davon kaum genug bekommen konnte. Oftmals ist es bekanntlich so, dass Zwischensequenzen eher aus dem Spielfluss reißen – A Way Out schafft damit genau das Gegenteil und verstärkt die Immersion fantastisch.
Die hochgradig kinoreife Präsentation von A Way Out kommt unter anderem durch die gelungene Grafik zur Geltung. Besonders bei guter Beleuchtung sieht die leichte Comic-Optik sehr stimmig und detailliert aus, wobei man auch in den schnellsten Action-Szenen nie die Übersicht verliert. Und das, obwohl A Way Out fast gänzlich auf eine Benutzeroberfläche verzichtet. Auch beim Klang und der Vertonung der Charaktere gibt es nichts zu beanspruchen. Musik, Nebengeräusche und nicht zuletzt die Sprecher der beiden Hauptfiguren sind wunderbar und fügen sich zu einem tadellosen Gesamtbild zusammen. Nur die vereinzelt zu langen Ladezeiten mit darauf folgenden kurzen Rucklern fallen etwas störend auf, was aber sicherlich durch zukünftige Updates noch behoben werden kann.
Mein Fazit zu A Way Out:
Es ist doch recht kompliziert, die Faszination von A Way Out in Worte zu fassen. Grundsätzlich lässt sich sagen, dass das Spiel definitiv für jeden einen Blick wert ist, der auch nur im Entferntesten etwas mit Koop anfangen kann. Vor allem die oscarreife Kameraführung und die unverbrauchten Gameplay-Ideen machen A Way Out zu einer unvergleichlichen Erfahrung und wohl auch zu einem der erinnerungswürdigsten Titel der letzten Zeit. Ich werde die spaßige und hochgradig intensiv vermittelte Geschichte rund um Leo und Vincent wohl jedenfalls nicht so schnell vergessen.
Zwar würde ich ‚A Way Out‘ nicht als einen der erinnerungswürdigsten Titel der letzten Jahre bezeichnen, es ist aber zweifelsohne ein grandioses Koop-Spiel und hat das Genre des Einzelspieler-Koop völlig neu definiert wenn nicht sogar komplett neu erschaffen.