Noch vor ein paar Jahren verstand ich die Aussage diverser Streamer, YouTuber und Reviewer nicht, dass manche Spiele doch zu lang seien und man sich lieber auf kürzere Abenteuer freut und fokussiert. Damals erschien es mir völlig unverständlich, warum man ein langes Spiel nicht automatisch auch besser finden sollte – schließlich hat man ja mehr von seinem Geld und natürlich auch mehr Spielzeit. Doch Zeiten ändern sich rasch und gigantisch umfangreiche Titel wie Red Dead Redemption 2 vermag ich derzeit kaum noch zu beenden. Wie gut, dass A Short Hike seinem Namen alle Ehre macht und sich vortrefflich zum Durchspielen in einem Rutsch eignet.
A Short Hike – das ist für mich eines dieser Spiele, von denen man hier und da hört und an verschiedenen Stellen immer mal wieder etwas mitbekommt, mit denen man sich aber bisher noch nicht großartig auseinandergesetzt hat. Woran das liegt, kann ich für mich persönlich selten beantworten. A Short Hike fiel mir in den kurzen Momenten, in denen ich es sah, immer wieder durch den interessanten Grafikstil ins Auge. Von einigen wird der Indietitel sogar als einer der besten Genrevertreter der letzten Jahre betitelt. Und trotzdem kam ich erst jetzt durch den Epic Games Store dazu, das Spiel auch einmal selber auszuprobieren – dort gab es A Short Hike nämlich für einige Tage völlig kostenlos.
Zu Beginn von A Short Hike ist unsere Spielfigur – eine Vogeldame namens Claire – nicht sonderlich begeistert von dem Trip in die Natur. Am Reiseziel angekommen nistet sie sich erst einmal im Haus ein und hat nicht wirklich Lust, nach draußen zu gehen. Erst, als ihr auffällt, dass der Handyempfang am Fuße des Berges viel zu schwach ist und ein wichtiger Anruf nicht entgegen genommen werden kann, begibt sie sich auf den Weg Spiel beginnt. Ohne jegliches Vorwissen stürzte ich mich nun in ein Spiel, welches auch abseits der Trailer mit dem sehr schicken Artstyle auffällt. Nach einem kurzen Dialog mit der Tante, die als Parkranger am Hawk Peak arbeitet, folgte ich also dem Pfad fort von der Hütte den Strand entlang.
Die pixelige dreidimensionale Welt erkundet man aus einer zum Hauptcharakter passenden Vogelperspektive, was uns ungemein dabei hilft, versteckte Objekte frühzeitig zu erkennen und sogleich einen Weg zu diesen zu suchen. A Short Hike setzt stark auf Vertikalität – die Spielwelt besteht im Kern aus einer kleinen Insel, welche sich im Zentrum zu einem waschechten Berg entwickelt. Der Gipfel dieses Berges wird schnell zu unserem Ziel erklärt, der Aufstieg jedoch ist nichts für ungeübte Wanderer und so müssen wir erst einmal die nötigen Fertigkeiten erlernen. Auf unseren Wegen zum Gipfel treffen wir verschiedene Figuren, erhalten neue Gegenstände, lernen neue Mechaniken und verbessern bestehende.
Am Strand finden sich neben einigen umherlaufenden Charakteren, die mal nützliche Tipps zum Spiel und mal kleine Quests parat halten, auch die ersten Items, die ins etwas unübersichtliche und fummelige Inventar wandern und fortan benutzt werden können. Wozu diese zu gebrauchen sind, erfährt man meist erst später. An einem abgeschotteten Strandabschnitt treffen wir beispielsweise auf eine Schildkröte, die Sandburgen mit einer viel zu großen Schaufel baut. Besorgen wir dieser eine handlichere Schaufel, bekommen wir die große und können fortan an markierten Punkten nach Münzen und anderen wichtigen Gegenständen graben. Obwohl das Ziel im hochgelegenen Mittelpunkt der Insel immer im Hinterkopf bleibt, ist definitiv der Weg das eigentliche Ziel und wir ertappen uns ständig dabei, wieder vom eigentlich Pfad abgekommen zu sein und andere Ecken der Insel zu erkunden.
Obwohl die Insel nicht sonderlich groß ist, findet man an jeder Ecke eine Abzweigung, die zu irgendetwas Interessantem führt. Mal ist es ein versteckter Schatz, mal ein sich durchs Gebirge windender Pfad mit tollem Ausblick und hin und wieder trifft man auch die Figuren wieder, die man weiter unten bereits kennengelernt hat. Das Erkunden der Spielwelt und das Entdecken der vielen kleinen Details macht Spaß, besonders auch deshalb, weil A Short Hike Fortschritt nicht in die Länge zieht sondern den Spieler schnell belohnt und andauernd mit neuen Verbesserungen belohnt. Durststrecken gibt es kaum, an jeder Ecke findet man die heiß begehrten goldenen Federn.
Goldene Federn? Nun, wenn man einen Vogel als Protagonisten steuert, möchte man doch schließlich auch fliegen können, nicht wahr? Anfangs kann Claire lediglich gleiten und so von höher gelegenen Teilen der Insel nach unten schweben. Doch um den Berg zu erklimmen und die Spitze von Hawk Peak zu erreichen, sind weitere Bewegungsmöglichkeiten nötig. Schnell lernt man klettern an Wänden und das Schlagen mit den Flügeln – beides verbraucht die besagten goldenen Federn. Wie gut, dass das Spiel mit diesen nicht geizt und man recht schnell eine passable Anzahl gesammelt hat, um einige Zeit klettern zu können oder mehrere Flügelschläge – die im Prinzip mit Doppelsprüngen vergleichbar sind – hinlegen zu können.
Zur Handlung und den Dialogen des Spiels wollen wir an dieser Stelle nicht zu viel verraten. Erwähnenswert ist insbesondere, dass die Dialoge recht selbstironisch daherkommen und zum Großteil recht lustig zu lesen sind. Der Fokus von A Short Hike liegt ohnehin auf der Bewegungsfreiheit, die sich im Laufe der zwei bis drei Stunden Spielzeit stetig erhöht. Claire schwingt sich recht bald behände von Klippen nach unten und wir gleiten in Windeseile über die hübsch anzusehende Inselwelt. Einziges Hindernis ist hierbei die an einigen Stellen zu störrische Kamera, die an vorgegebenen Punkten zu drehen beginnt und uns so leicht die Übersicht verlieren lässt. Dies fällt aber an nur wenigen Stellen wirklich negativ auf, der Großteil des Spiels ist technisch grundsolide und fehlerfrei.
Mein Fazit zu A Short Hike:
Persönlich würde ich A Short Hike wohl nicht als eines der besten Indie-Games der letzten Jahre bezeichnen, dafür ist die Konkurrenz einfach zu groß. Nichtsdestotrotz unterhält der kurze Abenteuerausflug zum Hawk Peak fantastisch und sorgt dank toller Optik und stimmiger Musik für ein rundes Gesamterlebnis, bei dem insbesondere die spielerische Freiheit großgeschrieben wird. Das Erreichen der Spitze des Berges ist dabei nur augenscheinlich das Ziel – auf seinen Wegen erlebt man die unterschiedlichsten kleinen Geschichten, die allesamt erlebenswert sind und das Spiel lebendig machen. Bis auf wenige Stellen, an denen die Kamera zur größten Herausforderung wird, macht es einfach Spaß, mit Piepmatz Claire aus der Vogelperspektive über die Welt zu segeln. Und auch, wenn ich kurze Spiele mittlerweile schätzen gelernt habe – A Short Hike ist derart unterhaltsam, dass es ruhig A Longer Hike hätte sein können.