Rick and Morty – oder warum guter Dialog so wichtig ist

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Es war kein Aprilscherz, als unerwartet am ersten April 2017 die erste Folge der dritten Staffel Rick and Morty auf Adult Swim lief und auch wenig später weltweit im Internet verfügbar war. Den Staffelstart dieser Serie, die 2013 als Geheimtipp startete und wenig später aus der Popkultur des Internets nicht mehr wegzudenken war, möchte ich zum Anlass nehmen eine der wichtigsten Stärken der Geschichten rund um Rick Sanchez, seine Enkelkinder, Tochter und Schwiegersohn näher unter die Lupe zu nehmen: Glaubwürdige, natürliche Dialoge und Reaktionen. 

Fragt man 100 Leute, warum sie Rick and Morty so gut finden, so kriegt man sicherlich oft zu hören, dass die Abenteuer verrückt und extrem phantasievoll sind oder die teilweise übertriebene Gewalt Leute auf einer Ebene unterhält, wie es auch Splatter-Filme tun. Und alles das trifft auch bei mir zu, aber dem zugrunde liegt ein absolut solides Fundament aus glaubhaften Charakteren und deren Verhalten in angespannten Situationen.

Jetzt ist man besonders in Deutschland aus dieser Hinsicht nicht gerade besonders verwöhnt. Neben wenig Experimentierfreude ist der Vorwurf gegen die heimische Film- und Fernsehnbranche oft der, dass die Drehbücher hölzern geschrieben sind, sodass auch talentierte Schauspieler da nichts mehr retten können. Sicherlich gibt es dabei auch Ausnahmen, nicht zuletzt in der starken, deutschen Theaterszene, aber ganz offensichtlich wird beim bewegten Bild in Deutschland mehr Wert auf leichte Kost gesetzt, die oft in Episodenform als einzelne Geschichte ohne übergreifende Handlung stehen kann mit Dialogen, bei denen jeder Gesprächspartner ruhig und klar spricht, manchmal sogar schreit, und brav den Gegenüber aussprechen lässt.

Nach den ersten Abschnitten liest sich dieser Text wie eine Abrechnung mit der deutschen Medienlandschaft, aber mir ist ebenso bewusst, dass andere Länder es zum größten Teil auch nicht besser können. Das Vereinigte Königreich oder die USA haben auch ihre Versionen von Verbotene Liebe, Lindenstraße und so weiter, allerdings kann ich diese hier nicht direkt zum Vergleich heranziehen, da ich mit ihnen noch weniger vertraut bin als ohnehin schon mit deutschem Fernsehen und sie schlicht und einfach außerhalb meines kulturellen Dunstkreises liegen. Die wenigsten Menschen in Deutschland gucken englisches Tagesprogramm.

Also sind die Dialoge in Rick and Morty auch im ausländischen Fernsehen eine Einzigartigkeit, aber was genau ist daran so besonders? Um das näher zu beleuchten möchte ich eine Szene aus der Serie genauer untersuchen. Ich habe für diesen Artikel nicht noch einmal beide Staffeln geguckt und auch nicht mehr so viele Beispiele hierfür gefunden, wie ich gerne hätte, also besteht hier auf gar keinen Fall ein Anspruch auf Vollständigkeit. Dennoch finde ich die kurze Szene typisch für viele Situationen und sie verdeutlicht gut was ich eigentlich aussagen will.

Im Vordergrund steht klar die absolut absurde Situation: Rick will die Zivilisation auslöschen, weil er denkt Morty damit bei seinem Liebeskummer einen Gefallen zu tun. Doch was diese Szene und auch die gesamte Serie so abhebt ist die sprachliche Brillanz. Je länger das Gespräch läuft, desto verrückter klingt Rick und desto irritierter ist Morty mit der gesamten Situation und der Dialog spiegelt das wunderbar wieder.

Während zu Anfang die Zeilen noch sauber vorgetragen sind und sich wenig überlappen, sieht das nach wenigen Sekunden schon anders aus und die Form widerstrebt komplett den klassischen Regeln eines Drehbuchs. Rick und Morty stammeln die Sätze vor sich hin, sodass man sie fast nicht verstehen kann. Dazu reden sie bei ihrem Handgemenge durcheinander und schaffen somit nicht nur bildlich, sondern auch sprachlich ein absolutes Chaos. Sätze ergeben keinen Sinn, werden nicht zu Ende geführt und nehmen keinerlei Bezug zueinander oder zu sich selbst. Beiden Charakteren entgleist die Fähigkeit sich vernünftig ausdrücken zu können, bis sich die Situation wieder beruhigt hat.

Und was sind das für Reaktionen, wenn nicht natürliche? Wer kann schon von sich behaupten in angespannten Situationen klare, kohärente Sätze zu bilden und fehlerfrei auszusprechen? Zu oft sieht man in Film und Fernsehen das Beziehungsdrama oder die Geiselsituation, die zwar vielleicht mimisch gut geschauspielert sind, aber unter hölzernen Dialogen leiden. Der menschliche Geist ist kein Supercomputer, der jederzeit die perfekten und ausgewogensten Sachen zu sagen hat. Irgendwann übernehmen unsere Emotionen. Ganz genau wie in dieser und so vielen anderen Szenen von Rick and Morty.

Ich mag die Serie wegen ihrem abgedrehten Humor und weil die Folgen in einander übergreifen und Konsequenzen haben. Ich mag die Charaktere, deren Motivationen oft vielschichtiger sind als sie scheinen, wenn Rick doch so etwas wie Liebe zu seiner Tochter oder seinen Enkelkindern empfindet und sie deshalb rettet oder sein Schwiegersohn Jerry, der – zumindest für eine Folge – von seinem weinerlichen, nach Anerkennung strebenden Ich abkehrt und Mut zeigt. Ich mag das Universum, das die Autoren geschaffen haben, das ebenso verrückt und phantasievoll wie zusammenhängend und logisch.

Aber was ich persönlich an Rick and Morty so liebe sind die Dialoge, die beinahe eins zu eins aus dem wahren Leben geschnitten sein könnten.