Von Drachen, Indonesien, Weltgeschichte und Kriegshämmern – Wenn Fortsetzungen das Original überragen

Heutzutage wird bei Filmen und Videospielen oft der Weg des geringsten Widerstands gegangen. Konkret wird eine erfolgreiche Reihe in immer weiteren Teilen immer weiter produziert um Fans des Originals zu locken und sicheren Erfolg im Vertrieb zu haben. Die negativen Beispiele aufzuzeigen wäre trivial und langatmig, doch allen Vorzeichen und Marktdynamiken zum Trotz gibt es sie doch, die zweiten Teile, die den Vorgänger vergessen machen lassen und uns komplett überraschen.

Für viele gelten Filme mit kleinem Budget aus Ländern wie Südkorea, Thailand, Indonesien oder Japan als ebenbürtig mit den Produktionen aus Hollywood. Den Vorreiter bildete Kurosawa mit seinem Epos Die Sieben Samurai, das sogar Hollywood kurz darauf mit Die Glorreichen Sieben schamlos kopierte. Spätestens Park Chan-wook brachte die Kino-Kunst aus Fernost mit Oldboy dann auf den westlichen Massenmarkt. Trotz der schieren Vielfalt an Genres und den Massen an so experimentellen wie teilweise wegweisenden Grundtönen verbinden wir asiatisches Kino zum Großteil mit Kung Fu-Filmen. Diese Art von durchchoreographierten Kämpfen hat es mit John Wick, Dredd und Jack Reacher auch nach Los Angeles geschafft, aber seine Großmeister finden alle diese Schöpfungen immer noch in den Ländern der aufgehenden Sonne.

The Raid überraschte 2011 mit geringem Aufwand aber hohem Gewaltgrad Filmfans weltweit. Perfekt inszenierte und tadellos durchgeführte Kämpfe vor der beängstigend klaustrophobischen Bühne einer hermetisch abgeriegelten Bösewichtenzentrale ließen einen von der ersten bis zur letzten Minute auf der letzten Kante seines Stuhls sitzen. Doch entgegen aller Vermutungen konnte diese erfrischende Brutalität in anderen Bildern mit ganz unterschiedlichen Stimmungen und Drehorten wieder faszinierend eingefangen werden. Während der erste Film beinahe als Überlebenskampf gelten könnte, wurde im Nachfolger viel mehr Wert auf eine stetige Eskalation der Gewalt bis hin zu einem beinahe Videospiel-artigem Finale mitsamt finalem Endgegner gelegt. Schauspieler und das bare Grundgerüst des ersten Teiles wurden beibehalten, aber durch einige Stellschrauben weiter aufgedreht und zusätzlich mit frischen Konzepten unterfüttert. Eine Fortsetzung also, die sich ihren Name absolut verdient gemacht hat.


Vorsicht vor milden Spoilern, die aber nur im Kontext des gesamtem Films wirklich Sinn ergeben.

Bleiben wir bei Filmen, schließlich findet man hier mit den vielen Reihen von Marvel, DC oder der weltberühmten Transformers-Reihe am häufigsten die Antithese zu dem, worum es in diesem Artikel gehen soll. Animationen, wie die Prestige-Projekte aus den Häusern Pixar, Disney und Dreamworks haben es auf dem westlichen Markt mit seinem Fokus auf männliche Jugendliche und junge Erwachsene nicht leicht. Viel zu häufig werden Werke wie Toy Story, Inside Out und Kung Fu Panda ohne Umschweife als Kinderfilme abgestempelt und ad acta gelegt. Dabei ist mit einem einfachen Blick auf das angehängte Spielzeug und filmbegleitende Medien nicht zu verleugnen, für welche Zielgruppe diese Filme in den Chef-Etagen der jeweiligen Filmstudios gedacht sind. Denn bei näherer Betrachtung zeigen sich neben der sehr guten handwerklichen Machart auch tiefere Ebenen der Handlung und Bedeutungen, die für Kinder oft nicht zu erfassen sind.

Zwei dieser oft übersehenen Filme der letzten Jahre sind How To Train Your Dragon und seine Fortsetzung. Im Vordergrund steht bei beiden eine kindgerechte Story samt pazifistischer Gewalt ohne wirkliche Verletzungen oder gar Tode mit wunderbar vermarktbaren Figuren. Doch schlägt bereits der erste Teil ungewöhnlich dunkle Töne an. Ohne zuviel zu verraten dreht sich da vor allem vieles um die Themen Verlust, Vorurteile und Vertrauensbildung und lange Zeit war unklar, ob diese ansehnlich erwachsene Richtung für den zweiten Teil beibehalten werden würde. Und auch wie bei The Raid 2 war für diese Fortsetzung keine Deut zuviel Vorschussvertrauen geflossen. In teilweise emotional vernichtenden Szenen für sowohl Hauptcharakter als auch Zuschauer baut der Film die oben genannten Motive aus und entwickelt neue und einzigartige Themengebiete, die wunderbar zu dem Heranwachsen des Helden und seiner Suche nach seinem eigenen Platz in der Welt passen.


Auch hier leichte Spoiler, die wieder nur minimal was verraten.

Diese positiven Beispiele beschränken sich nicht nur auf die Filmbranche, auch wenn sie bei den hier vorgestellten Spielen deutlich anders ausfallen. Denn im Gegensatz zu Kinoproduktionen mit durchschnittlich zwei Stunden Laufzeit sind Videospiele mit meistens 15 bis 20 Stunden die Regel. Mit dieser höheren Verweilzeit beim Konsumenten und der damit einhergehenden viel detaillierteren Erkundung der Materie, als das bei Filmen jemals der Fall sein könnte, nutzt sich das Gefühl etwas neues zu sehen und die Faszination des Dargebotenen auch schnell ab. Nach einmaligem Durchspielen eines Titels bleibt nur ein verschwindend geringer Teil der Nutzer daran hängen.

Zusätzlich hat sich in den letzten Jahren immer mehr die Politik unter den Vertreibern von Spielen verbreitet, zusätzliche sinnvolle und tiefgreifende Spielmechaniken nur per kostenpflichtiger Erweiterung anzubieten, obwohl diese zum Teil im direkten Vorgänger von Anfang an vorhanden waren oder spielerische Probleme lösen. So auch bei Civilization V, das in der Grundversion im Vergleich zum vierten Teil Kernstücke wie Religion und Spionage vermissen ließ. Folglich waren die Vorzeichen zum sechsten Teil denkbar schlecht, konnte man sich aus der Sicht vom Entwickler doch auf dem starken Markennamen ausruhen und nach und nach neue Mechaniken entweder als kostenlose Aktualisierung oder sich wie schon erwähnt und schon geschehen dafür bezahlen lassen. Doch Firaxis zeigte sich lernfähig und überzeugte alteingesessene Fans mit einer Kombination aus Neuerungen gegenüber dem letzten Teil und einer Übernahme von Traditionen.


Der Launchtrailer zu Civilization VI zeigt uns verschiedene Epochen der Menschheit.

Eine andere Spielereihe mit langer Tradition ist Total War und zu sagen, dass Teile wie Empire oder Rome II einen ruppigen Start und einen negativen Effekt auf das Vertrauen der Kunden in Creative Assembly hatten, ist noch milde ausgedrückt. Neben technischen Schwierigkeiten und nicht nachzuvollziehenden Änderungen am Spielverlauf plagt diese Serie auch eine gewisse Stagnation in der Weiterentwicklung von Mechaniken und eine Austauschbarkeit der spielbaren Völker, die sich bei den historisch angelehnten Titeln oft nur im Farbschema und Namen unterschieden. Kriegsführung in der Antike, dem Mittelalter oder der Neuzeit war nun mal nur minimal unterschiedlich von einer Fraktion zu der nächsten.

Im starken Kontrast zu dieser Vergangenheit steht Total War: Warhammer mit Völkern aus der Vorlage von Games Workshop, die sich alle in den Schlachten und auf der Strategiekarte absolut einzigartig spielen. Durch Mängel, wie fehlende Kavallerie bei den Zwergen oder Fernkämpfer bei den Vampiren, entstehen asymmetrische Begegnungen, die den Wiederspielwert der Kampagne erhöhen und einen auch dazu anregen, sehr einseitige Schlachten selbst zu spielen anstatt sie vom Computer ausrechnen zu lassen. Kritische Stimmen hingegen sagen, dass viele Aspekte auf der Weltkarte vor allem im Vergleich zu Shogun 2 zurückentwickelt wurden. Agenten haben noch weniger Alleinstellungsmerkmale in ihrer Verwendung und die Verwaltung der Regionen ist einfacher strukturiert als jemals zuvor. Gleichzeitig kann man diese Agenten als Heldencharaktere auf den Schlachtkarten einsetzen mit teilweise ausladenden Zaubersystemen, die sich über dutzende Zauber in diversen Arten unterscheiden. Und selbst, wenn man darauf verzichten will, hat jeder heeranführender Fürst und jeder Agent einen weit verzweigten Fertigkeitenbaum.

Leider fallen da, wo gehobelt wird, auch Späne und so sticht vor allem die Geldgier des Herausgebers Sega wie ein Dorn ins Auge. Kauft man alles zum Vollpreis, gibt es die gesamte Erfahrung für den doppelten Preis, den das Hauptspiel kosten würde. In den größeren und kleineren Erweiterungen sind dabei neben Einheitenpacks und zusätzlichem Bluteffekten auch beliebte Fraktionen aus der Vorlage einbegriffen. Vor allem der Vorbesteller-Bonus in Form der Chaos-Krieger ließ Spieler böses ahnen, das sich zum Glück nicht hundertprozentig bewahrheitete. Denn vor allem die Biestmänner und Waldelfen Erweiterungen bieten für ihren Preis mit einer Mini-Kampagne einen guten Mehrwert.

Und auch Creative Assemblys Pläne für den zweiten und dritten Teil aus dem Warhammer-Universum bieten Grund zur Hoffnung. Besitzer des ersten Teils etwa können den neu dazu gekommenen Kontinent aus dem für 2017 geplanten Nachfolger kurz nach Erscheinen auf einer gigantischen Karte zusammen mit der altbekannten Welt spielen. Alles in allem ist also klar, dass sich die Entwickler in diesem Umfeld mit seinen Eigenheiten voll austoben konnten. Es bleibt allerdings abzuwarten, ob sich diese Lehren im zweiten Teil fortsetzen und ob die Abteilung, die für historische Teile zuständig ist sich Notizen gemacht hat.


Der Auftakt zu Total War: Warhammer zeigt uns alle Rassen mit ihren Eigenarten.

Vielleicht ist es vielsagend für den Zustand der Unterhaltungsindustrie, dass solche kundenfreundlichen Verhaltensweisen für Fortsetzungen positiv herausstechen. Aber um diesen Widerstand gegen Marktdynamiken soll es hier ja tatsächlich gehen. Einfach wäre es auf garantierten Erfolg an den Kassen zu produzieren, den schweren Weg will heutzutage kaum noch einer gehen. Gleichzeitig ist aber auch die Akzeptanz für Innovation stark begrenzt. Kritiker können einen Film oder ein Spiel noch so sehr loben, wenn der Verbraucher lieber Geld für etwas ausgibt, das er kennt und von dem er sicher sein kann seinen Kauf nicht zu bereuen, ist es schwer, den Markt da aufzubrechen.

Zwar sind die hier vorgestellten Filme eher Produktionen mit kleinem Budget, aber besonders die erwähnten Spiele sind Multimillionen Dollar Investitionen, die trotzdem belohnt worden sind. Es gibt also Hoffnung für die Zukunft, wenn selbst stellenweise Fortsetzungen von Marvel mit Filmen wie Captain America oder Guardians Of The Galaxy aus den Verfehlungen ihrer Vorgänger lernen und sich immer wieder verbessern können.