Hollow Knight: Silksong – Freude und Frust im bittersüßen Metroidvania

Silksong Banner

Endlich ist Silksong erschienen! Eine gefühlte Ewigkeit ist vergangen, seitdem ich „We’ll meet again soon on the road ahead.“ im Abspann von Hollow Knight gelesen habe. Anfangs gab es nach der Ankündigung von Silksong noch einige Blogposts der Entwickler, danach herrschte komplette Funkstille. Der Silksong-Subreddit drehte über die Wochen, Monate und Jahre mehrfach komplett durch, die Chats von Gaming-Shows wurden regelmäßig mit Nachfragen gespamt und auch ich fragte mich Jahr für Jahr, ob Silksong überhaupt noch real war. Nun ist das Spiel erschienen und erntet neben viel Lob auch einige Kritik. Zu schwer, zu unverzeihlich, zu nervtötend. Ich habe inzwischen 50 Stunden im Königreich Pharloom verbracht – auch mich verbindet inzwischen eine Hassliebe mit dem Spiel.

Pharloom – Wer hält die Fäden in der Hand?

Kern von Silksong ist das Königreich Pharloom, in welches die Spielfigur Hornet nicht ganz freiwillig gebracht wird. In einem Käfig sitzend wird sie über eine Brücke getragen, einen Augenblick später stürzt diese ein und Hornet fällt in die Tiefe. Wo Hollow Knight mit dem Abstieg ins verlorene Reich Heilandsnest beginnt, wird man in Silksong mit dem Aufstieg konfrontiert. Nach dem tiefen Fall erklimmt man mit sattgrünem Moos bedeckte Höhlen und spricht im kleinen Ort Knochengrund mit Pilgern, die die Zitadelle erreichen wollen. Fortan kämpft man sich selbst dorthin nach oben, um zu erfahren, was es mit der Entführung Hornets auf sich hat. Dabei merkt man schnell, dass auch Pharloom schon bessere Zeiten erlebt hat.

Ähnlich wie in Hollow Knight fällt auch in Silksong nach wenigen Schritten auf, dass hier etwas nicht stimmt. Ein ehemals großes Reich ist verlassen, die Bewohner wurden zu willenlosen Kreaturen. Die Umgebungen sind zwar sehr hübsch anzusehen, doch dem allgegenwärtigen Verfall kann man sich nicht entziehen – die Schönheit der Endzeit. Bis auf wenige Ausnahmen sind auch die Pilger, die sich auf dem beschwerlichen Weg zur Zitadelle befinden, von ihrem göttlichen Pfad abgekommen. Sie wandeln als seelenlose Hüllen umher und greifen Hornet an, sobald sie sich nähert. Ab und an blitzen seidene Fäden nach oben und man sieht Figuren mit erhobenem Kopf singen.

Das Erkunden der vielen Gebiete bereitet in Silksong immens viel Freude, auch weil abermals stilistisch alles wie aus einem Guss wirkt und das Spiel den düsteren Ton auf dem Weg durch die vernetzte Welt abwechslungsreich darzustellen weiß. Silksong ist kein lineares Spiel, Pharloom ist ein Reich, das sich an erster Stelle auf logischen Elementen aufbaut und mit verknüpfter Architektur aufwartet. Das Design als Spiel kommt erst danach. Folglich ist auch der Frust vieler Spieler verständlich, die besonders in den ersten Stunden auf dem Weg zur Zitadelle mit zu wenig Geld und zu teuren Preisen zu ringen haben. Die Bewohner des unteren Pharlooms versuchen selbst auch, möglichst viel Geld zusammenzubekommen und bieten Hornet folglich keine niedrigen Preise an. Auch das Bezahlen von Speicherpunkten fügt sich diesem Designkonzept – wer auf Bänken des Wegs zur Zitadelle platz nehmen möchte, muss dafür zahlen. Möglicherweise pilgern die Käfer zu einem scheinheiligen Ort? Das Gefühl verstärkt sich dann im zweiten Akt, der beginnt, sobald man die Zitadelle betritt.

Silksong Graumoor

Hornet – Flinke Kämpferin mit Herz?

Wer sich an die Duelle mit Hornet aus Hollow Knight erinnert, weiß, wie schnell sie unterwegs war und welche Spezialfähigkeiten sie beherrschte. In Silksong übernehmen wir nun selbst die Kontrolle über die Figur und können schnell von ihrem Kampf-Repertoire gebrauch machen. Hornets Angriffe sind vielseitiger und schneller, ihre Heilfähigkeit lässt sich auch in der Luft einsetzen. Letzteres ist immens wichtig für Bosskämpfe, die abermals sehr knackig werden können. Denn obwohl Hornet recht zügig eine große Auswahl an Fähigkeiten erlernt und zudem noch allerhand Gegenstände nutzen kann, sind die Kämpfe keineswegs einfacher. Team Cherry hat nämlich auch die Komplexität der gegnerischen Attacken angepasst – selbst einfache Kreaturen verfügen nun zuweilen über ein diverses Moveset und können, wenn man nicht aufpasst, ordentlich Schaden austeilen. Was in Hollow Knight eine Seltenheit war, ist in Silksong fast schon Standard: Viele Angriffe ziehen zwei Leben ab – nicht selten ist man nach drei Treffern tot. Das, gepaart mit den oft komplizierten Wegen zurück zu einem Boss, kann durchaus für Frust sorgen.

Die schnellere Natur Hornets kommt ihr natürlich auch bei der Kletterei zugute. Auch hier gilt: Mehr Möglichkeiten heißt nicht, dass Silksong einfacher ist. Nicht selten fangen die Hände an zu schwitzen, beim Versuch, mit einem Leben doch noch eine rettende Bank zu erreichen. Hornet kann sich an Kanten nach oben ziehen, nach ihrem Dash sprinten, und langsam nach unten gleiten, indem sie ihr Kleid zu einer Art Fallschirm spannt. Beim Abspringen während eines Sprints wird zudem die Sprungreichweite immens erhöht, was neue Herausforderungen möglich macht. In bestem Metroidvania-Stil macht das Erkunden der in sich verwobenen Spielwelt, das Finden der Fähigkeiten und das damit verbundene Freischalten neuer Wege wie im Vorgänger immens viel Spaß.

Hornet unterscheidet sich nicht nur physisch beim Kämpfen und Springen vom Hollow-Knight-Protagonisten. Dieser war noch stumm und hörte den Monologen der Figuren nur zu, Hornet antwortet nun stattdessen auch und führt richtige Dialoge. Das sorgt vor allem dafür, dass man die Motivation und Ansichten der Spielfigur besser verstehen kann als die des – loremäßig sinnigen – gedankenlosen Knights des ersten Teils. Hornet spricht mit Händlern, tauscht Ideen und Theorien mit Pilgern aus und unterhält sich mit Questgebern. Ja, richtig, Silksong hat nun auch Quests. In den Dörfern des Königreichs lassen sich entweder im Gespräch oder an Anschlagtafeln sogenannte Wünsche sammeln, die erfüllt werden können. Mal müssen bestimmte Gegenstände gefunden werden, mal eine Figur aufgespürt, mal ein besonders harter Gegner besiegt werden. Die Wünsche sind eine wunderbare Idee, der Welt mehr Tiefe zu geben und auch die Rückkehr an bereits besuchte Orte lohnenswert zu gestalten. Oben drauf gibt’s noch Belohnungen.

Silksong Kampf

Silksong – Kunstvoll für Auge und Ohr?

Die Optik eines Spiels lässt sich nur schwer objektiv bewerten, die Integrität und Sicherheit im Umgang mit der gewählten visuellen Gestaltungsrichtung dagegen schon. Und hier punktet Silksong auf ganzer Linie. Wie auch schon Hollow Knight, verfügt das Spiel über eine sehr klare Designsprache und setzt diese bis in letzte Detail um. Ob Hintergründe, Gebietsmerkmale, passende und stilistisch unterschiedliche Gegner – alles entspringt einem klaren Ursprung. Die Einbindung des Klangs als zentrales Element im bildlichen, tonalen und metaphorischen Sinn funktioniert perfekt – das Dorf Glockenherz ist hierfür ein Paradebeispiel.

In erster Linie ist es die visuelle Stilsicherheit gepaart mit der klanglichen Abwechslung und Detailverliebtheit, die Silksong für mich schon jetzt zu einem sehr lohnenswerten Spiel machen. Es ist einfach schön, sich in Pharloom zu bewegen und die unzähligen kleinen Details zu entdecken – seien es klirrende Ketten, schwingende Eingangsschilder, umherwuselnde kleine Ameisen oder der Klang von Zahnrädern, Eisen und Stahl. Alles sieht unglaublich stilsicher aus und klingt einfach nur fantastisch.

Der tolle Soundtrack tut sein übriges, untermalt die Gebiete ebenso gelungen wie bei Hollow Knight und verleiht dem Spiel ab dem Betreten der Zitadelle noch einmal ein völlig anderes Klangbild. Auch die Bosskämpfe wurden mit tollen Soundtracks untermalt. Dabei weiß das Spiel, auch mit stillen Momenten Atmosphäre zu schaffen und die Musik nur punktuell einzusetzen. Auch die Ruhe ist ein Stilmittel – wenn Hornets schritte auf hartem Boden in großen Räumen hallen oder der Klang ihrer Nadel beim Aufprall klirrt. Chorgesänge, Glockenläuten und singende Figuren lassen Pharloom an jeder Ecke stimmig wirken und Shakra – die Kartenzeichnerin des Spiels – schon aus der Ferne erahnen. Einige der Melodien sind so einprägsam, dass ich sie inzwischen tagtäglich summe. 

Silksong Glockenherz

Mein Ersteindruck zu Hollow Knight: Silksong:

Wenn BioShock das Äquivalent zu Hollow Knight ist, ist BioShock: Infinite das zu Hollow Knight: Silksong. Rapture, die Stadt am Boden des Meeres, deckt sich thematisch mit Heilandsnest, dem untergegangenen Königreich, in welches man auf dem Weg nach unten immer tiefer eindringt. Ebenso lassen sich die religiösen Einflüsse von Columbia aus Infinite und Pharloom aus Silksong vergleichen. Beide thematisieren den Glauben als zwiespältiges Konzept, in beiden reist man beim Aufstieg nach oben.

Silksong ist ein schweres Spiel. Wer nicht mit harten Herausforderungen umgehen kann und knifflige Bosse eher verflucht als an dem Sieg über sie Spaß zu haben, für den wird die Reise durch Pharloom wohl eher zur Qual. Wer sich allerdings vor schwierigen Passagen nicht scheut, wird mit Schönheit belohnt. Sowohl visuell als auch klanglich ist Silksong ein absolutes Brett und noch einmal einen Tick schöner als Hollow Knight. Die Wartezeit hat sich gelohnt, die Detailverliebtheit und die Fülle an Inhalten überzeugen und machen aus Silksong einen würdigen Nachfolger zu einem bereits fantastischen Erstlingswerk.

Nachdem man den Endboss besiegt hat, fühlt man sich ähnlich wie nach dem „Ende“ von Hollow Knight. Und da Silksong in Akte eingeteilt ist, bin ich mir diesmal noch sicherer, dass es weiter geht. Akt 1 beschreibt den Aufstieg zur Zitadelle, Akt 2 das Erreichen ihrer Spitze. Und da jede gute Geschichte mehr als zwei Akte hat, bin ich sehr gespannt, wie es weiter geht. Ich muss mich wiederholen: Silksong ist endlich erschienen! Und es bietet mehr von allem – mehr Erkundung, mehr Figuren, mehr Dialoge, mehr Items und mehr Kampfmöglichkeiten. Einfach mehr Hollow Knight. Und darüber bin ich trotz der frustrierenden Momente im Spiel mehr als froh.