Schon seit vielen Jahren hält sich EVE Online beständig auf dem heiß umkämpften MMO-Markt. Vor allem die Komplexität schreckte bisher aber viele potentielle Käufer ab ein Abonnement abzuschließen. Damit ist jetzt Schluss, denn seit geraumer Zeit ist EVE Online auch kostenlos spielbar. Wir haben uns durch die ersten Stunden gekämpft und ergründen im folgenden Beitrag die Faszination der Weltraum-Sandbox.
Wenn man als Außenstehender etwas von EVE Online im Netz sieht, dann sind es meistens Massenschlachten mit Hunderten von Spielern, in denen große Kampfschiffe und wendige Jäger sich epische Duelle im luftleeren Raum liefern. Kämpfe sind allerdings nur ein kleiner Teil des Spiels und es ist durchaus möglich, seine Prioritäten auf komplett andere Elemente zu legen. Ob man als Händler sein Glück mit dem geschickten Kauf- und Verkauf von Material versucht, als Entdecker auf Schatzsuche geht oder als Weltraum-Pirat anderen Spielern das Leben schwer macht, bleibt gänzlich dir überlassen. Der riesige Umfang von EVE Online ist allerdings Fluch und Segen zugleich, wie sich in den ersten Spielstunden herausstellt.
Zu Beginn führt uns ein Introvideo in die Handlung von EVE Online ein. Man bekommt einen guten Eindruck davon, in welcher Zeit das Spiel angesiedelt und wie die Welt im Groben aufgebaut ist. Die Menschheit hat sich durch Wurmlöcher in weit entfernte Galaxien begeben und sich dort niedergelassen. Als diese sich dann schlossen, brach die Kommunikation zwischen den Kolonien ab und es folgten viele Jahre, in welchen sich die Menschengruppen auf unterschiedlichen Wegen weiterentwickelten. Ein spannender Ansatz, der einen ersten Überblick verschafft und zugleich die Grundlage für die verschiedenen Fraktionen im Spiel legt.
Traditionell beginnt unser Abenteuer mit der Erstellung unseres Charakters. Der umfangreiche Editor ließ uns schnell vergessen, dass wir uns in einem 13 Jahre alten Spiel befinden. Unzählige Schieberegler lassen uns von der Hautfarbe bis hin zur detaillierten Form der Nase alles anpassen. Zu guter Letzt schießen wir noch einige Passbilder, für welche wir die Mimik unserer Figur anpassen können, und schon kann es los gehen.
Wer nun so wie ich erwartet hat, dass man erst einmal mit seinem angehenden Piloten eine Ausbildung durchlaufen muss, liegt falsch. Man startet sofort an Bord des eigenen Raumschiffs und wird von einer Roboterstimme begrüßt, die einem fortan als Bordcomputer durch das Tutorial begleitet. Auch in den nächsten Stunden sieht man seinen in filigraner Kleinarbeit erstelltes Ego ziemlich selten, was wahrscheinlich daran liegt, dass der Charaktereditor erst später in EVE Online integriert wurde. Im Kern spielt man in EVE Online somit sein Raumschiff, nicht seinen Piloten.
Dies wird auch bei unseren ersten Flugversuchen deutlich. Die klassische WASD-Steuerung gibt es nicht, wir geben lediglich mit einem Mausklick auf die gewünschte Position im Orbit einen Flugbefehl. Die indirekte Steuerung wird nicht jedem gefallen, ist aber vor allem in größeren Gefechten mit vielen Schiffen notwendig, um den Überblick zu behalten. Das simple Einsammeln von Trümmerteilen in den ersten Minuten des Spiels sind allerdings dadurch alles andere als spannend, da man nach dem Klick auf das anzufliegende Objekt kaum noch etwas zu tun hat.
Interessant wird der Flug lediglich durch die hübsche Szenerie. Die riesigen Schiffswracks, an denen wir vorbeikommen, sehen imposant aus und die Unendlichkeit des Raumes ist in allen Richtungen erkennbar. Hinter dem in der ferne strahlenden Stern sehen wir einige Symbole, die verraten, dass dort Stationen zu finden sind und wir fragen uns, ob wir dort eines Tages hinreisen werden. Mit den läppischen 600 Metern pro Sekunde würde das wohl Jahre dauern. Praktisch für die Beobachtung unserer Umgebung ist die hohe Zoomstufe. Man kann sowohl sein Schiff aus nächster Nähe betrachten als auch mehrere Kilometer weit weg scrollen und so einen kompletten Himmelskörper auf die Größe einer Erbse schrumpfen lassen.
Nach dem Abschluss unserer ersten Mission, die uns die Steuerung des Schiffes, die Bedienung der Waffensysteme und schlussendlich auch den Warp-Antrieb erklärt, schießen wir mit unglaublicher Geschwindigkeit vorbei an dem Stern, den wir zuvor noch in großer Entfernung nur haben erahnen können, und hin zu einer ersten Station, die sich wie ein riesiger Koloss aus Stahl vor uns aufbäumt. Ja, EVE Online beherrscht die Darstellung von unterschiedlichen Größen und weiten Raumflügen, deren Ladezeit geschickt als Warp getarnt wurde, perfekt.
Bis auf die imposante Erscheinung bietet die Station wieder nur schnöde Menüs, durch die man sich zu klicken hat. Lediglich ein kleiner instanzierter Bereich ist betretbar, in welchem wir endlich wieder unsere Spielfigur zu Gesicht bekommen. Da es aber dort kaum etwas zu tun gibt, sitzt man recht schnell wieder im Schiff und verlässt die Station. Es wird schnell klar, dass EVE Online eher ein Spiel auf einer Metaebene ist und sich der eigentliche Inhalt viel mehr durch die Vorstellungskraft des Spielers entfaltet und nicht etwa direkt ersichtlich ist.
Seien es die Flüge durch den Weltraum oder die Kämpfe gegen Banditen – alles fühlt sich nicht wirklich greifbar an. Beim Spielen überwiegt somit das Gefühl, dass das Spiel sich selbst spielt und man lediglich simple Befehle gibt. Besonders deutlich wird dies in den Schlachten, bei denen man ein Ziel nach dem anderen anvisiert, anfliegt und abschießt. Das geschieht mit jeweils drei Klicks. Es gibt weder Ausweichmanöver oder aktives Zielen. Was bleibt, ist das Beobachten der eigenen Schutzhülle und die Hoffnung, dass die des Gegners vorher zerbricht.
Schon nach wenigen Spielminuten war es mir egal, was eigentlich gerade meine Aufgabe ist. Ob ich nun ein gegnerisches Schiff anklicke um es zu attackieren oder eine herumschwebende Kiste anwähle um sie zu öffnen ändert aus spielerischer Sicht nicht viel. Als unerfahrener Laie fehlt mir das fundierte Wissen über die verschiedenen Fraktionen und die Ausdauer, mich mit dem komplexen spielergesteuerten Wirtschaftssystem auseinanderzusetzen. Letztendlich blieb mir nur das Staunen über die gewaltigen Szenerien und die Spannung darauf, wie wohl die Umgebung nach dem nächsten Warp aussehen wird.
Die ansehnliche Optik kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass EVE Online im Grunde ein altes Spiel ist. Hinter den riesigen Raumstationen verbirgt sich leider immer dieselbe Landeanimation mit anschließender Menüklickerei. Diese Diskrepanz zwischen Spieler und Spiel macht es besonders für Neulinge schwer, in das Universum einzutauchen. Der tiefgehende Handel, die Fraktionen und illegale Machenschaften sind alles Dinge, die das Tutorial nicht ausreichend gut erklärt. Man muss Eigeninitiative zeigen und sich selber mit dem Phänomen EVE Online beschäftigen, wenn man auf lange Sicht am Ball bleiben möchte. Glücklicherweise nimmt die alteingesessene Community die Neulinge gut auf und erklärt in eigens dafür eingerichteten Chatchanneln die Grundlagen des Spiels und beantwortet Fragen. Somit stehen dem bereits über einem Jahrzehnt erfolgreichen EVE Online alle Türen für weitere zehn Jahre offen.
EVE Online schenkt dir nichts und wirft dir keine Gameplay-Happen für Zwischendurch entgegen. Nur du selbst kannst mit viel Geduld und eigener Recherche die komplexen Mechaniken lernen, die den kostenlosen Ausflug in den Weltraum empfehlenswert machen. Wenn du Interesse an MMORPGs mit eher passivem Gameplay hast und dich auf eine harte Lernkurve einstellen kannst, findest du hier möglicherweise ein Spiel, dass dich unzählige Stunden unterhalten kann. Wer weiß, vielleicht steckt in dir auch der nächste Anführer einer großen Menschenallianz, die mir ihren Flottenverbänden ein für allemal Frieden über die Galaxis bringt.
Moin,
sehr schön und lebhaft erklärt, auch wenn ich dir in zwei Punkten wiedersprechen muss.
Nicht jeder Zweig in EVE ist reines pasives Gameplay z.B. PVP (Jagen von Gegner) oder in der Diplomatie ist dies keineswegs der Fall und es gibt immer etwas zu tun.
„vielleicht steckt in dir auch der nächste Anführer einer großen Menschenallianz, die mir ihren Flottenverbänden ein für allemal Frieden über die Galaxis bringt.“
Es wird niemals Frieden geben!!
Vielen Dank für das Lob! 🙂
In den ersten Stunden in EVE hat mir in Sachen Gameplay irgendwie die Herausforderung gefehlt. Man drückt den Angriffs-Knopf und wartet dann, bis der Gegner explodiert. Es gibt ja keine Fähigkeiten wie in anderen MMOs. Wahrscheinlich bekommt man dann erst mit größeren Schiffen und zusätzlicher Bewaffnung mehr zu tun.
PvP und Diplomatie konnte ich noch gar nicht ausprobieren. Mir als Neuling fällt es recht schwer, in dem großen Universum den Überblick zu behalten. Bis auf die KI-Rebellen sind mir noch keine feindlich gesinnten Spieler entgegengekommen und ich wüsste auch nicht auf Anhieb, wo ich die finden könnte.
Spaß macht EVE Online auf jeden Fall und ich bin mir sicher, dass man mit einiger Einarbeitungszeit auch immer neue Herausforderungen für sich entdecken kann.
Ja, die Fähigkeiten muss man erst im Laufe des Spieles freischalten bzw. ins Schiff einbauen.
In MMORPGs (z.B. WoW) hat man das mittlerweile akzeptiert, dass es halt auch solche – wie du sagst – passiven Kampfsysteme gibt. Da klickt man in der Regel auch nur auf den Gegner und drückt ein paar Tasten, damit der Charakter selbstständig Angriffe ausführt. Bei Weltraumspielen ist es für viele leider ersteinmal eine Umgewöhnung, weil jeder denkt, dass man als Raumschiffkapitän das Raumschiff immer über den Joystick steuert.