Telltale’s Borderlands: Kammerjäger in Not

Die Borderlands-Reihe ist nicht gerade für eine tiefgründige oder emotionale Handlung bekannt. Stattdessen geht es mit futuristischen Waffen gegen unzählige Banditen, Skags und andere Pandora-Bewohner in den Kampf. Telltale Games schaffen es mit Tales from the Borderlands dennoch, aus der Ballerorgie eine bis zur letzten Szene spannende Geschichte zu zaubern. 

Spätestens seit dem ersten Teil der The Walking Dead Reihe von Telltale Games wissen wir, dass das kalifornische Studio vor allem eines kann: Ein ohnehin schon interessantes Szenario in ein interaktives Erlebnis zu verwandeln, in dem der Spieler wichtige Entscheidungen trifft und damit den Ausgang der Handlung beeinflussen kann. Mit Tales from the Borderlands wird das Konzept des beeinflussbaren Films erstmalig auf eine andere Videospielreihe übertragen, deren Hauptableger über kaum mehr als eine rudimentäre Handlung verfügt.

Der Launch Trailer von Tales from the Borderlands lässt die Geschichte des Spiels in den Grundzügen bereits erahnen. Wie im Hauptspiel auch, wird es um die Suche nach einer der sagenumwobenen Vaults gehen, in welchen der glückliche Finder unermessliche Schätze vorfinden wird. So weit, so Borderlands. Was Telltale allerdings wiedereinmal meisterlich umsetzt, ist die Gestaltung und Erzählung der Rahmenhandlung mit den verschiedensten Charakteren, denen man im Laufe der fünf Episoden begegnet.

Einige Dinge, die das Spiel von anderen Veröffentlichungen von Telltale Games unterscheiden,  fallen direkt nach den ersten Spielminuten auf. Tales from the Borderlands ist humorvoller und weniger ernst als etwa The Walking Dead oder Game of Thrones. Am laufenden Band gibt es lustige Szenen und die Charaktere lassen oft coole Sprüche los, selbst in den brenzlichsten Situationen. Damit passt sich das Spiel wunderbar an den Stil von Borderlands an, könnte aber auch Spieler, die die Art der vorangegangenen Spiele des Entwicklers mochten, sauer aufstoßen.

Wer sich mit dem Setting und der interessanten Narrative anfreunden kann, der wird mit Tales from the Borderlands ein rund zehn Stunden langes Abenteuer erleben, bei dem selten Zeit zum Verschnaufen bleibt. Durch die vielen Actionsequenzen fühlt sich das Spiel dabei eher wie ein Actionfilm an anstatt an die typischen Spiele von Telltale Games zu erinnern.

Tales from the Borderlands Screenshot
Wie in Borderlands: Humorvolle Action gibt’s am laufenden Band.

Freunde von Borderlands, die immer schon einmal mehr von der Welt und den Charakteren hören wollten, kommen voll auf ihre Kosten. Besonders die letzten Episoden legen einen stärkeren Fokus auf die Beziehungen zwischen den Charakteren, welche man mit seinen Entscheidungen wie gehabt in bestimmte Richtungen lenken kann.

Die vielen Quicktime-Events sind ziemlich knackig und fordern deutlich mehr Geschick als vorangegangene Veröffentlichungen des Studios. Auch deine Reaktionsfähigkeit wird des öfteren auf die Probe gestellt. Einzig in den Zwischensequenzen kommt man etwas zur Ruhe, nur um wenige Sekunden später wieder mit einer folgenschweren Entscheidung konfrontiert zu werden. Schnell bekommt man den Eindruck, die Handlung könne vom Spieler tiefgreifend beeinflusst werden. Das das lediglich eine geschickte Täuschung ist und die Geschichte in großen Zügen ungeachtet deiner Entscheidungen in die gleiche Richtung verläuft, trübt den Spielspaß nicht, wenn man sich auf die Illusion einlässt.

Obwohl die Geschichte bis zum Ende ziemlich actiongeladen bleibt, kommt Telltale typisch auch die Entwicklung der Charaktere nicht zu kurz. Kenner von Borderlands werden den einen oder anderen Namen schon einmal gehört haben, was nicht heißen soll, dass man die Shooter-Reihe zwingend gespielt haben muss. Auch ohne Vorwissen kommt man mit Tales from the Borderlands gut zurecht. Ähnlich wie bei Game of Thrones wird die Welt der Vorlage lediglich als Grundlage für die Erzählung genutzt, Tales from the Borderlands steht mit frischen Charakteren und Schauplätzen aber auf eigenen Beinen.

Tales from the Borderlands Screenshot
Kennern der Reihe werden einige Charaktere bekannt vorkommen.

Wenn man schon einmal im Ödland von Pandora, dem unwirtlichen Planeten des Spiels, unterwegs war, wird man sich gleich heimisch fühlen. Vor allem der Grafikstil ist nahezu perfekt umgesetzt worden und man erkennt bis auf die feiner animierten Gesichter praktisch keinen Unterschied zur großen Vorlage. Der Comiclook wurde sehr gut getroffen und kaschiert die teils ziemlich matschigen Texturen gekonnt.

Auch die Musikuntermalung kann ohne Probleme mit Borderlands mithalten. Jede Episode wird mit einem Introvideo eingeleitet, welches mit einem wunderbar passenden Lied unterlegt ist. Die Klangkulisse in Kombination mit den mal witzigen und mal heroischen Bildern fügen sich zu unvergesslichen Momenten einer spannenden Reise zusammen.

Vor allem in der letzten Episode kommen auch bekannte Borderlands-Figuren zu Wort, denen durch den Fokus auf Dialoge bedeutend mehr Tiefe als im Hauptspiel verliehen wird. Hier können sich begnadete Spieler auf viele spannende Hintergrundinformationen zu Handsome Jack und anderen Persönlichkeiten der Reihe freuen. Für alle anderen werden die Charaktere gut genug erläutert, dass sie auch ohne Vorkenntnisse jederzeit glaubwürdig wirken.

Tales from the Borderlands Screenshot
Die wild zusammengewürfelte Gruppe bleibt lange im Gedächtnis.

Mein Fazit zu Tales From the Borderlands:

Tales from the Borderlands hebt sich stark von anderen Veröffentlichungen von Telltale Games ab. Statt Trauer finden wir Freude, statt emotionalen Szenen gibt es jede Menge Action. Das soll nicht heißen, dass diese Aspekte gar nicht zum Vorschein kommen. Es ist aber deutlich spürbar, dass man sich grundlegend eher am zynisch-witzigen Design von Borderlands orientiert. Die spannende Handlung mit unvergesslichen Charakteren wird ohne langweilige Pausen vorangetrieben und das Zusammenspiel von Bild und Ton rundet Tales from the Borderlands für Freunde des Hauptspiels oder anderen Spielen von Telltale Games zu einem gelungenen Erlebnis ab.